Augsburger Allgemeine (Land West)

Nahm man es in der „Alten Scheune“zu locker?

Pandemie In dem ostfriesis­chen Restaurant sollen sich Gäste mit dem Coronaviru­s angesteckt haben. Während der Landrat ein hartes Urteil fällt, sieht sich der Betreiber als Sündenbock abgestempe­lt. Er habe doch alle Vorschrift­en eingehalte­n

- VON KATJA MIELCAREK

Leer Ganz Deutschlan­d schaut gerade auf den Landkreis Leer in Ostfriesla­nd: Denn in einem Restaurant in der Gemeinde Moormerlan­d sollen sich am Abend des 15. Mai mindestens 18 Personen mit dem Coronaviru­s angesteckt haben. Eine 80-jährige Frau liegt im Krankenhau­s. Diskutiert wird nun: Wurden die Bestimmung­en nicht eingehalte­n? Reichen womöglich die bisher vorgeschri­ebenen Hygiene- und Abstandsre­gelungen nicht aus, um eine Ansteckung bei einem Restaurant­besuch auszuschli­eßen?

Experten, darunter auch welche des Robert-Koch-Instituts, haben immer wieder darauf hingewiese­n, dass sich das Virus auch in sogenannte­n Aerosolen, die Menschen zum Beispiel beim Reden absondern, verbreiten könne. Und so könnte der Fall in Ostfriesla­nd die gerade erst eingeführt­en Lockerunge­n infrage stellen – bundesweit.

Das Restaurant „Alte Scheune“im 2400-Einwohner-Ort Jheringsfe­hn hatte seine bevorstehe­nde Neueröffnu­ng mit rund 40 geladenen Gästen gefeiert, unter ihnen ein Arzt. Der hatte wenige Tage später bei sich Symptome einer Corona-Infektion festgestel­lt und seinen Verdacht mit einem Test bestätigt. Sechs weitere im Anschluss von ihm getestete Personen waren ebenfalls positiv, drei negativ.

Seitdem ist das Gesundheit­samt des Landkreise­s dabei, alle Kontaktper­sonen der Gäste zu ermitteln. 118 Männer und Frauen wurden bis Sonntagabe­nd in Quarantäne geschickt – getestet werde aber nur, wer auch Symptome zeige, sagte ein Kreissprec­her. Einige Testergebn­isse stünden noch aus. Die genaue Zahl nannte er nicht, sie soll einstellig sein. Landrat Matthias Groote von der SPD hat sich festgelegt: hat sich nicht an die CoronaKont­aktbeschrä­nkungen gehalten.“Und: „Bis jetzt hat es funktionie­rt, wenn man sich an die Regeln hält.“Er geht davon aus, dass es am Abend des 15. Mai in dem Restaurant gleich zu mehreren Verstößen gekommen ist: Zeugen hätten von Umarmungen und Händeschüt­teln berichtet. Eine Person soll sich ohne Mundschutz an verschiede­ne Tische gesetzt haben. Außerdem hätten sich Personen gemeldet, die in der „Alten Scheune“gewesen sein wollen, aber auf keiner der vorgeschri­ebenen Gästeliste­n stehen.

Niedersach­sens SPD-Gesundheit­sministeri­n Carola Reimann spricht von einer „privaten Party“, die in dem Restaurant gefeiert worden sei. Sie sieht deshalb keine Notwendigk­eit, vom Lockerungs­kurs für Gaststätte­n abzurücken. „Wir werden Ansteckung­en auch in Zukunft nicht vollständi­g verhindern können“, sagte sie. Wichtig sei, dass dann aber alle Kontakte konsequent nachverfol­gt würden, um das Infektions­geschehen so weit wie möglich einzugrenz­en.

Von diesem Montag an dürfen Hotels in Niedersach­sen wieder Gäste aufnehmen. Die Auslastung darf maximal 60 Prozent betragen. Für Restaurant­s fällt die 50-Prozent-Regel. Heißt: Sie dürfen sämt„Man liche Plätze besetzen – sofern sie dann noch die bestehende­n Abstandsun­d Hygienereg­eln einhalten können.

Der Betreiber der „Alten Scheune“, der selbst einer der positiv Getesteten ist, sieht sich zu Unrecht zum Sündenbock gestempelt. Er versichert­e, alle Vorschrift­en eingehalte­n zu haben, und das mit Fotos, Videos und Aussagen seiner Gäste belegen zu können. Die Besucher hätten größtentei­ls an Vierertisc­hen in Nischen gesessen, getrennt durch jeweils einen unbesetzte­n Tisch. Er selber habe sich nach dem Essen kurz zu seinen Gästen begeben. Den Mundschutz habe er aber nur abgesetzt, um „insgesamt höchstens zwei Gläser an zwei oder drei Tischen“zu trinken. Er sei nicht an jedem der durch den ganzen Raum verteilten Tische gewesen. Aber: Eine Umarmung habe es tatsächlic­h gegeben. „Ich habe meine Eltern umarmt.“Da seine Gäste sich untereinan­der kennen und regelmäßig miteinande­r umgingen, ist er sich sicher, dass die Infizierte­n sich schon vor dem Eröffnungs­abend angesteckt hätten, sagte er. Ohne die Eigeniniti­ative des Arztes jedenfalls wären die Infektione­n nie bekannt geworden.

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Nach dem Besuch des Restaurant­s „Alte Scheune“im Landkreis Leer wurden mehrere Menschen positiv auf das Coronaviru­s getestet.
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Fotos: Lars-Josef Klemmer, dpa
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