Augsburger Allgemeine (Land West)
Warum Portugal so gut durch die Krise kommt
Pandemie Bislang sind die Infektionszahlen vergleichsweise niedrig. Doch ob das so bleibt?
Lissabon Auf der einen Seite ist der weite Atlantik. Auf der anderen die Grenze zu jenem ländlichen Teil Spaniens, in dem es viele Kühe, Schweine und Schafe, aber wenig Menschen gibt. Portugal klebt ziemlich abgelegen am Saum der iberischen Halbinsel, am südwestlichen Rand Europas. Diese Randlage, unter der die Portugiesen wirtschaftlich ziemlich leiden, erweist sich in der Corona-Krise als Vorteil. Denn auch das Coronavirus hat es so schwerer, bis nach Portugal vorzudringen und sich dort auszubreiten.
Die Zahlen am Donnerstagnachmittag (15 Uhr) sprechen für sich: Aus Spanien meldete die John Hopkins University knapp 183000 Infektionen, aus Portugal nur knapp 19000. Bei den Todesfällen ist der Unterschied noch größer: Spanien meldet 19130 Opfer, Portugal nur 629. Zwar leben in Spanien mit 47,1 Millionen Bewohnern nahezu fünf Mal mehr Menschen als in Portugal. Trotzdem sieht die Corona-Bilanz für Spaniens kleinen iberischen Bruder vergleichsweise gut aus.
Nun beten die zehn Millionen Portugiesen, dass nicht doch in den nächsten Tagen die große CoronaWelle aus Spanien über sie hereinbricht. Denn das Land ist alles andere als gut für die Katastrophe gerüstet. Portugal gehört zu den ärmsten Staaten Westeuropas. Das Gesundheitssystem hat wegen der horrenden Staatsverschuldung in den letzten Jahren heftige Einschnitte verkraften müssen.
Überall mangelt es an Material und Personal. Viele örtliche Gesundheitszentren wurden geschlossen. Tausende Ärzte und Pfleger wanderten mangels Perspektiven ins europäische Ausland ab. Was passiert, wenn das Virus SarsCoV-2 in Ländern wütet, deren Gesundheitsund Sozialsystem kaputtgespart wurde, kann man gerade in Spanien, Europas schlimmstem Corona-Hotspot, sehen. Vielleicht reagierten die Portugiesen deshalb so diszipliniert, als sie die ersten Horrornachrichten aus Spanien sahen.
Zehntausende portugiesische Familien gingen in Selbstquarantäne, noch bevor die sozialistische Regierung eine nationale Ausgangssperre verhängte. Die Angst, dass Portugal eine ähnliche Katastrophe durchmachen könnte, war groß.
„Es geht ums Überleben“, sagte der sozialistische Regierungschef António Costa, als er Mitte März schließlich den Notstand ausrief, die Bewegungsfreiheit einschränkte und nicht lebenswichtige Wirtschaftsaktivitäten stilllegte. Zu diesem Zeitpunkt war in Portugal noch kein einziger Corona-Toter gemeldet worden und die amtliche Statistik wies kaum mehr als 100 Infektionsfälle aus. Damit reagierte Portugal sehr viel früher, als dies viele andere europäische Länder taten. Ein Umstand, der vermutlich entscheidend half, die Ausbreitung des Virus unter Kontrolle zu halten.