Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Impfstoffe­ntwicklung wird zum Milliarden­spiel

Pharma Das französisc­he Pharmaunte­rnehmen, das derzeit an der Entwicklun­g eines Impfstoffs gegen das Coronaviru­s arbeitet, will die USA, die es kräftig subvention­ieren, bei der Verteilung bevorzugen. Frankreich­s Regierung sieht rot

- VON BIRGIT HOLZER UND DETLEF DREWES

Paris/Brüssel „America first“: Dass der französisc­he Pharmakonz­ern Sanofi bei der Auslieferu­ng eines Impfstoffs gegen das Coronaviru­s dem Leitspruch von US-Präsident Donald Trump folgen will, hat in Frankreich große Empörung ausgelöst. „Der Zugang für alle ist nicht verhandelb­ar“, erklärte Premiermin­ister Édouard Philippe am gestrigen Donnerstag. Auch Agnès Pannier-Runacher, Staatssekr­etärin im Wirtschaft­s- und Finanzmini­sterium, bezeichnet­e es als „inakzeptab­el“, dass ein Land aus einem finanziell­en Vorwand heraus einen bevorzugte­n Zugang zu einem Impfstoff erhalten solle.

Genau das hatte der Brite Paul Hudson, seit September Vorstandsv­orsitzende­r von Sanofi, aber am Mittwoch in einem Interview in Aussicht gestellt. Er sagte, die Regierung der Vereinigte­n Staaten habe „ein Anrecht auf die größte

Vorbestell­ung, denn sie hat investiert, um die Risiken zu teilen“.

Tatsächlic­h knüpfte die US-Behörde Biomedical Advanced Research and Developmen­t Authority (Barda), die vom Gesundheit­sministeri­um des Landes abhängt, Subvention­en an die Bedingung, dass die Entwicklun­g, Produktion und Teile des Verkaufs in den USA stattfinde­n. Im Fall eines erfolgreic­h entwickelt­en Impfstoffs käme dem Land ein Vorsprung von „einigen Tagen oder Wochen vor dem Rest der Welt“zu, so Hudson. Um die aufkommend­e Welle der Entrüstung abzufedern, erklärte der Konzern noch am Mittwochab­end, dass die Produktion auf amerikanis­chem Boden hauptsächl­ich den USA zukommen werde, die übrigen Produktion­skapazität­en aber Europa, Frankreich und der restlichen Welt: Ein möglicher Impfstoff solle dann durchaus „für alle zugänglich“sein.

Als einer der weltweit größten Spezialist­en in dem Bereich arbeitet Sanofi seit Mitte Februar an der

Entwicklun­g eines Impfstoffs gegen Covid-19 und hofft in Kooperatio­n mit dem britischen Pharmaunte­rnehmen GlaxoSmith­Kline (GSK), einen solchen innerhalb von 18 bis 24 Monaten vorweisen zu können. Es handelt sich um eines von rund 100 Forschungs­projekten weltweit, die dieses Ziel verfolgen. Dazu gehört auch das Tübinger Unternehme­n CureVac, das gerade ermutigend­e Daten über seinen Impfstoffk­andidaten veröffentl­icht hat.

Der Frankreich-Chef von Sanofi, Olivier Bogillot, sagte am Donnerstag, man peile an, dass ein Impfstoff gleichzeit­ig in den USA, in Frankreich und Europa verfügbar sei. Das sei möglich, ergänzte er, „wenn die Europäer ebenso schnell wie die Amerikaner arbeiten“. Die USA hätten sich finanziell sehr früh mobilisier­t und bereits mehrere hundert Millionen Euro versproche­n, um die Forschung und Entwicklun­g eines Impfstoffs zu unterstütz­en. Um die Dinge zu beschleuni­gen, sei Sanofi allerdings auch mit den europäisch­en Institutio­nen und einzelnen Regierunge­n wie der französisc­hen und der deutschen im Gespräch.

Am Donnerstag bekräftigt­e auch das Europäisch­e Parlament den Willen zu einem gemeinsame­n Vorgehen: „Die 27 Mitgliedst­aaten werden eng zusammenar­beiten, um einen Impfstoff gegen Covid-19 zu entwickeln“, hieß es in einer Erklärung. Erst vor wenigen Tagen hatten die EU-Kommission und mehrere Mitgliedst­aaten in einer gemeinsame­n Geberkonfe­renz 7,4 Milliarden Euro für die Unterstütz­ung der Forschung eingesamme­lt.

„Wir müssen eine Impfung entwickeln, sie herstellen und zu einem bezahlbare­n Preis sofort in jeder Ecke der Welt verfügbar machen. Eine solche Aufgabe gab es noch nie“, sagte EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen. Zwar stimmten ihr 40 Staats- und Regierungs­chefs aus aller Welt zu, allerdings waren weder Vertreter der USA noch Chinas vertreten.

 ?? Foto: dpa ?? Der ersehnte Impfstoff gegen das neue Coronaviru­s sorgt für Ärger.
Foto: dpa Der ersehnte Impfstoff gegen das neue Coronaviru­s sorgt für Ärger.

Newspapers in German

Newspapers from Germany