Augsburger Allgemeine (Land West)
Uduokhai: „Von Mitläufern halte ich wenig“
Bundesliga In der Familie des 22-Jährigen wird dieser Tage viel über Rassismus gesprochen. Er selbst vertritt dazu eine klare Meinung. Warum seine Aussagen beim FC Augsburg künftig noch mehr Gewicht bekommen könnten
Fünf Spiele haben die BundesligaFußballer des FC Augsburg vor leeren Rängen bestritten. Auch wenn sich die Beteiligten anpassen, für Felix Uduokhai bleiben die sogenannten Geisterspiele gewöhnungsbedürftig. Der besonderen Situation begegnet er mit Pragmatismus. Was bleibt ihm und seinen Mitstreitern auch anderes übrig, schließlich drängen Klubs und Vereine aus finanziellen Gründen auf eine sportlich zu Ende gespielte Saison. „Wer die Situation besser annimmt, wird am Ende erfolgreich sein“, sagt Uduokhai.
Selbstverständlich wünscht sich der Profi Zuschauer und emotionale Ausbrüche auf den Tribünen zurück – Mitspieler Florian Niederlechner schimpfte vor seinem verschossenen
Elfmeter gegen Köln gar über den fehlenden Lärm –, dennoch findet der Innenverteidiger positive Ansätze. Jedes Wort ist zu verstehen, jedes Kommando hörbar. Vorderleute zu instruieren, ihnen verbal zu helfen, sei bedeutend einfacher, beschreibt Uduokhai.
Zudem ist ihm aufgefallen, wie diszipliniert sich die Spieler auf dem Rasen verhalten, Rudelbildungen und verbale Entgleisungen sind nahezu verschwunden. Aus triftigem Grund, wie Uduokhai einwirft: „Wenn man als Spieler weiß, die Kameras nehmen alles auf und die Stimmen sind zu hören, achtet man natürlich darauf.“
Uduokhai hinterlässt im Gespräch einen aufgeräumten Eindruck, er formuliert ruhig und überlegt. Ähnlich unaufgeregt agiert er auf dem Rasen, strahlt Ruhe aus. Dass die Spieler auf dem Platz in Corona-Zeiten fairer miteinander umgehen, dass Schiedsrichter seltener angegangenen werden, das empfindet er als angenehme Begleiterscheinung. „Ich finde, es ist ein gutes Zeichen“, betont Uduokhai. Er hofft, das respektvolle Miteinander bleibt – auch wenn die Stadien wieder voll sind und tausende Fans die Stimmung aufheizen.
Uduokhai war im Sommer kurz vor dem Ende der Transferphase als Leihspieler vom VfL Wolfsburg zum FC Augsburg gewechselt. Der damalige Trainer Martin Schmidt hatte sich für diesen Transfer starkgemacht, mit Uduokhai hatte der Schweizer bereits während eines Engagements in Wolfsburg zusammengearbeitet. Bislang stand er in 18 von 28 Spielen in der Startelf, fünfmal wurde er eingewechselt. Während er in Wolfsburg kaum
Einsatzzeit erhielt, zählt er in Augsburg zum Stammpersonal. Zufriedengeben will er sich damit nicht. Uduokhai: „Ich möchte Spiel für Spiel konstant meine beste Leistung abrufen. Das ist der nächste Schritt für mich.“
Diesen Schritt möchte der ehemalige U21-Nationalspieler in Augsburg gehen. Nach 1,5 Millionen Euro Leihgebühr investiert der FCA nun sieben Millionen Euro Ablösesumme. Uduokhai bringt auf und abseits des Rasens die Voraussetzungen mit, ein Eckpfeiler im künftigen Mannschaftsgerüst zu werden. Selbst sagt er: „Ich sehe hier meinen Platz und kann in eine gewisse Rolle hineinwachsen.“Mit dem umsichtigen Jeffrey Gouweleeuw und Uduokhai würde der FCA im Abwehrzentrum über gehobenes Bundesliganiveau verfügen.
Geboren ist der 1,92-Meter-Hüne im sächsischen Annaberg-Buchholz. Als seine Eltern nach München umzogen, luden ihn der FC Bayern, Unterhaching und 1860 München zum Probetraining ein. Letztlich entschied er sich für die Löwen, die ihm „familiärer“vorkamen. Vor knapp vier Jahren debütierte Uduokhai in der zweiten Liga für 1860 München, im Sommer 2017 wechselte er zum VfL Wolfsburg in die Bundesliga.
Bereits als Heranwachsender verfügte er über ein herausragendes Stellungsspiel. Weil er zudem als wohl erzogen, bodenständig und lernwillig gilt, verkörpert er einen Musterprofi. Wie reflektiert er trotz seiner 22 Jahre wirkt, zeigt sich in seiner Einordnung der jüngsten Ereignisse in den USA. Uduokhai hat eine deutsche Mutter und einen nigerianischen Vater, beide leben in München. Auch wenn er selbst bislang von Rassismus verschont geblieben ist, selbst spricht er von einer „ruhigen Kindheit“, so werden in seiner Familie dennoch Anfeindungen wegen Hautfarbe und Herkunft thematisiert. Uduokhai deutet an, dass sein Vater schon Opfer war.
Eintracht Frankfurt hat jüngst mit Trikotwerbung ein Zeichen gegen Rassismus gesetzt, Spieler knieten sich vor Anpfiff am Mittelkreis
„Wenn man weiß, die Kameras nehmen alles auf und die Stimmen sind zu hören, achtet man natürlich darauf.“FCA-Profi Felix Uduokhai zum disziplinierten
Verhalten in Geisterspielen
„Wenn man ein Zeichen setzt, dann aus innerer Überzeugung. Von Mitläufern halte ich wenig.“
FCA-Profi Felix Uduokhai zu Anti-Rassismusaktionen
nieder und der FSV Mainz kündigte einem Fan wegen rassistischer Äußerungen die Mitgliedschaft. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) bemüht sich um angemessenes Handeln. Normalerweise verbietet die Dachorganisation politische Botschaften während der Spiele, aktuell duldet sie diese. Von den Vereinen wird erwartet, dass sie sich wegen ihrer Vorbildfunktion klar gegen Rassismus positionieren und Haltung zeigen, andererseits sollen ihre Spieler nicht als willfährige Erfüllungsgehilfen dienen.
Uduokhai befürwortet die Aktionen anderer Klubs, sieht sich aber nicht veranlasst, im Rahmen des Auswärtsspiels beim FSV Mainz 05 (Sonntag, 15.30 Uhr) eine ähnliche, öffentlichkeitswirksame Aktion ins Leben zu rufen. Bedeutender sei für ihn, dass sich jeder für sich mit dem Thema auseinandersetzt und sich darüber informiert, was Rassismus mit Menschen macht. „Wenn man ein Zeichen setzt, dann aus innerer Überzeugung. Von Mitläufern halte ich wenig.“