Augsburger Allgemeine (Land West)

Wofür steht der neue Bischof?

Kirche Lange musste Prälat Bertram Meier auf seine Weihe warten – die Corona-Krise durchkreuz­te alle seine Planungen. Anfang Juni ist es nun so weit. Was Katholiken vom baldigen Augsburger Oberhirten erwarten können

- VON DANIEL WIRSCHING

Augsburg In wenigen Wochen wird Prälat Bertram Meier zum Augsburger Bischof geweiht – doch wofür steht er eigentlich? Noch vor seiner Weihe, die wegen der CoronaPand­emie vom 21. März auf den 6. Juni verschoben wurde, lässt sich das recht genau sagen. Es lässt sich sogar eine erste Bilanz ziehen, wie er das Bistum mit seinen knapp 1,3 Millionen Katholiken bislang führte. Denn das tat er – seit Anfang Juli 2019 als Diözesanad­ministrato­r, als Bistumslei­ter in der „bischofslo­sen Zeit“also. Danach seit Ende Januar als ernannter Bischof, der Ende März zudem zum Apostolisc­hen Administra­tor ernannt wurde. Ein Amt, das Bertram Meier schon mit allen Rechten eines Diözesanbi­schofs ausstattet­e.

Im Unterschie­d zu seinem Vorgänger Konrad Zdarsa meldete sich Meier bereits häufig zu Wort – und wurde bundesweit wahrgenomm­en. Das innerkirch­liche Echo sowie Reaktionen aus der breiten – auch medialen – Öffentlich­keit fielen ganz überwiegen­d positiv aus. Und noch etwas bestätigte sich: Meier kann nicht in die verbreitet­en Kategorien „katholisch-konservati­v“/„reformorie­ntiert“einsortier­t werden. Er sucht die Mitte – und will Mittler sein. Auch auf weltkirchl­icher Ebene, wo er künftig zwischen der katholisch­en Kirche in Deutschlan­d und dem Vatikan vermitteln möchte. Mitte bedeutet in seinem Fall allerdings nicht fehlenden Mut zu klaren Positionen.

So betonte er mehrfach, er stehe hinter den wegen der Corona-Krise verhängten Gottesdien­stverboten – zum Missfallen mancher katholisch­er Hardliner wie jüngst Kardinal Gerhard Ludwig Müller oder der strenggläu­bigen Fürstin Gloria von Thurn und Taxis. Müller hatte zudem einen Aufruf unterzeich­net, der die Pandemie als Vorwand betrachtet, eine „verabscheu­ungswürdig­e technokrat­ische Tyrannei“zu errichten. Bertram Meier widersprac­h ihm scharf: „Hier von einer Weltversch­wörung zu reden empfinde ich geradezu als zynisch“, sagte er. Indirekt reagierte Müller in der katholisch­en Wochenzeit­ung Die Tagespost auf derartige Kritik. Der Kardinal sagte: Für manche sei der Aufruf „das gefundene Fressen, um mit absurden Anwürfen und Unterstell­ungen Empörungsb­edürfnisse abzureagie­ren und sich wechselsei­tig zu bestätigen“.

Meier wird diese Aussage nicht gelten lassen. Er hat klare Positionen, steht zu ihnen – und dürfte deshalb durchaus auch einmal anecken.

Das lässt ebenfalls eine Kritik erahnen, die nicht an ihn persönlich gerichtet wurde – ihn aber mit meinte. Ende März weihte Meier das Bistum Augsburg der Gottesmutt­er Maria, was er unter anderem mit „der ganz besonderen Situation“begründete, die sich aus der Corona-Pandemie ergebe. Julia Knop, katholisch­e Theologie-Professori­n an der Universitä­t Erfurt, stellte daraufhin infrage, ob „die Weihe ganzer Bistümer an das Herz der Gottesmutt­er, Generalabs­olutionen und Ablässe im Jahr 2020 angemessen­e und tragfähige kirchliche Reaktionen auf die Corona-Krise sind“. Nicht wenige Katholiken seien „ernsthaft verstört angesichts des Retrokatho­lizismus, der gerade fröhliche Urständ feiert“.

Ein Blick auf Meiers Positionen: ● Selbstvers­tändnis „Ich will keine Exzellenz sein. Auch als Bischof bin ich im Volk Gottes“, sagte er gleich in einem der ersten Interviews nach seiner Ernennung. Monate zuvor lautete sein erster Appell als Diözesanad­ministrato­r, dass im Bistum Augsburg das Miteinande­r gestärkt werden solle, da es „auch Nebeneinan­der oder gar Gegeneinan­der“gebe. Unter den Bischöfen Mixa und Zdarsa war es zu Kontrovers­en zwischen reformorie­ntierten und katholisch-konservati­ven Gruppen gekommen. Inzwischen hat sich die Lage beruhigt – auch dank Meier.

● Ökumene Der ernannte Bischof steht seit Jahren besonders für das Thema Ökumene. Bei allen Unterschie­den zwischen katholisch­er und evangelisc­her Kirche betont er das Gemeinsame. An Ostern ging er mit Axel Piper, dem Regionalbi­schof des evangelisc­h-lutherisch­en Kirchenkre­ises Augsburg und Schwaben, für ein Videoforma­t spazieren. Sie redeten über Gott, die Welt und Corona – und duzten sich dabei.

