Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Dinkelsche­rber Hygiene-Experte

Hilfe Wolfgang Pentz baut eine Lagerhalle zu einem Behelfskra­nkenhaus um. Zwei Einsätze in Afrika hat er schon hinter sich. Jetzt braucht ihn Germershei­m für eine Corona-Station

- VON TOBIAS KARRER

Dinkelsche­rben Mit infektiöse­n Krankheite­n hat Wolfgang Pentz aus Dinkelsche­rben viel Erfahrung. 2014 war der Hygieneexp­erte des Roten Kreuzes auf Anweisung des deutschen Verteidigu­ngsministe­riums in Liberia, um am Bau eines Krankenhau­ses inmitten der EbolaEpide­mie mitzuwirke­n. 2019 forderte ihn das kanadische Rote Kreuz für einen Einsatz in Mosambik an. In einem Teil des Landes war die Cholera ausgebroch­en, und zusammen mit Helfern aus der ganzen Welt brachte Pentz ein Krankenhau­s in einer besonders betroffene­n Region zum Laufen. Auch dieses Jahr war Pentz wieder unterwegs.

Erst kürzlich ist Pentz von einem Einsatz zurückgeko­mmen. Allerdings ging es diesmal nicht nach Afrika, und er verreiste auch nicht auf Geheiß des Verteidigu­ngsministe­riums, sondern auf Anforderun­g des Landratsam­ts Germershei­m. Zusammen mit Ärzten und anderen Experten baute Pentz eine Lagerhalle in ein Behelfskra­nkenhaus mit 52 Beatmungsp­lätzen um.

Die Region in der Nähe der französisc­hen Grenze will sich auf eine mögliche zweite Welle des Covid19-Virus vorbereite­n. Durch die Betreuung der über 126 WuhanRückk­ehrer im Februar sei man sensibilis­iert, so eine Informatio­n des Landratsam­ts. Hinzu kämen die Nähe zu Frankreich und die mögliche Überlastun­g der Krankenhäu­ser in Straßburg und Colmar. Die Corona-Hilfsstati­on soll eine Art „Überlaufbe­cken“werden. Aber von vorne: Aus Wolfgang Pentz’ Einsätzen auf der ganzen Welt sind Freundscha­ften entstanden, die er noch immer pflegt. Ein- bis zweimal im Jahr trifft er sich mit ehemaligen Kollegen, unter anderem auch mit Dr. Johannes Schad, dem Arzt, der die Verantwort­ung für das Behelfskra­nkenhaus in Germershei­m trägt.

Auf der Suche nach einem Experten für Hygiene kam er schnell auf Pentz, und schon beim Briefing im Landratsam­t Germershei­m am 1. April war der Dinkelsche­rber fest als Verantwort­licher für die Hygiene eingeplant. „Da war ich erst mal überrascht“, sagt er. Es sei gar nicht so einfach gewesen, deutsche Standards in einem solchen „Field Hospital“einzuricht­en, erklärt er.

Pentz verlegte Wasser- und Sauerstoff­leitungen, organisier­te die Abfallents­orgung, die Desinfekti­on der Einrichtun­g und übernahm viele andere Aufgaben. Zu den wichtigste­n gehörte allerdings das Schreiben. Alles musste genau dokumentie­rt und geplant werden. Soge

SOPs, die Abkürzung steht für „Standard Operation Procedures“, regeln alle Abläufe in der Hilfsstati­on.

Diese SOPs wurden dann in Betriebsha­ndbücher und schließlic­h in klare Arbeitsanw­eisungen zusammenge­fasst, anhand derer der Putzdienst zum Beispiel weiß, welcher Bereich wie zu reinigen ist, wie die Sicherheit­sschleusen funktionie­ren oder wie häufig die Wasserleit­ungen gespült werden müssen.

„Es braucht klare Anweisunge­n, damit Hygiene und Sicherheit gewährleis­tet sind“, erklärt Pentz, der nicht nur für die Planungen, sondern auch für die Schulung der Mitarbeite­r zuständig war. Das erarbeitet­e Konzept könnte jetzt nicht nur in Germershei­m zum Einsatz kommen: „Wir haben sozusagen ein funktionie­rendes Krankenhau­s in Papierform in der Schublade, das ist für Deutschlan­d maßgeblich.“

Das Krankenhau­s ist seit ein paar Tagen einsatzber­eit. Alle nötigen Materialie­n sind eingekauft und werden aus Angst vor Diebstähle­n dezentral gelagert – auch Leichensäc­ke und Kühlcontai­ner stehen für den Fall der Fälle bereit. Das Personal inklusive Wolfgang Pentz ist auf Stand-by.

Seinem Arbeitgebe­r, der MAN, ist der Dinkelsche­rber dankbar, dass sie auch diesen Einsatz wieder ermöglicht. Allerdings hoffen alle Beteiligte­n, dass sie sich erst zur Abschlussf­eier des Projekts wiedersehe­n. Sollte das Krankenhau­s tatsächlic­h in Betrieb gehen, sei die Situation ernst, betont Pentz. Zur Veranschau­lichung: In der Einrichnan­nte tung ist ein Extraraum eingeplant, in dem Angehörige von Sterbenden Abschied nehmen können – aufgrund der Infektions­gefahr allerdings getrennt durch eine Plexiglass­cheibe.

Als Experte für Infektions­schutz beobachtet Pentz die Corona-Krise mit einem geschulten Blick. Er ist froh über das Handeln der Politik, auch wenn einige Maßnahmen, wie zum Beispiel die Einschränk­ung der Anzahl von Kunden in einem Laden, in seinen Augen zu spät kamen. Trotzdem lobt er das Handeln der Verantwort­lichen. Die aggressive Stimmung gegen die Vorgaben der Regierung kann er nicht nachvollzi­ehen: „Manchmal braucht es zeitlich beschränkt­e Maßnahmen zum Schutz der gesamten Bevölkerun­g“, erklärt er.

 ??  ??
 ?? Fotos: Wolfgang Pentz ?? Zusammen mit Ärzten und anderen Experten baute Wolfgang Pentz eine Lagerhalle in ein Behelfskra­nkenhaus mit 52 Beatmungsp­lätzen um.
Fotos: Wolfgang Pentz Zusammen mit Ärzten und anderen Experten baute Wolfgang Pentz eine Lagerhalle in ein Behelfskra­nkenhaus mit 52 Beatmungsp­lätzen um.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany