Augsburger Allgemeine (Land West)
Den schlimmsten Monat haben wir wohl hinter uns
Zwar geht es wirtschaftlich in den kommenden Wochen weiter bergab, aber nicht mehr so brutal wie im April. Und es gibt erste Hoffnungszeichen
Hoffnung wirkt wie ein Energydrink, ja ein Super-Müsli-Powerriegel für die Seele. Das Prinzip Zuversicht ist überlebensnotwendig. Die Wirtschaft stellt dabei die Summe vieler Menschen dar, die sich verwirklichen, eben etwas schaffen wollen. Weil es in Deutschland unzählige innovative Unternehmer und gut ausgebildete Beschäftigte gibt, lassen sie sich durch das Coronavirus nicht davon abhalten, die schlimmste Rezession der Nachkriegszeit in einem langen Kampf zu überwinden.
Wenn es hoffentlich schon Anfang nächsten Jahres einen Impfstoff gibt, steht einem ökonomischen Comeback nichts im Weg. Die Gesundung – also das Erreichen des Vor-Corona-Niveaus – wird allerdings nicht vergleichbar zackig gelingen wie nach der Finanzmarktkrise vor rund zehn Jahren.
Davon gehen Experten wie Commerzbank-Chefvolkswirt Krämer aus. Auch Ifo-Präsident Fuest glaubt nicht an einen Nach-VirusAufschwung in Form des V-Buchstabens, also einer wundersamen Blitzheilung. Doch der Ökonom schließt wie seine Kollegen ein Martyrium in Gestalt eines „L“, also einer langen Phase des Darbens infolge des massiven Einbruchs, aus.
Die derzeit wahrscheinlichste Variante der Reanimation unserer Wirtschaft gleicht eher einer komplizierteren Operation. Demnach ist die deutsche Volkswirtschaft durch das coronabedingte Herunterfahren ruckzuck in die Tiefe gerauscht und wird sich Stufe für Stufe nach oben tasten, um irgendwann ein Hochplateau zu erreichen. Wer sich durch die Konjunkturberichte der Wirtschaftsprofessoren wühlt, stößt immer wieder auf die Annahme eines solchen eher kaugummiartig sich in die Länge ziehenden Aufschwungs. Aber das Prognosegeschäft gleicht mehr denn je dem Glaskugel-Lesen. Auf dem Höhepunkt der Finanzmarktkrise im Jahr 2009, als Banken wie Dominosteine
umgefallen waren, glaubte kaum ein Experte in Deutschland, dass es mit derartiger Wucht wieder nach oben geht. Fehlprognosen sind der Regelfall der Ökonomie.
Dabei ist die aktuelle Wirtschaftskrise allumfassender als das Finanzmarktdesaster von einst. Sie hat sich anders als vor gut zehn Jahren in unzählige Bereiche der
Realwirtschaft hineingefressen und etwa auch die Geschäfte von Eventagenturen, Bar-Betreibern oder Reiseveranstaltern, ja Airlines lahmgelegt. Doch immerhin – und das ist ein erster Lichtblick – haben wir mit dem April das Schlimmste wohl hinter uns. Langsam fahren wesentliche Teile der Wirtschaft wieder hoch, treffen aber noch auf zurückhaltende Verbraucher, die größere Anschaffungen wie den Kauf eines Autos aufschieben.
Auch deshalb wird das zweite Quartal trotz der Überwindung des mutmaßlichen Tiefpunktes im April schlechter als die Summe der ersten drei Monate ausfallen, schließlich haben viele Unternehmen im Januar und Februar in der Vor-Corona-Zeit noch gute Geschäfte gemacht. Nun brauchen sie Zähigkeit, um dann hoffentlich ab Ende 2021 an alte Erfolge anzuknüpfen. Zum Glück sind die meisten Unternehmer nicht nur innovativ, sondern auch klug. Sie werden so lange wie möglich dank des Instruments der Kurzarbeit an Fachkräften festhalten, sind sie doch ihr Energydrink, wenn es aufwärtsgeht. Dennoch wird die Zahl der Arbeitslosen nach dem schockierenden Anstieg um 308 000 von März auf April weiter nach oben schnellen. Doch mit hoher Wahrscheinlichkeit steigt sie anders als 2005 nicht ins Unermessliche. In einer alternden Gesellschaft ist Massenarbeitslosigkeit schwer denkbar. Gerade junge Menschen haben trotz der aktuellen Düsternis allen Grund zur Hoffnung. Nur brauchen sie Geduld.
Junge Menschen haben Grund zur Zuversicht