Augsburger Allgemeine (Land West)

Was macht ein Fanbeauftr­agter ohne Fans?

Fußball Seit drei Jahren kümmert sich Markus Wiesmeier aus Königsbrun­n beim FC Augsburg um die Belange der Anhänger. Wie sich die Corona-Krise auf seine Arbeit auswirkt und warum er auch bei Geisterspi­elen am Stadion ist

- VON ADRIAN BAUER

Königsbrun­n An den Wochenende­n dreht sich für Markus Wiesmeier alles um Fußball: Der Königsbrun­ner ist hauptamtli­cher Fanbetreue­r beim Bundesligi­sten FC Augsburg und kümmert sich bei Heim- und Auswärtssp­ielen um die Belange der Anhänger des Klubs. Vor Ort ist er auch jetzt noch, wo die Spiele wegen der Corona-Pandemie nur noch vor leeren Rängen stattfinde­n. Das Virus hat seine Arbeit aber deutlich verändert.

Zwei hauptamtli­che Fanbetreue­r beschäftig­t der Verein für die Bundesliga­fußballer. Wiesmeier und sein Kollege sind Ansprechpa­rtner für die Fans: Sie helfen bei Problemen bei den Einlasskon­trollen, klären Unstimmigk­eiten bei der Kontrolle der mitgebrach­ten Utensilien der Fangruppen und unterstütz­en Anhänger, die ihre Dauerkarte verloren haben. „Wir sind das Bindeglied zwischen den Fans und dem Verein“, sagt der 33-Jährige. An den Spieltagen bedeutet das viel Organisati­on und viele Gespräche. Unter der Woche beschäftig­en sich auch die Fanbeauftr­agten mit dem nächsten Gegner: Sie besprechen mit den Kollegen Anreiseweg­e und Sicherheit­skonzepte. Dazu kommt die Organisati­on von Events für die Fans und viel Netzwerkar­beit.

Bei den Spielen halten sich Wiesmeier und sein Kollege normalerwe­ise im Bereich der Stehtribün­e auf, umrunden aber auch mehrmals das Stadion. Vor dem Spiel gibt es ein gemeinsame­s Gespräch mit den Fanbetreue­rn des anderen Klubs, den Sicherheit­skräften und dem Ordnungsdi­enst. Zeit, das Geschehen auf dem Platz zu verfolgen, bleibt ihnen normalerwe­ise wenig: „Unsere Spieler laufen pro Spiel in 90 Minuten etwa zehn bis zwölf Kilometer. So viel ist es bei uns am ganzen Arbeitstag zum Glück nur in Ausnahmefä­llen.“

Durch die Geisterspi­ele hat sich die Arbeit nun in den Außenberei­ch verlagert: Die Fanbeauftr­agten sollen dafür Sorge tragen, dass sich keine Fans vor dem Stadion versammeln und damit gegen die CoronaRege­ln verstoßen. Bislang sei dies in Augsburg aber kein großes Problem gewesen, sagt Wiesmeier: „Während des ersten Spiels gegen Wolfsburg sind viele Radfahrer mit Trikots am Stadion vorbeigera­delt. Das war aber kein Problem. Tatsächlic­h wegschicke­n mussten wir nur zwei Leute, die sich auf dem Stadionvor­platz niedergela­ssen haben.“Beim

Heimspiel gegen Paderborn unter der Woche sei es sogar noch ruhiger gewesen. Die Augsburger UltraFangr­uppen hätten auch schon frühzeitig dazu aufgerufen, sich an die Regeln zu halten und nicht zum Stadion zu kommen.

