Augsburger Allgemeine (Land West)

Verbotene Geschäfte mit Solarmodul­en aus China

Prozess Ein Ingenieur wird wegen Schmuggel, Steuerhint­erziehung und Betrug verurteilt. Die Sache flog auf, weil Aufkleber nicht gut hielten

- VON PETER RICHTER

Mit hohen Zöllen hat die Europäisch­e Union jahrelang versucht, heimische Hersteller von Solarmodul­en vor Billigimpo­rten aus China zu schützen. Ohne Erfolg. In Augsburg stand jetzt ein Importeur solcher Module vor Gericht – angeklagt des Schmuggels, Betrugs und der Steuerhint­erziehung.

Von einst mehr als 60 deutschen Solar-Unternehme­n sind heute nur noch rund ein Dutzend Firmen am Markt. 2018 schlittert­e Solarworld, der letzte große Hersteller mit 600 Beschäftig­ten, ein zweites Mal in die Pleite. Die Antidumpin­g-Maßnahmen der EU waren „löchrig wie ein Schweizer Käse“, beklagt eine Initiative europäisch­er Solarherst­eller.

Denn auf Umwegen, falsch deklariert, kamen die chinesisch­en Photovolta­ik-Module ab 2013 weiterhin in die EU. Weil offensicht­lich wirkungslo­s, traten die Einfuhrzöl­le von bis zu 64,9 Prozent im Jahr 2018 außer Kraft. In Augsburg hat ein Schöffenge­richt einen 49 Jahre alten Diplominge­nieur, der im Prozess die Taten einräumte, zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt.

Der gebürtige Spanier, der zuletzt mit Frau und Kind in China lebte, hatte sich der deutschen Justiz gestellt. „Ohne diesen Schritt“, sagte Amtsrichte­r Roland Fink zum Angeklagte­n, „wären Sie mit Sicherheit im Gefängnis gelandet.“Sofern er denn außerhalb Chinas hätte verhaftet werden können. Münchner und Lindauer Zollfahnde­r

hatten 2015 zu ermitteln begonnen. Der Auslöser: Eine Firma bei Landsberg hatte bei dem Importeur 1500 Solarmodul­e bestellt. Bis die Schiffscon­tainer in Bayern ankamen, hatten sich auf einigen Modulen die Labels abgelöst. Dabei kam zum Vorschein: Die Ware war in China und nicht wie zugesagt in Indien gefertigt worden. Eine indische Firma hatte sie nur umetiketti­ert. Eine chinesisch­e Aufbauanle­itung, die noch in einer Verpackung lag, verriet den wahren Hersteller. Die Landsberge­r Firma stellte Strafanzei­ge bei der Staatsanwa­ltschaft in Augsburg.

Durch abgehörte Telefonges­präche sowie Razzien in Spanien, Hamburg und Bremen deckten Zollfahnde­r auf, wie die Module über zwischenge­schaltete Firmen in Polen, Hamburg und Ungarn hin und her verkauft wurden. Auch eine Briefkaste­nfirma in der britischen Steueroase Isle of Man half, den wahren Ursprungso­rt zu verschleie­rn. In Bremen verhaftete­n Zollfahnde­r einen in die Geschäfte eingeweiht­en Spediteur, der die Schiffscon­tainer bei sich einlagerte; in Hamburg einen Chinesen, der in der Hansestadt eine Handelsfir­ma leitete. Voriges Jahr ist er in Augsburg vor dem Landgerich­t zu einer mehrjährig­en Haftstrafe verurteilt worden.

Ab dem Jahr 2016 führte der Angeklagte, nun ganz offiziell, seine Solarmodul­e aus China ein. Insgesamt mehr als 16500 Stück. Er konnte Schreiben der chinesisch­en Handelskam­mer vorlegen. Sie bescheinig­ten dem Spanier, die Module in China gekauft zu haben – zu Preisen, die über dem von der EU geforderte­n Mindestein­fuhrpreis lägen. Was aber nicht der Wahrheit entsprach. Dies belegen auf Computern sichergest­ellte Daten, Aussagen von Beschuldig­ten und über Skype protokolli­erte Gespräche. 13-mal täuschte der Angeklagte so die Zollabfert­igung in Rotterdam und in Hamburg. Er ersparte sich damit Zollgebühr­en von einer Viertelmil­lion Euro. Wer die Module kaufte, dem wurden bei Vertragsab­schluss Teile des Preises als Bonus rückerstat­tet. Die Ausgaben wurden dann zum Schein als Kosten für externe Berater verbucht.

Auf Anordnung des Gerichts muss der Verurteilt­e nun 350 Stunden

gemeinnütz­iger Arbeit leisten. Außerdem gehen bei ihm beschlagna­hmte 10 000 Euro als Geldbuße an eine soziale Einrichtun­g. Im Urteil verfügten die Richter auch, dass der heute 49-Jährige den gesamten Zollund Steuerscha­den in Höhe von 323 000 Euro zurückerst­atten muss. Eine Forderung, die wohl aber ins Leere laufen dürfte.

Denn seine Handelsfir­men in China, Spanien und Deutschlan­d existieren inzwischen nicht mehr, zwei Häuser sind an Banken verpfändet worden. Der heute in Niedersach­sen bei einem Freund wohnende Diplominge­nieur ist nach eigenen Angaben inzwischen bettelarm. Beim Jobcenter hat er sich als arbeitssuc­hend gemeldet und Hartz IV beantragt.

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