Augsburger Allgemeine (Land West)
Retter missbraucht Frau im Rettungswagen
Justiz Ein 60-Jähriger vergewaltigt eine junge Frau in Augsburg und filmt das Geschehen. Die Kripo stößt auf weitere Verbrechen des hauptamtlichen Rettungsassistenten. Vor Gericht holen ihn auch alte Taten wieder ein
Die Frau lag auf der Krankenliege des Rettungswagens, fixiert mit einem Gurt. Sie war regungslos, hatte wohl zu viel Alkohol getrunken. Der Mann, der sich über sie beugte, sollte ihr helfen, das war sein hauptberuflicher Job als Rettungsassistent beim Roten Kreuz. Doch das tat er nicht. Eine Kamera, die der Mann vermutlich an seiner Jacke angebracht hatte, zeichnete alles auf.
Die Kamera filmte, wie der heute 60-Jährige das Kleid der Frau nach oben schob und sie sexuell missbrauchte. „Hallo, Augen auf“, hatte er vorher noch zu der Frau gesagt, wohl um sicherzugehen, dass sie nicht reagierte. Es war ein Fall aus dem Jahr 2015 im Raum München. Ein Verbrechen, das möglicherweise nie ans Tageslicht gekommen wäre, hätte Peter L. (Name geändert) im Laufe der Jahre nicht weitere Sexualstraftaten begangen und sie gefilmt. Nun ist der Mann vor dem Landgericht zu einer Haftstrafe von sieben Jahren und zehn Monaten
Einem Opfer hat er wohl K.-o.-Tropfen verabreicht
verurteilt worden, wegen mehrerer Vergewaltigungen, wegen sexuellen Missbrauchs, wegen der Verletzung „des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen“, wie es juristisch heißt.
Ins Rollen gebracht hatte die umfangreichen Ermittlungen gegen den Mann eine junge Frau aus Augsburg. Die 21-Jährige kannte den Rettungsassistenten seit Langem, er war mit ihren Eltern seit Jahrzehnten befreundet und für sie „eine Art Onkel“gewesen, wie es in der Urteilsbegründung hieß. Die junge Frau hatte Geldsorgen gehabt, Peter L. hatte ihr angeboten, Aktfotos von ihr zu machen und sie dafür zu bezahlen. Sie willigte irgendwann ein. Im Juni vergangenen Jahres trafen sich die beiden in ihrer Wohnung in Augsburg, sie tranken etwas Alkohol. Zu einem Fotoshooting kam es nicht, denn die junge Frau war urplötzlich völlig fertig.
Die Richter waren sich nach der Verhandlung und der Vernehmung eines Gutachters sicher, dass dieser Zusammenbruch einen speziellen Grund hatte: Peter L. hatte der Frau wohl K.-o.-Tropfen verabreicht.
Der ausgebildete Rettungsassistent rief nicht den Krankenwagen, als er den Zustand der jungen Frau sah, sondern legte sie aufs Bett, zog sie aus und vergewaltigte sie. All das filmte er; das Geschehen dauerte etwa eine Stunde. Als die 21-Jährige wieder halbwegs das Bewusstsein erlangte und sich wehrte, ging er weg. Die Frau aus Augsburg rief umgehend die Polizei, die den Mann festnahm und die Kamera mit den Aufzeichnungen sicherstellte. Peter L. kam am nächsten Tag in Untersuchungshaft.
Bei einer Wohnungsdurchsuchung stießen die Beamten dann auf weitere Videoaufzeichnungen, nicht nur jene von dem sexuellen Missbrauch im Rettungswagen. Peter L. hatte bereits im Jahr 2014 heimlich Kolleginnen seines Rotes-Kreuz
aus dem Münchner Raum in der Umkleide gefilmt Er hatte unter anderem auch in seinem Badezimmer heimlich eine Kamera installiert und filmte Freundinnen seiner minderjährigen Tochter, die das Bad aufsuchten. Auch rollten die Ermittler einen alten Fall wieder auf. Bereits Ende der 2000er-Jahre hatte eine damals minderjährige Bekannte des Rettungsassistenten aus dem Landkreis München gegenüber den örtlichen Behörden angegeben, sie sei von Peter L. vergewaltigt worden.
Damals sah sich das Mädchen offenbar psychisch nicht in der Lage, ein langwieriges Ermittlungsverfahren und einen Strafprozess durchzustehen. Die Ermittlungen wurden schließlich eingestellt – und im vergangenen Jahr im Zuge der neuen
Erkenntnisse wieder aufgenommen. Die heute 29 Jahre alte Frau schilderte dieses Mal der Augsburger Kripo, was vorgefallen war. Dass Peter L. sie zweimal vergewaltigt hatte. Im Gerichtssaal selbst musste sie nicht aussagen, da Peter L. alle Vorwürfe gegen ihn eingeräumt und lediglich die Verabreichung von K.-o.-Tropfen im Falle der Frau aus Augsburg bestritten hatte.
Dieses Geständnis war der Hauptgrund, warum das Urteil gegen den 60-Jährigen nicht noch höher ausfiel. Ein weiterer war, dass Peter L. im Zuge eines Täter-Opfer-Ausgleichs insgesamt 35000 Euro an die Vergewaltigungsopfer gezahlt hatte. Staatsanwältin Birgit Milzarek-Sachau hatte im Plädoyer neun Jahre Haft gefordert, Verteidiger Moritz Bode fünf. Richter LenKreisverbandes art Hoesch sagte, der Angeklagte sei „über Jahrzehnte hinweg sexuell übergriffig“gewesen, auch verbal, in seinem Umfeld seien ihm aber keine Grenzen gesetzt worden, auch nicht auf seiner Arbeitsstelle. Während des Urteilsspruchs schaute der Angeklagte strikt nach unten vor sich auf den Tisch und hob nicht einmal den Kopf. Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht, Rechtsanwalt Bode sagt, er erwäge die Möglichkeit, das Rechtsmittel der Revision einzulegen.
Die Augsburger Rechtsanwältin Isabel Kratzer-Ceylan, die im Prozess die junge Frau aus Augsburg vertrat, sagt, sie sei zufrieden mit dem Strafmaß und der Urteilsbegründung. Für ihre Mandantin sei es ein wichtiger Punkt, um alles zu verarbeiten.