Augsburger Allgemeine (Land West)
„Zeitfenster zur Selbstfindung“
LESER SCHREIBEN FÜR LESER
Direkte Auswirkungen der Corona-Pandemie spürten wir in unserer Familie bereits Mitte März, als die ersten Termine der Kleinkunstbühne Lauterbach wegbrachen, in der wir seit über 35 Jahren ehrenamtlich tätig sind. Bei weitem größer war der Schock aber, als wir unsere Enkel Lina, 4, und Malte, 6, nicht mehr besuchen durften, und sie deshalb nicht mehr ihre „Traumnächte“bei Oma und Opa erleben konnten. Fotos und kurze Videos dienten als Ersatz, damit wir uns gegenseitig nicht vergessen.
Wir fühlten uns ganz schön alleingelassen. Doch ohne Kleinkunst und Enkel-Bespaßung haben sich neue Zeitfenster geöffnet, zum Beispiel für die Bücherregale, in denen die Ordnung an manchen Stellen verloren ging. Zeitfenster öffneten sich auch für Hilfsdienste bei der Gartenarbeit unter Anweisung meiner Frau Rosi. Da wir in Lauterbach ganz nah am Wald wohnen, nützen wir auch die Zeit für Walderkundungen, mal zu Fuß, mal mit dem Rad, und ergründen dabei „das Leben der Bäume“nach dem Bestseller von Peter Wohlleben.
Meine verblassten Lateinkenntnisse identifizieren „Corona“als „Krone“, die dieser Tage nicht dem Virus gebührt, sondern den Schwestern, Pflegern und Ärzten in den Heimen und Krankenhäusern. Sie haben unseren Dank, unsere Wertschätzung und eine bessere finanzielle Entlohnung verdient.
Helmut Sauter, 77, Lauterbach