Augsburger Allgemeine (Land West)
Im Schatten der Macht
Film Stefan Aust erzählt das Leben der leidensfähigen Kanzlergattin Hannelore Kohl
Augsburg Als Helmut Kohl 1982 endlich das Ziel seiner Laufbahn erreichte und Kanzler wurde, begannen die Leidensjahre seiner Frau. Hannelore Kohl hatte nie in die „Schlangengrube“Bonn gewollt, sich aber stets seinem politischen Ehrgeiz gebeugt. Sie war gefangen „im eisernen Machtsystem“des Gatten, wie es Stefan Aust in seinem Kommentar formuliert. Der frühere Spiegel-Chefredakteur zeichnet mit seinem Co-Autor Daniel Bäumler ein Leben nach, das typisch für die alte Bundesrepublik war: Hannelore Kohl war die Frau an der Seite ihres Mannes. Ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse mussten stets zurückstehen; selbst nach Kohls Abwahl 1998 konnte sie ihre Lebenspläne nicht verwirklichen.
Austs Dokumentationen zeichnen sich meist durch wohltuende Sachlichkeit aus. Auch der Spiegel hat Kohl einst fleißig verunglimpft – von dieser Haltung ist der Film „Hannelore Kohl – Die erste Frau“weit entfernt. Der Kommentar ist geprägt von Empathie und dem Respekt vor einer Lebensleistung: Hannelore Kohl hat ihr Schicksal diszipliniert ertragen. Wie fast alle
Frauen ihrer Generation war sie im Grunde alleinerziehende Mutter. Natürlich ist ihre Lebensgeschichte auch die ihres Gatten; streng genommen müsste der Film „Hannelore und Helmut Kohl“heißen, zumal sie streckenweise gar nicht vorkommt, wenn es um Weltpolitik geht. In dieser Verknüpfung liegt andererseits der Reiz des 90-minütigen Dokumentarfilms: Die Parole „Das Private ist politisch“traf auf Familie Kohl in einer Weise zu, die den Urheberinnen der Devise ganz sicher nicht vorschwebte. Nichts führt dies so deutlich vor Augen wie die perfekt inszenierte jährliche Urlaubsidylle am österreichischen Wolfgangsee. Aust spricht von „gutbürgerlichem Gemütlichkeitsterror“. Und das scheint nicht übertrieben, wie die Aussagen der Söhne Walter und Peter bestätigen. Gesellschaftsspiele mit der ganzen Familie gab es nur für die Kamera.
Die Interviews sind ohnehin die große Stärke des Films. Das textreiche Konzept hingegen ist klassisch, zumal Aust und Bäumler nebenbei noch Weltgeschichte abhaken: Es geht im Eiltempo durch Kindheit und Nachkriegsjahre, als hätte das Leben von Hannelore Renner tatsächlich erst durch die Heirat mit
Helmut Kohl seinen Sinn bekommen. Erst die Aussagen der Söhne verleihen dem Film Tiefe. Den politischen Weggefährten Kurt Biedenkopf und Bernhard Vogel fällt zu Hannelore Kohl nicht viel ein, Alice Schwarzer spricht nur über die Oberfläche („Auslaufmodell“).
Die Schilderungen von Walter und Peter Kohl erlauben hingegen Einblicke, die ernüchternd sind. Bedrückend müssen die Jahre der ohnehin als bleiern empfundenen Zeit der späten Siebziger gewesen sein, als der Oggersheimer Bungalow der Familie zur Festung wurde: „Hochsicherheitstrakt mit Schulanschluss“. Die Brüder wurden wie ihre Mutter stets für die Politik Kohls in Sippenhaft genommen und verunglimpft – auch nach dem Ende der Kanzlerschaft. Als Kohls Ansehen 1999 mit der Parteispendenaffäre Schaden nahm, wurde sie als „Spendenhure“beschimpft; selbst ihre Stiftung, mit der sie sich für Menschen mit Schädel-Hirn-Trauma engagierte, geriet in Misskredit.
Aust wollte seine Protagonistin ausdrücklich nicht als Opfer erscheinen lassen. Gegen Ende nahm das Leben Hannelore Kohls in Folge eines bereits 1993 erlittenen lebensgefährlichen allergischen Schocks jedoch Züge einer Tragödie an. Den Aufnahmen an der Seite ihres Mannes ist nicht anzusehen, welche Qualen ihr öffentliche Termine bereitet haben müssen. Daheim führte sie aufgrund ihrer Lichtallergie schließlich ein Dasein in einsamer Dunkelheit. Am 5. Juli 2001 setzte sie dem Leiden ein Ende.
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Der Film „Hannelore Kohl – Die erste Frau“ist am Freitag, 1. Mai, in der ARD um 18.30 Uhr zu sehen.