Augsburger Allgemeine (Land West)
„Versuche, Respekt zurückzuerobern“
Interview Tomas Koubek kam im Sommer zum FC Augsburg. Nach mehreren Patzern verlor er seinen Platz als Nummer 1 im Tor. Unter Trainer Herrlich hofft er auf eine Rückkehr
Herr Koubek, tragen Sie beim Training auf dem Rasen eigentlich auch einen Mundschutz?
Koubek: Beim Training trage ich keinen Mundschutz, aber in der Öffentlichkeit schon, wenn wir zum Beispiel zum Einkaufen gehen und Kontakt mit anderen Menschen haben könnten. Wir haben uns da von Anfang an nach den Vorgaben der tschechischen Regierung gerichtet.
Haben Sie sich schon mit dem Szenario Geisterspiele auseinandergesetzt? Koubek: Ich habe noch keine Erfahrungen mit Spielen ohne Fans gemacht. Wenn ich aus rein beruflicher Sicht nur auf das Spiel schaue, könnte der Fußball vielleicht auch einen Tick besser werden. Wenn die Fans nicht dabei sind, könnte eine spezielle Form des Drucks, ein Stressfaktor, wegfallen.
Der FC Augsburg hat in der CoronaKrise als eine der ersten Mannschaften in Kleingruppen wieder das Training auf dem Rasen aufgenommen. Sehen Sie sich und das Team für einen möglichen Neustart gut vorbereitet? Koubek: Wir trainieren ja schon seit mehreren Wochen auf dem Platz, auch wenn wir nicht alles umsetzen können, was wir wollen. Ich denke aber nicht, dass wir physisch etwas verloren haben. Was das Selbstvertrauen betrifft, kommt es uns zugute, weil wir als Team eine Pause gebraucht haben.
Tschechiens Torwart-Idol Petr Cech hatte früh in seiner Karriere mit Sparta Prag, Stade Rennens und dem Nationalteam die gleichen Karrierestationen wie Sie. Ist er Ihr großes Vorbild? Koubek: Er war eines der größten Vorbilder, als ich begonnen habe, richtig Fußball zu spielen und im Tor zu stehen. Das muss so mit 13 oder 14 Jahren gewesen sein. Ich habe seine Karriere verfolgt und auch versucht, ihm nachzueifern. Ich hatte beim Nationalteam auch die Gelegenheit, ihn kennenzulernen und habe von ihm als Torhüter und Mensch viel mitgenommen. Weil ich aus einer ländlichen Gegend komme, gab es für uns im Sommer nur Fußball und im Winter Eishockey. Ich habe früher vielleicht noch ein bisschen mehr Eishockey gespielt, und da war dann sicher Dominik Hasek ein Vorbild. Ich war sechs Jahre alt, als Tschechien 1998 in Nagano Olympiasieger wurde und einen riesigen Boom im ganzen Land ausgelöst hat. Ich habe mich früher sozusagen bei beiden Sportarten bedient.
Miroslav Kadlec, Tomas Rosicky, Tomas Galasek oder Jaroslav Drobny
– in der Bundesliga haben viele Ihrer Landsleute großen Eindruck gemacht. Wollen Sie in der Bundesliga auch eigene Fußstapfen hinterlassen? Koubek: Ich hatte mit all den Spielern, die Sie erwähnt haben, vor meinem Wechsel in größerem oder kleinerem Umfang Kontakt und habe mich auch über den nächsten Karriereschritt unterhalten. Für jeden tschechischen Spieler ist es eine Ehre, in der Bundesliga zu spielen und es in eine der stärksten Ligen der Welt zu schaffen. Ich bin mir sicher, dass auch ich beweisen werde, was für ein wertvoller Spieler ich in der Bundesliga bin. Mein Start war natürlich nicht einfach, das hat auch vor meinem Wechsel nach Augsburg niemand behauptet. Die Bundesliga ist ein harter Wettbewerb, vor allem für Torhüter. Ich versuche natürlich, den schlechten Beginn hinter mir zu lassen und einen Neuanfang hinzubekommen.
Sie haben in dieser Bundesligasaison gleich viermal fünf Gegentore in einem Spiel kassiert. Wie sehr nagt das an Ihrem Selbstvertrauen?
Koubek: Ich bin es nicht gewohnt, so viele Tore zu kassieren. Bis zu dieser Saison musste ich in meiner gesamten Karriere vielleicht zwei oder drei Mal fünf Gegentore in einem Spiel hinnehmen und jetzt gleich vier Mal. Das ist sicher keine einfache Situation. Es hängt nun davon ab, wie man als Torhüter das verarbeitet. Man kann sich natürlich ganze alleine in die Verantwortung nehmen oder, das halte ich für vernünftiger, man setzt diese Vielzahl an Gegentoren in den Kontext einer Mannschaft, denn Fußball ist ein Mannschaftssport, in dem es immer ums Team geht. Nach dem ersten Fünferpack ging mein Selbstvertrauen natürlich runter, bei den nächsten Malen wusste ich aber, wie ich damit umgehen kann.
Im letzten Augsburger Spiel vor der Corona-Unterbrechung Anfang März ersetzte Sie der damalige Trainer Martin Schmidt gegen den FC Bayern durch Andreas Luthe. Wie haben Sie den Torwarttausch wahrgenommen und welche Erwartung haben Sie an den neuen Coach Heiko Herrlich?
Koubek: Martin Schmidt wollte mit dem Torwartwechsel einen Impuls setzen. Da schon kurze Zeit später ein neuer Trainer kam, hatte ich kaum Gelegenheit, mich in die Gründe für den Wechsel weiter zu vertiefen. Andi hat in dem Spiel gut gehalten, was mich freut, weil mich starke Konkurrenz weiterbringen wird. Jetzt liegt es am neuen Trainer, sich für einen Torwart zu entscheiden. Ich fühle mich nicht am Boden, sondern versuche, noch mehr zu arbeiten als vorher und glaube fest daran, dass ich wieder im Tor stehen werde. Man kämpft natürlich noch mehr um seinen Posten, wenn man ihn verloren hat. Die Kunst der ganz großen Spieler ist es aber dann, sobald man seinen Posten zurückgewonnen hat, so hart weiterzuarbeiten, als ob man ihn verloren hätte. Ich versuche mir also den Respekt zurückzuerobern, den ich schon in Frankreich hatte.
Sie haben den Verein angeblich rund sieben Millionen Euro an Ablöse gekostet. Nehmen Sie diesen für den FC Augsburg hohen Betrag als besonderen Druck wahr? Erwartet der Verein deshalb mehr von Ihnen?
Koubek: Ich glaube nicht, dass die Verantwortlichen des FCA deshalb mehr erwarten. Sie erwarten das, was ich in Rennes geleistet habe. Deshalb haben sie mich gescoutet, deshalb wollten sie mich und deshalb haben sie mich verpflichtet. Ich spüre aber eine Verantwortung dem Verein gegenüber, der Geld für mich bezahlt hat. Ich versuche das aber nicht zu sehr an mich heranzulassen, weil die Position des Torhüters ohnehin hohen Druck beinhaltet. Der Verein hat mit dem Fünf-JahresVertrag für mich gezeigt, dass er mich langfristig will, und ich sehe keinen Grund davonzulaufen. Das habe ich noch nie gemacht.