Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Gersthofer Sauberfrau räumt auf

Wie eine Seniorin einen unermüdlic­hen Kampf gegen Schmutzfin­ken führt

- VON OLIVER REISER

Gersthofen Eigentlich dürfte dieser Artikel über Hildegard Walter (Name der Redaktion bekannt) gar nicht geschriebe­n werden. Denn zum einen will die flotte Seniorin ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen, zum anderen weiß selbst ihr Ehemann nichts von ihren heimlichen Aktivitäte­n.

Schon seit einigen Jahren verlässt sie am frühen Morgen das Haus und sammelt den Abfall, den ihre Mitbürger hinterlass­en haben. Ihrem Mann, der zu diesem Zeitpunkt noch schläft, hinterläss­t sie einen Zettel auf dem Küchentisc­h.

Zunächst war die Gersthofer­in nur in ihrer Straße aktiv, „weil es einfach schön ist, in einem sauberen und gepflegten Umfeld zu wohnen“. Inzwischen hat sie ihren Radius erweitert. „Weil es mein Ziel ist, dass Gersthofen die sauberste Stadt im Landkreis Augsburg wird und anderen Kommunen als Vorbild dient“, erklärt sie, dass ihr ihre Heimatstad­t sehr am Herzen liegt. „Jeder kann dazu beitragen, dass Gersthofen lebenswert­er, sauberer und gepflegter wird“, sucht sie Mitstreite­r, die sich, wie sie, einmal in der Woche mit Papiertüte und Plastikhan­dschuhen bewaffnen und gegen Schmutzfin­ken zu Felde ziehen, die achtlos Bonbonpapi­er, Kronkorken, Taschentüc­her, Togo-Becher, Flaschen, Zigaretten­schachteln und Kippen hinterlass­en.

Vor allem Zigaretten­kippen sind ihr ein Dorn im Auge. „Das ist so unappetitl­ich!“, fordert sie Raucher auf, einen Taschenasc­henbecher mitzuführe­n. „Jede weggeworfe­ne Kippe ist eine Gefahr für unsere Kinder, die sie in den Mund könnten, und bei Regen für das Grundwasse­r. Gerade wir Gersthofer sollten wissen, wie wichtig sauberes Trinkwasse­r ist“, spricht sie das jüngste Abkochgebo­t und die noch immer anhaltende Chlorung an.

Sie unterschei­det dabei nach

„Ritzenschm­eißern“und „Kopfsteinp­flaster-Werfern“. „Wenn ich für jede Kippe einen Cent bekommen würde, hätte ich bestimmt schon 1000 Euro verdient“, lacht die sportliche Seniorin, die sich nach eigenen Angaben noch gut bücken kann. „Wenn ich jedoch dafür benehmen zahlt werden würde, würde ich es nicht mehr machen.“Ihr genügt ab und zu ein Dank der Bauhofmita­rbeiter, „die sich freuen, wenn ich ihnen helfe.“Die Frühaufste­herin, die täglich zwischen einer und eineinhalb Stunden unterwegs ist, hat verschiede­ne Hotspots ausgemacht.

„Im Hof des Pfarrzentr­ums Oscar Romero treffen sich überwiegen­d Jugendlich­e. Da werden dann Flaschen mutwillig kaputtgema­cht. Die Jugend will damit protestier­en.“Auch auf dem Platz beim ehemaligen Feuerwehrh­aus sehe es schlimm aus. Oft liegen hier zahlreiche leere Kartons vom nahe liegenden Pizzaliefe­rdienst herum. „Es wäre auch möglich, dass Krähen oder Marder hier die Abfalleime­r ausräumen“, vermutet sie. Klar ist indes, wo die kleinen Plastiklöf­felchen herkommen, die sich gegenüber der Eisdiele häufen. „Ein Großteil landet im Eimer, aber es gibt auch viele schwarze Schafe“, sagt sie und schaut über Unmengen von ausgespuck­ten Sonnenblum­enkernensc­halen großzügig hinweg: „Das ist schließlic­h Natur.“Regelmäßig ist sie in der Donauwörth­er Straße und an der Haltestell­e an der Rathauskre­uzung zugange. „Aber nur ganz in der Früh, wenn noch keine Fahrgäste da sind. Ich will nicht, dass man mich beim Bücken beobachtet.“

Schon mehrfach hat sie die Stadt Gersthofen aufgeforde­rt, an jeder Bushaltest­elle mehr Abfallbehä­lter und Aschenbech­er zur Verfügung zu stellen. Aber sie hat auch schon zur Selbsthilf­e gegriffen. Zum Beispiel auf dem Müllberg („Eine Bereicheru­ng für Gersthofen.“) . Hier hat sie auf eigene Kosten Nichtrauch­erschilder besorgt und an den Bänken angebracht.

Hildegard Walter hat aber auch positive Zeichen wahrgenomm­en: „Seit bunte Blumen in den Verkehrsin­seln angepflanz­t wurden, findet sich hier viel weniger Müll. Und: „Wenn es sauber ist, kommt nichts Neues hinzu.“Die Arbeit der Gersthofer Sauberfrau scheint Früchte zu tragen.

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Foto: Marcus Merk Eine reiche Auswahl an achtlos weggeworfe­nen Zigaretten­stummeln und weiterer Abfall landet regelmäßig im Beutel einer Gersthofer Seniorin, die regelmäßig Müll sammelt.

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