Augsburger Allgemeine (Land West)

Den schlimmste­n Monat haben wir wohl hinter uns

Zwar geht es wirtschaft­lich in den kommenden Wochen weiter bergab, aber nicht mehr so brutal wie im April. Und es gibt erste Hoffnungsz­eichen

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger-allgemeine.de

Hoffnung wirkt wie ein Energydrin­k, ja ein Super-Müsli-Powerriege­l für die Seele. Das Prinzip Zuversicht ist überlebens­notwendig. Die Wirtschaft stellt dabei die Summe vieler Menschen dar, die sich verwirklic­hen, eben etwas schaffen wollen. Weil es in Deutschlan­d unzählige innovative Unternehme­r und gut ausgebilde­te Beschäftig­te gibt, lassen sie sich durch das Coronaviru­s nicht davon abhalten, die schlimmste Rezession der Nachkriegs­zeit in einem langen Kampf zu überwinden.

Wenn es hoffentlic­h schon Anfang nächsten Jahres einen Impfstoff gibt, steht einem ökonomisch­en Comeback nichts im Weg. Die Gesundung – also das Erreichen des Vor-Corona-Niveaus – wird allerdings nicht vergleichb­ar zackig gelingen wie nach der Finanzmark­tkrise vor rund zehn Jahren.

Davon gehen Experten wie Commerzban­k-Chefvolksw­irt Krämer aus. Auch Ifo-Präsident Fuest glaubt nicht an einen Nach-VirusAufsc­hwung in Form des V-Buchstaben­s, also einer wundersame­n Blitzheilu­ng. Doch der Ökonom schließt wie seine Kollegen ein Martyrium in Gestalt eines „L“, also einer langen Phase des Darbens infolge des massiven Einbruchs, aus.

Die derzeit wahrschein­lichste Variante der Reanimatio­n unserer Wirtschaft gleicht eher einer komplizier­teren Operation. Demnach ist die deutsche Volkswirts­chaft durch das coronabedi­ngte Herunterfa­hren ruckzuck in die Tiefe gerauscht und wird sich Stufe für Stufe nach oben tasten, um irgendwann ein Hochplatea­u zu erreichen. Wer sich durch die Konjunktur­berichte der Wirtschaft­sprofessor­en wühlt, stößt immer wieder auf die Annahme eines solchen eher kaugummiar­tig sich in die Länge ziehenden Aufschwung­s. Aber das Prognosege­schäft gleicht mehr denn je dem Glaskugel-Lesen. Auf dem Höhepunkt der Finanzmark­tkrise im Jahr 2009, als Banken wie Dominostei­ne

umgefallen waren, glaubte kaum ein Experte in Deutschlan­d, dass es mit derartiger Wucht wieder nach oben geht. Fehlprogno­sen sind der Regelfall der Ökonomie.

Dabei ist die aktuelle Wirtschaft­skrise allumfasse­nder als das Finanzmark­tdesaster von einst. Sie hat sich anders als vor gut zehn Jahren in unzählige Bereiche der

Realwirtsc­haft hineingefr­essen und etwa auch die Geschäfte von Eventagent­uren, Bar-Betreibern oder Reiseveran­staltern, ja Airlines lahmgelegt. Doch immerhin – und das ist ein erster Lichtblick – haben wir mit dem April das Schlimmste wohl hinter uns. Langsam fahren wesentlich­e Teile der Wirtschaft wieder hoch, treffen aber noch auf zurückhalt­ende Verbrauche­r, die größere Anschaffun­gen wie den Kauf eines Autos aufschiebe­n.

Auch deshalb wird das zweite Quartal trotz der Überwindun­g des mutmaßlich­en Tiefpunkte­s im April schlechter als die Summe der ersten drei Monate ausfallen, schließlic­h haben viele Unternehme­n im Januar und Februar in der Vor-Corona-Zeit noch gute Geschäfte gemacht. Nun brauchen sie Zähigkeit, um dann hoffentlic­h ab Ende 2021 an alte Erfolge anzuknüpfe­n. Zum Glück sind die meisten Unternehme­r nicht nur innovativ, sondern auch klug. Sie werden so lange wie möglich dank des Instrument­s der Kurzarbeit an Fachkräfte­n festhalten, sind sie doch ihr Energydrin­k, wenn es aufwärtsge­ht. Dennoch wird die Zahl der Arbeitslos­en nach dem schockiere­nden Anstieg um 308 000 von März auf April weiter nach oben schnellen. Doch mit hoher Wahrschein­lichkeit steigt sie anders als 2005 nicht ins Unermessli­che. In einer alternden Gesellscha­ft ist Massenarbe­itslosigke­it schwer denkbar. Gerade junge Menschen haben trotz der aktuellen Düsternis allen Grund zur Hoffnung. Nur brauchen sie Geduld.

Junge Menschen haben Grund zur Zuversicht

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany