Augsburger Allgemeine (Land West)
Goldfinger-Prozess: Ein Staatsanwalt im Kreuzverhör
Justiz In dem spektakulären Steuerstrafverfahren gibt es seit Monaten Krach. Nun muss sich ein Ankläger einer aggressiven Befragung der Verteidiger unterziehen. Seine Antworten werfen neue Fragen auf und könnten Folgen haben
Augsburg Der junge Staatsanwalt geht schon seit Monaten in diesen Prozess. Normalerweise hat er eine Kollegin dabei und trägt die bei Gericht übliche schwarze Robe, die ihn wie eine Uniform ein wenig schützt. Doch am Mittwoch ist nichts normal im „Goldfinger“-Prozess um möglicherweise milliardenschwere Steuerhinterziehung.
Der Staatsanwalt kommt ohne schützende Uniform: weißes Hemd, graue Hose. Und er setzt sich nicht auf seinen Platz, sondern muss auf den Zeugenstuhl. Ihm steht eine unangenehme Verhörsituation bevor. Die Aussage des Chef-Steuerfahnders in diesem Verfahren hat sie ihm eingebrockt. Vor einer Woche war herausgekommen, dass zwei Augsburger Staatsanwälte 2017 ein Treffen mit der EU-Justizbehörde Eurojust in Den Haag und eines mit den britischen Steuerbehörden in London hatten. Doch in den Gerichtsakten findet sich nichts davon. Die Verteidiger warfen der Anklagebehörde Vertuschung vor und wollten Aufklärung. Die soll der Staatsanwalt mit seiner Zeugenaussage bieten.
Doch er kann nicht so viel zur Aufklärung beitragen, wie sich die Verteidiger erhofft haben: Er verweist darauf, dass er nicht der sachbearbeitende Staatsanwalt gewesen sei, sondern nur einer Kollegin zuarbeiten sollte. Teils erinnert er sich nicht. Die Atmosphäre wird giftig. Verteidiger Richard Beyer fragt penibel nach Details der Treffen. Mit welcher Fluglinie flogen die Ankläger, um wie viel Uhr, wie viele Übernachtungen gab es? Der Vorsitzende Richter der 10. Strafkammer, Johannes Ballis, muss eingreifen, als Anwalt Beyer den Staatsanwalt fragt, ob auf dem Weg nach Den Haag zuvor in Amsterdam vielleicht noch „ein bisschen was gekifft worden ist“.
Hintergrund der scharfen Auseinandersetzung: Die angeklagten Münchner Rechtsanwälte und Steuerberater Martin H. und Diethard G., die das „Goldfinger“-Modell aufgesetzt haben, fühlen sich völlig zu Unrecht strafrechtlich verfolgt. Die Steuerexperten sind davon überzeugt, dass sie sich mit ihrer Form der Steuergestaltung im rechtlichen Rahmen bewegt haben. Die Staatsanwaltschaft hält das Ganze jedoch für Steuerhinterziehung im großen Stil. Zuletzt war die Anklage stark unter Druck geraten, Beweise konnte sie bisher nicht vorlegen. Der Prozess ist ins Schlingern geraten.
In dem Mega-Verfahren, das von Steuerfachleuten in ganz Deutschland beobachtet wird, geht es um komplexe Fragen. Die Steuerersparnis bei „Goldfinger“ergibt sich dadurch, dass mittels Goldhandelsfirmen im Ausland steuerliche Verluste erzeugt werden konnten, die die Steuerlast im Inland stark drückten. Unter anderem geht es um die Frage, ob in Großbritannien tatsächlich sogenannte Betriebsstätten, also Büros der Goldfirmen existierten. Die Staatsanwaltschaft ging lange davon aus, dass es sich dabei um reine Briefkastenfirmen handelt. So steht es auch in der Anklage. Das darf inzwischen als widerlegt gelten. Bei den Treffen mit Kollegen in Den Haag und London soll besprochen worden sein, ob Durchsuchungen der britischen Firmen möglich sind. Er habe aus den Treffen mitgenommen, dass dies rechtlich schwierig sei, sagt der Staatsanwalt als Zeuge.
Doch die Verteidigung hat einen ganz anderen Verdacht: Kann es sein, dass die britischen Steuerbehörden geprüft haben, ob es diese Büros gibt? Und haben sie die Erkenntnisse so an ihre deutschen Kollegen weitergegeben? Und hat die Staatsanwaltschaft dann trotzdem Razzien organisiert, die Anwälte in U-Haft nehmen lassen und Anklage erhoben? Das versucht Verteidiger Beyer nun bei den betroffenen Behörden herauszufinden. Wenn es sich so bewahrheiten sollte, dann hätte nicht nur die Anklagebehörde ein Problem. Dann stünde sogar der gesamte Prozess vor dem Scheitern.