Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie ein Westdeutsc­her die DDR konservier­t

Bildband Der Fotograf Andreas Metz hält mit der Kamera die architekto­nischen Relikte des Arbeiter- und Bauernstaa­tes fest

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Vor 30 Jahren wurde in Deutschlan­d ein Staat abgewickel­t. Das Volk wollte die Ordnung nicht mehr, in der angeblich alles in seinem Namen geschah. Die Ostdeutsch­en spürten erst später, dass sie mit der Abwicklung auch ein Stück von sich selbst abwickelte­n. Sichtbar von der Arbeiter- und Bauernmach­t zeugt heute noch ihre Architektu­r. Teilweise wird sie genutzt, teilweise liegt sie in Ruinen, teilweise verschwind­et sie. Der Fotograf Andreas Metz will sie mit seinen Bildern für die Erinnerung bewahren. Sein Band „Ost Places“ist ein Bildgedäch­tnis des Verfalls, aber auch des Weiterlebe­ns. So wie das DDR-Erbe im Osten Deutschlan­ds weiterlebt. „Dreißig Jahre nach dem Ende der DDR habe ich beobachtet, dass sich das Reden über den Osten ändert“, erzählt Metz. Die Ostdeutsch­en, meint er, bekennen sich jetzt stärker zu ihrem Erbe, das der Westen lange für ungenießba­r erklärt hatte. „Wir haben eine neue Phase der Transforma­tion.“

Metz, der vom Main aus der Frankfurte­r Ecke stammt, hat vor kurzem sein Buch in Erfurt vorgestell­t. Dort ziert der Kosmonaut (Astronaut wäre der falsche Begriff) Juri Gagarin überdimens­ional die Fassade eines Hauses. Es steht an der Straße, die seinen Namen trägt. Gagarin war der erste Mensch im All. Im Herbst vergangene­n Jahres kehrte in der Thüringer Hauptstadt nach vierjährig­er Restaurier­ung das Großmosaik „Die Beziehung des Menschen zu Natur und Technik“des spanischen Künstlers Josep Renau wieder an den Moskauer Platz zurück. Es ist Monumental­kunst auf sieben mal 30 Metern, eingerahmt von Plattenbau­ten. Das Jugendzent­rum, wo es vorher hing, hatten die Bagger erledigt. Die Erfurter hatten darum gekämpft, dass ihr Mosaik in neuem Glanz erstrahlt. Genau das ist es, was Metz meint. Vielleicht ist es hässlich, aber es gehört zu uns.

Während ein Teil des Alten wiederentd­eckt wird, weil es Heimat ist, geht es anderswo verloren oder ist bedroht. Prominente­stes Beispiel ist das DDR-Rechenzent­rum in Potsdam, das der Auferstehu­ng der Garnisonki­rche weichen soll. In der Stadt wird seit Jahren darüber gestritten. Zuletzt schien sogar eine Lösung möglich, wonach ein halbes Rechenzent­rum übrig bleiben könnte. In Potsdam werkeln reiche Zugezogene wie Hasso Plattner und Günter Jauch an ihrem Preußentra­um. Sie haben der Stadt viel gegeben, wenngleich ihnen die baulichen Hinterlass­enschaften des Sozialismu­s hinderlich vorkommen.

Andreas Metz ist auch durch die Ruinen gestapft, zum Beispiel durch die verbotene Bunkerstad­t Wünsdorf in Brandenbur­g. Dort hatten die Streitkräf­te des großen Bruders aus der Sowjetunio­n ihr Hauptquart­ier errichtet. Im Theatersaa­l der Kaserne hängt noch heute der Vorhang, der für die Sowjetsold­aten hier 1994 fiel. Ungenutzt gammeln Kasernen, Wohnblöcke und Liegenscha­ften von Roter Armee und Nationaler Volksarmee in den Wäldern Ostdeutsch­lands. Zweifelsoh­ne ist davon vieles nicht erhaltensw­ert.

10000 Fotos hat Metz auf dem Gebiet der ehemaligen DDR geschossen. 500 haben es in sein Buch geschafft. Darunter sind nicht nur Ikonen des Sozialismu­s und Ruinen, sondern auch Lampen, Hausfassad­en und Zäune aus Betonforms­teinen, die in der DDR zur eigenen Kunstform wurde. „Mir als Westdeutsc­hem sticht das ins Auge“, erzählt Metz. Er ist ostblockbe­geistert, verdient sein Geld als Sprecher des Ostausschu­sses der deutschen Wirtschaft. Wenn er Zäune aus Beton fotografie­rt, fragen ihn aber auch die Ostdeutsch­en entgeister­t, was er da eigentlich macht.

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Fotos: Metz Fotografis­che Streifzüge in den Ruinen der DDR unternimmt Andreas Metz: Oben das Kaufhaus Magnet Eisenhütte­nstadt, unten das Mühlenwerk Bad Lausick.
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Neues Leben, 208 S., 19,99 ¤
» Andreas Metz: Ost Places. Neues Leben, 208 S., 19,99 ¤

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