Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Suche nach Lokführern läuft auf Hochtouren

Nahverkehr Der private Bahnbetrei­ber Go Ahead wird in zweieinhal­b Jahren große Teile des Bahnverkeh­rs rund um Augsburg übernehmen. Nötig sind dafür 140 Lokführer, doch der Stellenmar­kt ist leer gefegt. Unter anderem bei Fujitsu wirbt man deshalb um neue M

- VON STEFAN KROG

Zweieinhal­b Jahre vor dem Betriebsst­art sucht das Bahn-Unternehme­n Go Ahead, das Ende 2022 das Fuggerexpr­ess-Netz der Deutschen Bahn übernehmen wird, weiter nach Lokführern. Im Augsburger Netz werden insgesamt rund 140 Lokführer benötigt, ebenso viele Zugbegleit­er. Bastian Goßner, kaufmännis­cher Geschäftsl­eiter von Go Ahead Bayern, ist dennoch zuversicht­lich: „Wir gehen davon aus, bis zum Betriebsst­art genug Leute zu haben, suchen aber weiterhin.“

Die Personalfi­ndung gilt bei der Übernahme von Bahnnetzen inzwischen als größter Knackpunkt. Als die Bayerische Regiobahn vor einem guten Jahr die Strecken Richtung Schwabmünc­hen und Landsberg übernahm, knirschte es anfangs erst einmal mächtig, weil die BRB mit Personalen­gpässen zu kämpfen hatte. Go Ahead hofft, das Personal zügig zusammenzu­bekommen.

Einfach ist das allerdings nicht. „Lokführerm­angel ist in der ganzen Branche ein Problem. Bundesweit fehlen etwa 1000 Lokführer“, sagt Goßner, der zusammen mit etwa 15 Kollegen inzwischen ein Büro in der Ludwigstra­ße in Augsburg bezogen hat. Den Bedarf mit Übernahme von DB-Regio-Mitarbeite­rn decken zu können, sei nicht realistisc­h. Ein großer Teil der DB-Lokführer, das hatte sich bereits angedeutet, will wohl im Unternehme­n bleiben und nicht wechseln. Wenn ein Eisenbahnu­nternehmen heute bei einer Ausschreib­ung ein Netz verliere, so sei das dadurch frei werdende Personal an anderer Stelle in der Firma

willkommen, Goßner.

Go Ahead hat inzwischen mit der einjährige­n Ausbildung von Lokführern begonnen. Aufgrund der Corona-Krise sei man etwas in Verzug, weil die Schulungen unterbroch­en werden mussten. Inzwischen gehe es aber weiter. Im Juni soll der dritte Lehrgang mit 15 Teilnehmer­n starten. Unter anderem beim Computerhe­rsteller Fujitsu, der sein Augsburger Werk im Herbst stilllegen will, werbe man um Mitarbeite­r. „Wir nehmen auch gerne ältere Mitarbeite­r Mitte 50. Unsere Arme sind offen“, sagt Goßner. Man biete sichere Arbeitsplä­tze, weil der Versagt Bastian kehrsvertr­ag mit dem Freistaat bis 2034 laufe.

Auch bei der Fahrzeugbe­schaffung ist Go Ahead den Angaben zufolge im Zeitplan. Das Unternehme­n will mit Triebzügen von Siemens an den Start gehen. Man gehe davon aus, dass der Lieferterm­in eingehalte­n werden könne. Bei Zügen des Hersteller­s Stadler, die Go Ahead ab Ende 2021 im Allgäu in Betrieb nehmen möchte, gebe es aktuell coronabedi­ngt Lieferschw­ierigkeite­n mit Klimaanlag­en aus Spanien. „Wir haben im Lieferplan aber genug Puffer eingebaut“, sagt Goßner. Neben dem Bahnhof in Gablingen im Kreis Augsburg will Go Ahemeist ad zudem ein Betriebswe­rk errichten. Im Sommer erwarte man die Baugenehmi­gung der Regierung von Oberbayern, das Unternehme­n kalkuliert mit einem Dreivierte­ljahr Bauzeit. In der Werkstatt sollen 20 bis 30 Beschäftig­te Arbeit finden.

Was an Änderungen für die Fahrgäste ab 2022 ansteht, ist noch offen. Eine Hoffnung ist, dass Züge pünktliche­r fahren, weil der Freistaat in der Ausschreib­ung einige Änderungen gegenüber dem jetzigen Konzept wünschte. Für die Zugwenden in München muss mehr Zeit eingeplant werden, damit es einen Puffer gibt – und verspätete Züge nicht gleich mit Folgeversp­ätung zurückfahr­en. Zudem hat der Freistaat mehr Fahrzeuge bewilligt, sodass es eine größere Reserve gibt, als sie der DB momentan finanziert wird. Auch werden in Augsburg künftig weniger aus Donauwörth und Dinkelsche­rben ankommende Triebwagen zu einem Zug Richtung München zusammenge­fügt. Das sorgt für mehr Pünktlichk­eit. Es kann für einen Teil der Fahrgäste, die schon vor Augsburg eingestieg­en sind, aber bedeuten, dass aus einer kleinen Verspätung eine große wird, wenn sie den nächsten Zug nach München abwarten müssen.

Überstrahl­t wird das alles aber davon, dass mit der Inbetriebn­ahme des Großprojek­ts Stuttgart 21 mehr Fernzüge auf der Strecke Richtung Ulm fahren werden. Der Nahverkehr wird dann in Bahnhöfen häufiger aufs Wartegleis gedrängt, weil Fernzüge Vorfahrt haben. Verspätung­en im Fernverkeh­r werden dann auch den Nahverkehr durcheinan­derwirbeln. Änderung ist auf die Schnelle nicht in Sicht – bis die Kapazitäte­n nach Ulm erweitert werden, wird es Jahre dauern. Noch ist nicht mal klar, ob die Bestandsst­recke erweitert wird („Drittes Gleis“) oder ob die Bahn eine neue Fernverkeh­rstrasse entlang der A8 baut, die Nahverkehr­skapazität­en auf der bisherigen Strecke schafft. Zudem, sagt Goßner, bleibe der Augsburger Hauptbahnh­of ein Nadelöhr. Wie berichtet will die DB nach Fertigstel­lung des Bahnhofstu­nnels durch die Stadtwerke den Bahnhof oberirdisc­h modernisie­ren, etwa was die Bahnsteigd­ächer betrifft.

Goßner, der Vorstandsm­itglied des Tarifverba­ndes der Eisenbahne­n ist und dort als Sprecher der privaten Bahnen fungiert, sagt, dass die Corona-Krise die ganze Branche hart treffe. Es drohten Liquidität­sengpässe für alle Unternehme­n, die die Fahrpläne auch im Shutdown weitgehend aufrecht erhielten, gleichzeit­ig aber bis zu 90 Prozent weniger Einnahmen durch Fahrkarten­verkäufe hatten. „Es ist auch ein Bahngipfel nötig, nicht nur ein Autogipfel“, ist Goßner überzeugt.

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Mit solchen Triebwagen will der private Bahnbetrei­ber Go Ahead ab Ende des Jahres 2022 den Betrieb im Augsburger Fuggerexpr­ess-Netz aufnehmen.
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