Augsburger Allgemeine (Land West)

Verschwind­et am Gleis diese Überdachun­g?

Die Bahn will Bahnsteige in Neusäß und Westheim verändern. Das Dach soll verschwind­en, von Barrierefr­eiheit keine Spur. Die Mitglieder des Bau- und Umweltauss­chusses sind nicht nur von dieser Idee nicht überzeugt

- VON JANA TALLEVI

Neusäß Er ist eines der markantest­en Punkte im Neusässer Stadtteil Westheim: Wer mit dem Zug anreist, erlebt die typische Dachkonstr­uktion über den Gleisen hautnah. In dunklem Holz ragt sie über die Bahnsteige, fast fühlt man sich wie in eine Geschichte von Ludwig Thoma versetzt. Das Dach sollte wohl einmal Kobelwallf­ahrer vor Regen und Hitze schützen und tut das auch heute noch mit Schülern und Pendlern. Nun könnte das Dach fast völlig verschwind­en, plant die Bahn. Die Mitglieder des Planungs- und Umweltauss­chusses in Neusäß sind enttäuscht – nicht nur deswegen.

Das Grundprobl­em ist bekannt: Die Bahnsteige entlang der Strecke Augsburg - Ulm entspreche­n nicht alle jenem Standard, der für die Einstiegsh­öhen von Zügen und Triebwagen der neueren Generation geeignet sind. Teilweise sind steile Höhenunter­schiede zu überwinden, bevor man in den Zug steigen kann. Das will die Bahn ändern und die Bahnsteige anpassen.

Stadtbaume­ister Dietmar Krenz berichtete jetzt im Ausschuss über die Vorhaben der Deutschen Bahn. So sollen die Bahnsteige am Haltepunkt Neusäß eine neue Beleuchtun­g erhalten und um zwölf auf 38 Zentimeter angehoben werden. Das geschieht einfach dadurch, dass eine weitere Deckschich­t aufgebrach­t wird, beschreibt Krenz. Nichts verändert werden soll an der Zugangssit­uation. Seit Jahren versucht die Stadt Neusäß, ihren Bahnhof barrierefr­ei umbauen zu lassen. Der Zugang ist allein über eine steile Treppe möglich. Ähnlich ist die Situation in Westheim. Hier sollen die Bahnsteige auf 76 Zentimeter über Schienenob­erkante angehoben werden.

Dazu soll, so der Plan der Bahn, das Holzdach ab der Unterführu­ng abgebaut werden. Auch hier soll die Zugangssit­uation über die Treppe zu den Gleisen zwei und drei nicht verändert werden. Zusätzlich werden die Bahnsteige in Richtung Diedorf verschoben. Als Wetterschu­tz plant die Bahn, so Krenz, statt des Daches ein kleines Wartehäusc­hen, entspreche­nd der Zahl der Fahrgäste pro Tag. In der folgenden Diskussion kam das ganze Unverständ­nis der Stadträte für das Vorgehen der Bahn zur Sprache. Seit Jahren bemüht sich die Stadt Neusäß um eine städtebaul­iche Sanierung des Ortsteils Westheim. Der Sanierungs­betreuer der Stadt hat betont, dass dazu auch der Erhalt der Dächer über den Bahnsteige­n gehört. Ebenso müsse der barrierefr­eie Zugang zu den Gleisen ein Sanierungs­ziel sein, berichtete Krenz. Zwar ist

Gleis 1 in Westheim zugänglich, ohne dass Stufen oder andere Hinderniss­e überwunden werden müssen – dieses Gleis spielt jedoch im Bahnbetrie­b so gut wie keine Rolle, sagte Bürgermeis­ter Richard Greiner. „Man bekommt den Eindruck, die Bahn tue alles, um die Fahrgastza­hlen zu senken“, so Inge Steinmetz-Maaz von den Freien Wählern. Ähnlich sieht das Zweiter Bürgermeis­ter Wilhelm Kugelmann (CSU): „Wir sollten versuchen, zumindest einen barrierefr­eien Bahnhof in Neusäß zu bekommen.“Bürgermeis­ter Richard Greiner findet den Umgang des Unternehme­ns mit der Stadt im Allgemeine­n bedenklich.

„Das ist doch ein Unding, dass die Bahnsteige angehoben werden, damit eine gute Schritthöh­e für den Einstieg in den Zug erreicht wird, und nichts dafür getan wird, um barrierefr­ei auf die Bahnsteige zu gelangen“, sagte er. „Wir sollen abgespeist werden und die Kardinalpr­obleme werden nicht angepackt.“Was ihn zudem ärgert: Der Vorplatz vor dem Bahnhof, auf dem einmal eine Buswendesc­hleife entstehen soll und wo die Stadt Neusäß gerne weitere Fahrradste­llplätze errichten würde, gehört immer noch nicht der Stadt. Dabei laufen die Verhandlun­gen der Verwaltung mit der Bahn seit Jahren.

Anfang Juni soll es nun zu einem Gesprächst­ermin zwischen Vertretern der Stadt und der Bahn kommen. Die Arbeiten an den Haltepunkt­en sind für 2022 geplant.

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Die Holzbedach­ung am Westheimer Bahnhof soll abgerissen werden. Die Mitglieder des Planungs- und Umweltauss­chusses in Neusäß sind enttäuscht – nicht nur deswegen.
Foto: Marcus Merk Die Holzbedach­ung am Westheimer Bahnhof soll abgerissen werden. Die Mitglieder des Planungs- und Umweltauss­chusses in Neusäß sind enttäuscht – nicht nur deswegen.

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