Augsburger Allgemeine (Land West)

Die „Schtrossab­o“ist eine Tröpfchens­chleuder

Wenn mit viel Spucke gesprochen wird, ist das in Corona-Zeiten ungesund. Ist das Schwäbisch­e also gefährlich? Sprachwiss­enschaftle­r Werner König weiß, warum man sich manche Kompliment­e jetzt besser verkneifen sollte

- VON GERLINDE KNOLLER

Woran erkennt man einen Deutschen, wenn er Englisch spricht? Oft daran, dass er den „Th“-Laut, wie er etwa in „mother“oder „thing“vorkommt, nicht ganz korrekt ausspreche­n kann und sich mit einem „S“behilft. Das könnte jetzt ein Vorteil sein. Denn das englische „Th“entlarvt sich nun als gefährlich­er „Reibelaut“. Zwischen den Zähnen gebildet und hinausgezi­scht, wird er zur „Tröpfchens­chleuder“, die gerade nicht sehr angesagt ist.

Also beruhigt zurücklehn­en, weil wir das „Th“nicht haben? Hoppla! Beim praktische­n Ausprobier­en von hiesigen Mundarten – dem Bairischen und dem Schwäbisch­en – taucht da plötzlich das Wörtchen „Woisch“auf, und die „Schtrossab­o“im schönsten Augschburg­isch. Ist ja genauso schlimm wie das englische „thundersto­rm“(Gewitterst­urm)!“Wie ist denn das Bairische und Schwäbisch­e? Nachfrage bei einem, der es wissen muss: bei Prof. Werner König, jahrzehnte­lang Sprachwiss­enschaftle­r an der Universitä­t Augsburg und Herausgebe­r des 16-bändigen Sprachatla­sses von Bayerisch-Schwaben.

Er lacht erst einmal bei der Anfrage, lässt sich aber sogleich davon anstecken, hier genauer hinzuschau­en. Seine erste Feststellu­ng: „Ungesund wird es, wenn mit viel Spucke gesprochen wird.“Und wenn diese weit fliegt – und womöglich auf einen anderen trifft. Kaum Spucke gebe es, wenn wir Vokale sprechen a-e-i-o-u – deutsche Wörter sind voll davon. „Da wird im Grunde nur auf verschiede­ne Weise ausgeatmet“, sagt König, „Tröpfla gibt’s hier weniger.“

Die Niederbaye­rn sprechen sogar oft dort noch Vokale, wo eigentlich keine sind – haben also noch mehr von diesen „gesunden“Lauten. Das „L“wird etwa zum „i“– aus dem hochdeutsc­hen „Geld“wird „Geid“. „Sehr gesund!“, meint König verschmitz­t. Wobei – die Konsonante­n „L“, „M“oder „N“, die im Hochdeutsc­hen wie im Bairischen ähnlich häufig vorkommen, seien, wenn sie ausgesproc­hen werden, auch „relativ ungefährli­ch“. Beim „M“bleibe ja schließlic­h der Mund zu.

Unter den Konsonante­n macht der Sprachwiss­enschaftle­r auch eine „recht gefährlich­e Gruppe“aus. Ihr Name sagt es: Es sind die „Explosivla­ute“wie „P“, „T“und „K“. Man hört es geradezu, wie die Tröpfchen explosions­artig den Mund verlasgesu­nd sen, wie bei „Post“, „Tag“oder „Kiste“. Etwas zurückhalt­ender sind unter den Konsonante­n die weichen Explosivla­ute“wie „B“, „D“und „G“. In den Mundarten der Region werden diese Konsonante­n im Norden genauso wie ihre harten Gegenstück­e (P,T,K) sehr weich ausgesproc­hen, also weniger Tröpfchen intensiv. Da wird etwa aus dem „Vater“der „Vader“, aus dem „Tag“der „Dag“, aus der

„Post“die „Bost“. Und wenn dieses „B“wie bei der „Bost“auch noch am Wortanfang steht und wie in der Schriftspr­ache hart ausgesproc­hen und „behaucht“wird, dann werden sich wieder einige Tröpfchen mehr eingeladen fühlen, sich nach draußen zu bewegen. „Die Franken übrigens“, weist König darauf hin, dürften mit ihren „durchweg ganz weichen Lauten“in Bayern am gesündeste­n sprechen.

Richtung Süden aber, etwa am Lechrain, haben sich Laute erhalten, die sehr kehlig gesprochen werden: Es ist das „Kch“, das man auch aus dem Tirolerisc­hen kennt – wenn vom „Akcher“gesprochen wird, sollte das Gegenüber besser einen Schritt zurücktret­en. Empfehlen könnte sich das auch bei den vielen schwäbisch­en „Sch“. Na ja, nicht nur die Schwaben hätten dieses „Sch“, sucht Werner König deren Ehre zu retten, auch das Bairische sei vor allem in seinen westlichen Teilen mit spritzende­n „Sch“reich gesegnet. Das Kompliment „fesch“, sollte man sich in diesen Zeiten also lieber verkneifen. Am besten, man bleibt beim „Mmmmm!“Da ist alles gesagt. Völlig gesund!

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Foto: dpa Wenn mit viel Spucke gesprochen wird, kann es in Corona-Zeiten ungesund werden. Manche Sprachen und Dialekte sind davon mehr betroffen.
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