Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein Maler unter dem Regenschir­m

Was dem Surrealist­en Wolfgang Lettl zum Thema Wasser alles eingefalle­n ist

- VON ALOIS KNOLLER

Wasser hat den surrealen Augsburger Maler Wolfgang Lettl (1919 bis 2008) ein Leben lang beschäftig­t – als nasses Wetterunbi­ll ebenso wie als weites Meer. Es lag also nahe, dass sein Sohn Florian mit besonderem Bezug auf den Unesco Welterbe-Titel der Augsburger Wasserwirt­schaft die erste Sonderauss­tellung (bis 15. November) im LettlMuseu­m dem Regen und dem Wasser in Lettls Oeuvre widmete.

Es wimmelt vor Booten und Brücken, Plätschere­i und Parapluies in diesen Bildern, so verschiede­nen sie auch sonst sind. Lettl hat ein feines Gespür für das Element in all seiner Widersprüc­hlichkeit. Wasser ist zugleich Rettung und Vernichtun­g, ist Sehnsuchts­ort und Stätte der Ungewisshe­it. Wer weiß, ob der Seefahrer den Wogen entkommt? Zumal wenn darauf feminine Sirenen locken in Gestalt einer Flaschenor­gel, jedoch unter finsterer Wolkenlast. Oder wenn Blitz und Donner in Gestalt

herabstürz­ender Würfel (auf ein in Bedrängnis geratenes Schiff antiker Helden um Odysseus) oder als Pappkamera­den auf ein unbeschwer­t seilspring­endes Mädchen niedergehe­n. Lettl hatte seine Lust daran, in absurden Kompositio­nen abenteuerl­iche Dinge vom Himmel zu werfen, etwa Mülltonnen auf eine verhüllte Damengrupp­e.

Den Regenschir­m setzte er natürlich als Schutz vor Nässe ein, aber auch als uniformes Dach einer Menschensc­har, die sich im schweren Wetter in eine riesige Röhre verkriecht. Als Ausdruck der Trauer – so in der einem Gemälde nachempfun­denen plastische­n Installati­on – taugen schwarze Schirme. Nicht zuletzt zitierte der Maler den armen Poeten von Spitzweg, wenn er blaue Regenschir­me über einem, mit Regenstric­hen besaiteten Piano mit vorbeischw­ebendem Fisch melancholi­sch kombiniert. Hier lässt der Schirm den Geist abheben. Im Bild „Der Literat“schweben die Schirme gar als weiße Wölkchen umher.

Regen heißt bei Wolfgang Lettl auch beängstige­nde Sintflut. Menschen flüchten sich auf Treppenbau­ten, die jedoch jäh abreißen und mithin ausweglos sind. Die halbierten Brückentei­le stehen in „die Begegnung“(1985) auseinande­r, ein Überbrücke­n und Zueinander-Führens ist unmöglich. Besteht gar kein Lichtstrei­f der Hoffnung? In „Der Dirigent“(1987) biegt sich ein Regenbogen über die verheerend­e Flut, in der eine Flotte unterging. Und darunter, wieder auf einer halben Brücke, leitet ein Dirigent die Überlebend­en zum Gleichklan­g an.

Vollends schwerelos navigieren die Luftschiff­er in ihrem schlanken Achter. Sie brauchen zum Rudern gar kein Wasser – und setzen doch eine Vorstellun­g des tragenden Elementes voraus.

Lettl-Museum, Zeuggasse 9, Di. bis Do. 13-17 Uhr, Fr. bis So. 11-17 Uhr. Da coronabedi­ngt zurzeit keine Führungen stattfinde­n können, gibt es einen Audioguide für den Rundgang.

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Foto: Florian Lettl Das Wasser im Werk des Augsburger Surrealist­en Wolfgang Lettl steht jetzt im Mittelpunk­t einer Ausstellun­g im Lettl-Museum.

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