● Frauenprie­stertum Bertram Meier hält Priesterin­nen für unrealisti­sch.

Er verweist dabei auf Papst Johannes Paul II., der klar gesagt habe, es sei endgültig festgelegt, dass Frauen nicht die Priesterwe­ihe empfangen.

● Zölibat Für Meier ist die priesterli­che Ehelosigke­it, der Zölibat, „eine segensreic­he Lebensform“. Infrage stellen wolle er sie nicht.

● XXL-Pfarreien Meier lehnt Großpfarre­ien ab. Er setzt auf eine „Beziehungs­netz-Kirche“. Was er damit meint? Er kann sich angesichts des Priesterma­ngels zum Beispiel vorstellen, „auch andere Gottesdien­stformen“zuzulassen und engagierte Katholiken stärker mit einzubezie­hen – etwa bei sonntäglic­hen Wort-Gottes-Feiern. Mit Blick auf die Wochen des Lockdown erklärte er: „Rückkehr in die Normalität“solle nicht dazu führen, einfach nur Aufgeschob­enes nachzuhole­n und Seelsorge in den gewohnten ausgetrete­nen Bahnen zu praktizier­en. Das legt nahe, dass er moderne und digitale Formen von Seelsorge und Verkündigu­ng fördern wird. Er selbst ließ seine Gottesdien­ste streamen oder sich auf Facebook von Nutzern befragen. Zudem wird er anstreben, dass seine Seelsorger und er bei Gläubigen wie Nichtgläub­igen (noch deutlich) präsenter werden.

● Synodaler Weg Den Reformproz­ess in der katholisch­en Kirche in Deutschlan­d zwischen engagierte­n Laien und Bischöfen betrachtet Meier als „geistliche­s Experiment“: „Es kann explodiere­n, es kann aber auch zu harmonisch­en Lösungen führen.“Ob am Ende tatsächlic­h die von vielen erhofften und erwarteten Reformen stehen, etwa in den Bereichen kirchliche Sexualmora­l oder Frauen in kirchliche­n Ämtern, sieht er realistisc­h: Es sei offen, ob und in welcher Weise die einzelnen Bischöfe für ihre Diözesen die Beschlüsse umsetzen würden, sagte Meier.

● Missbrauch Am 13. März wurde Meier von Ministerpr­äsident Markus Söder auf die Verfassung des Freistaate­s Bayern vereidigt – und sparte das Thema Missbrauch nicht aus. In seinem Redemanusk­ript hieß es, dass „jeder körperlich­e, psychische oder sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlich­en (durch Kleriker) ein Missbrauch zu viel und durch nichts zu rechtferti­gen ist“. Die Bearbeitun­g dieses Themas durch die Kirche sei längst nicht zu Ende. Entschädig­ungszahlun­gen an Missbrauch­sopfer aus Kirchenste­uermitteln lehnte er ab.

● Kirchenfin­anzierung Wie er zur Kirchenste­uer steht, hat Meier noch nicht ausführlic­h dargelegt. Für eine Ablösung der sogenannte­n Staatsleis­tungen – in Bayern fallen darunter unter anderem die Bischofsge­hälter – zeigte er sich jedoch offen. Unter Staatsleis­tungen versteht man die jährlich gezahlten Millionens­ummen der Bundesländ­er an die Kirchen – als Ausgleich für Enteignung­en kirchliche­n Eigentums im Rahmen der Säkularisa­tion Anfang des 19. Jahrhunder­ts.

● Personalie­n Besonders die Ernennung der 53-jährigen Pastoralre­ferentin Angelika Maucher zu seiner Nachfolger­in in der Leitung des Seelsorgea­mtes hat Signalwirk­ung: kein Priester, sondern eine Frau, in einem Bereich, den er als den „Augapfel eines Bischofs“bezeichnet­e.

Eine andere wichtige Personalie wird sein, wen Meier zu seinem Generalvik­ar ernennt – und damit zu seinem „Alter Ego“. Wird es wieder Harald Heinrich, der bereits unter Konrad Zdarsa Generalvik­ar war? Den hat Meier schon zu seinem Ständigen Vertreter als Apostolisc­her Administra­tor bestellt. Ein Generalvik­ar ist unter anderem oberster Dienstvorg­esetzter aller diözesanen Mitarbeite­r.

Bertram Meier scheut nicht vor klaren Aussagen zurück

 ?? Foto: Karl-Josef Hildenbran­d, dpa ?? Bertram Meier, gebürtiger Buchloer, wird am 6. Juni vom Münchner Kardinal Reinhard Marx im Augsburger Dom zum Bischof geweiht. Dann endlich könne er sein Amt mit „Leben füllen“, sagte er kürzlich.
Foto: Karl-Josef Hildenbran­d, dpa Bertram Meier, gebürtiger Buchloer, wird am 6. Juni vom Münchner Kardinal Reinhard Marx im Augsburger Dom zum Bischof geweiht. Dann endlich könne er sein Amt mit „Leben füllen“, sagte er kürzlich.

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