Augsburger Allgemeine (Land West)
Pommes-Bauern auf finanzieller Diät
Interview Welche Folgen Corona für Erzeuger hat, weiß Konrad Hörl. Er ist der neue Leiter des Landwirtschaftsamts in Stadtbergen. Wie sich die Branche in den nächsten Jahren verändern wird und welche Rolle die Digitalisierung spielt
Welche Folgen Corona für Erzeuger hat, weiß Konrad Hörl. Er ist der neue Leiter des Landwirtschaftsamts.
Landkreis Augsburg Seit Mai leitet Konrad Hörl das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Augsburg. Er ist Nachfolger von Wolfgang Sailer, der Ende April nach knapp zehnjähriger Amtszeit in den Ruhestand gegangen ist. Landwirtschaftsdirektor Hörl bleibt gleichzeitig Leiter der Landwirtschaftsschule in Stadtbergen, die sich in über 150 Jahren von einer landwirtschaftlichen Grundbildungseinrichtung zu einer modernen Weiterbildungseinrichtung für landwirtschaftliche Unternehmer entwickelt hat. Welchen Einfluss Corona auf die Bauern hat, ist ein Thema des Interviews mit dem neuen Landwirtschaftsdirektor Hörl.
Viele Unternehmer klagen nach dem Corona-Shutdown über schwere finanzielle Einbußen und haben Existenzängste. Wie sieht die Situation bei landwirtschaftlichen Unternehmern aus, die in Stadtbergen die Schulbank gedrückt haben?
Konrad Hörl: Im Endeffekt haben die meisten landwirtschaftlichen Betriebe ganz normal ihre Arbeit verrichten können. Am ehesten betroffen sind Landwirte durch die Situation am Markt für landwirtschaftliche Produkte.
Ein Beispiel?
Hörl: Betroffen sind zum Beispiel der Fleisch- und auch der Milchmarkt. Das hängt damit zusammen, dass der Absatz durch die Gastronomie und auch Exportmöglichkeiten weggefallen sind. Ein anderes Beispiel sind Pommes – für Kartoffeln gab es auf einmal keinen Absatz mehr. Diese Lücke zog dann wirtschaftliche Einbußen für die Bauern nach sich. Richtige Existenzgefährdungen sind in der Landwirtschaft durch Corona nach derzeitigem Stand aber eher nicht zu befürchten.
Durch Corona rückt wieder das Bewusstsein für Gesundheit in den Vordergrund. Auch gesunde Ernährung gehört dazu. Ist das nicht eine Chance für Landwirte und insbesondere für Direktvermarkter?
Hörl: Ich denke schon. Bei den Direktvermarktern wird vermehrt Kundschaft aufgeschlagen sein – sei es direkt bei den Betrieben oder auf Wochenmärkten. Vielleicht hat der eine oder andere auch seinen Einkauf mit dem neuen Freizeitverhalten – also beim Radeln oder Spaziergehen – kombiniert und beim Direktvermarkter Brot oder Milch gekauft.
Kommen mehr Bauern auf den Geschmack und bieten in Zukunft Direktvermarktung an?
Hörl: Auf die Schnelle sicherlich nicht. Aber es werden sich mehr überlegen, ob sich dieses Standbein für sie lohnen könnte. Die Landwirte überlegen sich generell sehr gut, ob sich etwas nachhaltig lohnt. Keiner will aber ein Strohfeuer mit einer schnellen Umstellung. Schließlich ist damit ja auch ein hohes Risiko mit Investitionen verbunden.
Welche Rolle spielt das Internet? Hörl: Die Direktvermarkter haben in der Regel auch einen Online-Auftritt. Das Einkaufserlebnis auf dem Bauernhof kann das Internet aber nicht ersetzen. Denn wenn man beim Einkaufen vor Ort auch einen Blick in den Stall oder auf das Feld werfen kann, werden viel mehr Sinne angesprochen.
Apropos Digitalisierung: Sie hat die Landwirtschaft längst erfasst. Geht der Strukturwandel in den nächsten Jahren noch weiter?
Hörl: Den Strukturwandel wird es auch weiterhin geben. Aber mit einem ausgesprochenen Strukturbruch ist nicht zu rechnen. Die normale Quote beträgt knapp ein Prozent – so viele Höfe hören jedes Jahr bei uns auf. Dass die Digitalisierung diese Entwicklung stärker befördert, glaube ich nicht.
Wird es eine Landwirtschaft 4.0 geben?
Hörl: Die gibt es bereits, zum Beispiel mit Feldrobotern oder GPSgesteuerten Traktoren, die immer wieder in ihre Fahrspur finden. Was im Augenblick noch fehlt, ist die Anwendungsbreite.
Wie wird die Landwirtschaft in 25 Jahren im Augsburger Land aussehen? Gibt es dann nur noch größere Höfe mit noch größeren Maschinen?
Hörl: Wir werden mit Sicherheit weniger Betriebe haben. Aber die Vielfalt der Betriebstypen mit oder ohne Vieh, im Neben- oder Haupterwerb oder mit Direktvermarktung werden wir heute wie morgen noch haben.
Ist es denkbar, dass das Spektrum noch wächst?
Hörl: Das kann durchaus sein. Wer hätte früher zum Beispiel an die Energieschiene im heutigen Maß gedacht? Es ist nie ausgeschlossen, die Landwirtschaft hat sich schon immer verändert, weil sie eine innovationsfreudige Branche ist.
Der Naturschutz spricht aktuell von einer Hochleistungslandwirtschaft. Sind ihr irgendwann Grenzen gesetzt, und welche Rolle spielt dabei der Klimawandel?
Hörl: Der Klimawandel wird die eine oder andere Anpassung nach sich ziehen. Vor allem die langen Trockenphasen 2018 und 2019 machen den Landwirten an schwächeren Standorten zu schaffen. Sie kommen immer mehr an ihre Grenzen. Ein Lichtblick sind Möglichkeiten zur Bewässerung. Denken Sie an die Gemüsebaubetriebe oder andere Sonderkulturen: Bei vielen ist die künstliche Bewässerung seit Jahren schon gang und gäbe. Aber die Ressource Wasser ist generell knapp.
Wie werden sich die Kulturen verändern?
Hörl: Sie werden sich verändern müssen. Zum Beispiel ist der Weizen auf eine gute Niederschlagsverteilung und bessere Böden angewiesen. Er leidet sehr schnell unter Trockenheit. Der Mais hat als ein anderes Beispiel eine große Anpassungsbandbreite und kommt mit trockenen Phasen gut zurecht. Wir leben zum Glück noch in einer gesegneten Region, was unsere Böden und die Niederschläge angeht. Natürlich merken wir den Klimawandel auch – aber andere Gegenden sind weitaus schlimmer betroffen.