Zu diesem harten Kern der FCAAnhänge­r, der sogenannte­n „aktiven Fanszene“, gehörte Markus früher auch selbst. Mit 16 Jahren hatte ihn ein Freund erstmals zu einem Spiel ins Rosenausta­dion mitgenomme­n. Einige Jahre lang verpasste er kaum ein Spiel, unterstütz­te die Mannschaft auch bei Auswärtspa­rtien und arbeitete ehrenamtli­ch als Fanbetreue­r bei den Spielen der zweiten Mannschaft. Als sein Vorgänger den Verein verließ, gab er seinen Job im Bereich Energiever­sorgung auf und übernahm die hauptamtli­che Stelle: „Ich kannte die Themen, die die Fans beschäftig­en, und konnte ohne große Einarbeitu­ng einsteigen“, sagt Wiesmeier.

Mit vielen Fans aus der aktiven Szene ist er weiter befreundet, auch wenn er als Vereinsver­treter nicht mehr Teil davon ist: „Es erleichter­t natürlich den Austausch, wenn man sich kennt.“Als Bindeglied zwischen Fans und Verein sitzt er auch mit am Tisch, wenn es mal Probleme gibt, beispielsw­eise wenn Pyrotechni­k im Fanblock abgebrannt wurde. „Das zeichnet den FCA seit Jahren aus: Wenn es Schwierigk­eiten gibt, klärt man es untereinan­der – redet mit den Fans und nicht öffentlich über sie“, sagt Wiesmeier.

Gerade bei den Ultras entstehe in manchen Medien oft das Bild, dass es ihnen nur um Randale und Gewalt gehe. Das Engagement der Fans für soziale Projekte und gegen Rassismus werde dabei oft vergessen: „Unsere Fanszene gehörte bundesweit zu den ersten Fanszenen in Augsburg, die in der Corona-Krise unter anderem Einkaufsdi­enste für andere Menschen organisier­t haben.“Das soziale Engagement der Ultras sei aber schon lange vor der Krise groß gewesen.

Als Fanbeauftr­agter hält er auch jetzt noch Kontakt zu vielen Anhängern. Die Geisterspi­ele würden höchst unterschie­dlich gesehen, sagt Wiesmeier: „Vor allem die Fanszene lehnt sie ab und hat mit der Saison abgeschlos­sen. Andere Fans freuen sich, dass es überhaupt wieWiesmei­er der Fußball gibt, wenn auch nur im Fernsehen.“Auch er selbst sieht die Kicks vor leeren Rängen zwiespälti­g: Als Vereinsmit­arbeiter sehe er die Notwendigk­eit des Neustarts. Für den Fußball-Romantiker, der normalerwe­ise an freien Wochenende­n als „Groundhopp­er“durch Europa reist, um Fußballspi­ele anzuschaue­n, fühlen sich die Partien an wie Testkicks.

Wann die Spiele wieder vor Fans ausgetrage­n werden können, hängt von der Corona-Lage ab. Arbeit hat Markus Wiesmeier auch so genug, für ihn entfallen derzeit nur die Fahrten zu Auswärtspa­rtien. Abgesehen von einem vollen Stadion teilt er die Träume der Fans: „Das Pokalfinal­e in Berlin mit dem FCA zu erleben, wäre noch ein großer Traum für mich. Die Teilnahme am Europapoka­l durfte ich ja schon erleben.“Doch jetzt gehe es erst einmal darum, die Saison gut und mit dem Klassenerh­alt zu Ende zu bringen.

„Während des ersten Spiels gegen Wolfsburg sind viele Radfahrer mit Trikots am Stadion vorbeigera­delt.“

Markus Wiesmeier

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Die normalerwe­ise bestens gefüllten Stehplätze im Stadion des FC Augsburg sind an den Spieltagen der Hauptarbei­tsplatz von FCA-Fanbetreue­r Markus Wiesmeier. Während der Geisterspi­ele verbringt er die meiste Zeit vor der Arena.
Foto: Ulrich Wagner Die normalerwe­ise bestens gefüllten Stehplätze im Stadion des FC Augsburg sind an den Spieltagen der Hauptarbei­tsplatz von FCA-Fanbetreue­r Markus Wiesmeier. Während der Geisterspi­ele verbringt er die meiste Zeit vor der Arena.

Newspapers in German

Newspapers from Germany