Augsburger Allgemeine (Land West)
Die Gersthofer Sauberfrau räumt auf
Wie eine Seniorin einen unermüdlichen Kampf gegen Schmutzfinken führt
Gersthofen Eigentlich dürfte dieser Artikel über Hildegard Walter (Name der Redaktion bekannt) gar nicht geschrieben werden. Denn zum einen will die flotte Seniorin ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen, zum anderen weiß selbst ihr Ehemann nichts von ihren heimlichen Aktivitäten.
Schon seit einigen Jahren verlässt sie am frühen Morgen das Haus und sammelt den Abfall, den ihre Mitbürger hinterlassen haben. Ihrem Mann, der zu diesem Zeitpunkt noch schläft, hinterlässt sie einen Zettel auf dem Küchentisch.
Zunächst war die Gersthoferin nur in ihrer Straße aktiv, „weil es einfach schön ist, in einem sauberen und gepflegten Umfeld zu wohnen“. Inzwischen hat sie ihren Radius erweitert. „Weil es mein Ziel ist, dass Gersthofen die sauberste Stadt im Landkreis Augsburg wird und anderen Kommunen als Vorbild dient“, erklärt sie, dass ihr ihre Heimatstadt sehr am Herzen liegt. „Jeder kann dazu beitragen, dass Gersthofen lebenswerter, sauberer und gepflegter wird“, sucht sie Mitstreiter, die sich, wie sie, einmal in der Woche mit Papiertüte und Plastikhandschuhen bewaffnen und gegen Schmutzfinken zu Felde ziehen, die achtlos Bonbonpapier, Kronkorken, Taschentücher, Togo-Becher, Flaschen, Zigarettenschachteln und Kippen hinterlassen.
Vor allem Zigarettenkippen sind ihr ein Dorn im Auge. „Das ist so unappetitlich!“, fordert sie Raucher auf, einen Taschenaschenbecher mitzuführen. „Jede weggeworfene Kippe ist eine Gefahr für unsere Kinder, die sie in den Mund könnten, und bei Regen für das Grundwasser. Gerade wir Gersthofer sollten wissen, wie wichtig sauberes Trinkwasser ist“, spricht sie das jüngste Abkochgebot und die noch immer anhaltende Chlorung an.
Sie unterscheidet dabei nach
„Ritzenschmeißern“und „Kopfsteinpflaster-Werfern“. „Wenn ich für jede Kippe einen Cent bekommen würde, hätte ich bestimmt schon 1000 Euro verdient“, lacht die sportliche Seniorin, die sich nach eigenen Angaben noch gut bücken kann. „Wenn ich jedoch dafür benehmen zahlt werden würde, würde ich es nicht mehr machen.“Ihr genügt ab und zu ein Dank der Bauhofmitarbeiter, „die sich freuen, wenn ich ihnen helfe.“Die Frühaufsteherin, die täglich zwischen einer und eineinhalb Stunden unterwegs ist, hat verschiedene Hotspots ausgemacht.
„Im Hof des Pfarrzentrums Oscar Romero treffen sich überwiegend Jugendliche. Da werden dann Flaschen mutwillig kaputtgemacht. Die Jugend will damit protestieren.“Auch auf dem Platz beim ehemaligen Feuerwehrhaus sehe es schlimm aus. Oft liegen hier zahlreiche leere Kartons vom nahe liegenden Pizzalieferdienst herum. „Es wäre auch möglich, dass Krähen oder Marder hier die Abfalleimer ausräumen“, vermutet sie. Klar ist indes, wo die kleinen Plastiklöffelchen herkommen, die sich gegenüber der Eisdiele häufen. „Ein Großteil landet im Eimer, aber es gibt auch viele schwarze Schafe“, sagt sie und schaut über Unmengen von ausgespuckten Sonnenblumenkernenschalen großzügig hinweg: „Das ist schließlich Natur.“Regelmäßig ist sie in der Donauwörther Straße und an der Haltestelle an der Rathauskreuzung zugange. „Aber nur ganz in der Früh, wenn noch keine Fahrgäste da sind. Ich will nicht, dass man mich beim Bücken beobachtet.“
Schon mehrfach hat sie die Stadt Gersthofen aufgefordert, an jeder Bushaltestelle mehr Abfallbehälter und Aschenbecher zur Verfügung zu stellen. Aber sie hat auch schon zur Selbsthilfe gegriffen. Zum Beispiel auf dem Müllberg („Eine Bereicherung für Gersthofen.“) . Hier hat sie auf eigene Kosten Nichtraucherschilder besorgt und an den Bänken angebracht.
Hildegard Walter hat aber auch positive Zeichen wahrgenommen: „Seit bunte Blumen in den Verkehrsinseln angepflanzt wurden, findet sich hier viel weniger Müll. Und: „Wenn es sauber ist, kommt nichts Neues hinzu.“Die Arbeit der Gersthofer Sauberfrau scheint Früchte zu tragen.