Augsburger Allgemeine (Land West)
Anklage im Mordfall Lübcke
Attentat auf Politiker sorgte für Entsetzen
Karlsruhe Das tödliche Attentat auf den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke löste bundesweit Entsetzen aus – nun sollen sich der Hauptverdächtige Stephan E. und dessen mutmaßlicher Unterstützer Markus H. vor Gericht verantworten. Der Generalbundesanwalt erhob am Mittwoch Anklage gegen die 46 und 44 Jahre alten mutmaßlichen Rechtsextremisten. Ihnen werden Mord und Beihilfe zum Mord vorgeworfen, teilte die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mit.
Die Ermittler sind überzeugt, dass Stephan E. Lübcke Anfang Juni 2019 nachts mit einem Kopfschuss aus nächster Nähe auf dessen Terrasse tötete. „Ausschlaggebend für die Tat war die von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit getragene völkisch-nationalistische Grundhaltung“, so die Mitteilung. Der CDUPolitiker hatte sich bei einer Bürgerversammlung 2015 für die Aufnahme von Flüchtlingen eingesetzt, das soll E. aufgebracht haben. Seither habe er seinen Fremdenhass zunehmend auch auf Lübcke projiziert. E. wollte den Politiker laut Bundesanwaltschaft für dessen Haltung in der Flüchtlingspolitik abstrafen. Gleichzeitig habe er ein „öffentlich beachtetes Fanal gegen die von ihm abgelehnte gegenwärtige staatliche Ordnung“setzen wollen. Der 46-Jährige hatte die Tat zunächst
Sie trainierten gemeinsam im Wald das Schießen
gestanden und die Polizei zu seinem Waffenlager geführt. Später zog er sein Geständnis wieder zurück.
Markus H. war laut Ermittler nicht in die konkreten Anschlagspläne eingeweiht. Er soll es aber spätestens ab Juli 2016 für möglich gehalten haben, dass E. einen politischen Entscheidungsträger töten würde. Dies habe der 44-Jährige billigend in Kauf genommen und seinem Bekannten „Zuspruch und Sicherheit für dessen Tat“vermittelt. Laut Bundesanwaltschaft trainierten die beiden Männer im Wald und in Schützenvereinen gemeinsam das Schießen und nahmen an rechten Demos teil. Stephan E. beschuldigt H. inzwischen, in der Tatnacht dabei gewesen zu sein. H. sei es auch gewesen, der den Schuss abgegeben habe – aber aus Versehen. Die Ermittler glauben das nicht. Sie sind überzeugt, dass E. allein bei Lübcke war, um unerkannt zu bleiben. 2017 und 2018 soll er auch schon mit der Waffe zu Lübckes Haus gefahren sein. Stephan E. soll sich im Prozess für eine Messerattacke auf einen irakischen Asylbewerber Anfang 2016 verantworten. Die Polizei hatte zunächst vergeblich nach dem Angreifer gesucht. Inzwischen halten die Ermittler ein bei E. sichergestelltes Messer für die Tatwaffe. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm deshalb versuchten Mord und Körperverletzung vor. Zudem muss sich der 46-Jährige für den illegalen Besitz mehrerer Schusswaffen verantworten. Das Oberlandesgericht Frankfurt muss die Anklage noch zulassen.