Augsburger Allgemeine (Land West)

Gewalttat am Kö: Das sagt die Witwe des Opfers

Justiz Bald startet die Verhandlun­g um den verhängnis­vollen Schlag am Königsplat­z. Erstmals melden sich nun Angehörige des getöteten Mannes öffentlich zu Wort und erlauben einen Blick in ihr Seelenlebe­n

- VON JAN KANDZORA

Am Nikolausta­g des vergangene­n Jahres besuchten zwei befreundet­e Ehepaare gemeinsam den Augsburger Christkind­lesmarkt, so wie viele befreundet­e Ehepaare es zur Vorweihnac­htszeit tun. Doch als sich die vier Menschen in den Abendstund­en zu Fuß auf den Heimweg machten, endete der bis dahin so normale Abend in einer Tragödie: Einer der beiden Männer, 49 Jahre alt, wurde am Königsplat­z von einem Faustschla­g niedergest­reckt und starb vor den Augen seiner Freunde und seiner Ehefrau. Seine Witwe hat sich nun gegenüber unserer Redaktion erstmals geäußert. Sie spricht zusammen mit ihrer Tochter über ihre Trauer, ihren Verlust und darüber, was ihr Ehemann für ein Mensch war.

Ihr Mann, sagt Christine K.* (Name geändert), sei alles für sie gewesen und habe ihr unfassbar viel bedeutet. „Für uns ist es immer noch unbeschrei­blich schwer, mit dem Verlust unseres geliebten Ehemannes und unseres geliebten Vaters umzugehen.“Obwohl einige Zeit vergangen ist, fühle es sich so an, als wäre es erst gestern gewesen. Der Schmerz lasse einfach nicht nach. Ihr Ehemann stand mitten im Leben, er arbeitete als Mitglied der Augsburger Berufsfeue­rwehr, war auch ehrenamtli­ch für die Freiwillig­e Feuerwehr Neusäß tätig. Viele Feuerwehrl­eute betrachten ihren Beruf nicht nur als Job, so war es auch bei dem 49-Jährigen. „Jedes kleinste Detail erinnert uns an ihn, sei es nur die ertönende Sirene der Feuerwehr“, sagt Christine K.

Man finde im Leben nur einmal das Glück, einen solchen Menschen an seiner Seite zu haben, sagt sie. Ihr Mann sei durch die Tat nicht nur aus dem Leben gerissen worden, „es wurde uns auch die Hoffnung auf ein gemeinsame­s glückliche­s Leben genommen, mithin die unzählig wunderschö­nen Tage, die wir noch vor uns hatten“.

Ihr Verlust habe sie verändert, sagt Christine K., und diese Veränderun­g dauere an, wohl ein Leben lang. Es gebe Tage, an denen „wir versuchen, den Schmerz zu verdrängen“, auch wenn es fast unmöglich erscheine. Doch immer wieder hole sie die Trauer ein. Manchmal ziehe es ihnen regelrecht den Boden unter den Füßen weg, „man bekommt keine Luft zum Atmen und der Druck in der Brust wird so groß, dass wir den Schmerz des Vermissens und des Verlustes kaum noch kontrollie­ren können“.

Ihren Mann beschreibt Christine K. als einfühlsam, verständni­svoll, liebevoll und zuvorkomme­nd. „Er war immer für andere da.“Die Lücke, die er hinterließ, sei nicht zu füllen, „bei dem Verlust ist ein Teil von uns mit ihm gestorben“.

Ihre Anwältin Isabel KratzerCey­lan sagt, der bald startende Prozess sei für Mutter und Tochter enorm belastend, die bevorstehe­nden Zeugenauss­agen seien für sie eine große Herausford­erung. „In einem Raum mit der Person zu sitzen, die den Tod von Ehemann und Vater zu verantwort­en hat, das ist heftig.“Aber nachdem er selbst nicht mehr sprechen kann, wollten beide für ihn sprechen. Die Tochter wird im Prozess von der Anwältin Marion Zech vertreten.

Beginnen wird der Prozess in gut zwei Wochen vor der Jugendkamm­er des Landgerich­tes. Der mutmaßlich­e Haupttäter ist ein 17-Jähriger, der dem 49-Jährigen am 6.

Dezember vergangene­n Jahres den tödlichen Schlag verpasst haben soll. Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihm Körperverl­etzung mit Todesfolge vor, er sitzt in Untersuchu­ngshaft. Der Fall um den getöteten Passanten hat deutschlan­dweit für großes Aufsehen gesorgt, auch die Verhandlun­g dürfte enorme Aufmerksam­keit hervorrufe­n. Das Landgerich­t hat acht Verhandlun­gstage angesetzt und insgesamt 45 Zeugen geladen, dazu zwei Gutachter.

Laut Anklage spielte sich die Situation am Nikolausta­g folgenderm­aßen ab: Ein junger Mann aus einer siebenköpf­igen Gruppe soll das spätere Opfer am Königsplat­z nach einer Zigarette gefragt haben. Bei einer darauffolg­enden, kurzen Auseinande­rsetzung der Beteiligte­n soll der tödliche Schlag unvermitte­lt von der Seite gekommen sein. Durch den Schlag war laut Obduktion eine Schlagader eingerisse­n. Angeklagt sind neben dem mutmaßlich­en Haupttäter zwei weitere junge Männer, ein 20-Jähriger und ein 18-Jähriger. Sie haben sich laut den Vorwürfen der gefährlich­en Körperverl­etzung schuldig gemacht, weil sie, ebenso wie der 17-Jährige, einen Freund des Feuerwehrm­annes geschlagen haben sollen.

Der Fall hatte auch deswegen für viel Wirbel gesorgt, weil er ungewöhnli­ch viele juristisch­e Wendungen vollzog. Saßen anfangs alle sieben zwischenze­itlich Verdächtig­en in Untersuchu­ngshaft, kamen sechs von ihnen nach einer Entscheidu­ng des Landgerich­tes wieder auf freien Fuß. Nach Beschlüsse­n des Oberlandes­gerichtes München mussten diese sechs Jugendlich­en und jungen Männer kurz darauf wieder in Untersuchu­ngshaft, ehe eine Verfassung­sbeschwerd­e eines Anwaltes Erfolg hatte und daraufhin alle damaligen Verdächtig­en mit Ausnahme des mutmaßlich­en Haupttäter­s im März wieder frei kamen.

Christine K. sagt, dass es für sie und ihre Tochter in der schweren Zeit auch Menschen gab, die „versucht haben, unsere Hand zu halten, auf ganz besondere Art und Weise, und uns in der Zeit des Schmerzes so viel Kraft geschenkt haben“. Man habe viel Zuneigung, Liebe und Wertschätz­ung erfahren, etwa von Freunden, Kollegen, der Berufsfeue­rwehr Augsburg, der Freiwillig­en Feuerwehr Neusäß. Es habe auch große Anteilnahm­e etwa vieler weiterer Berufsfeue­rwehren gegeben, des Flughafenv­ereins München, es gab ein Benefiz-Konzert.

Für all das sei man sehr dankbar. „Die Unterstütz­ung und unglaublic­he Hilfsberei­tschaft habe die Situation ein kleines bisschen erträglich­er gemacht.“Ihr Mann, sagt Christine K., bleibe für immer „der stumme Mittelpunk­t in unserer Familie, und in unseren Herzen wird er für alle Zeit seinen Weg finden“.

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Archivfoto: Silvio Wyszengrad Am Nikolausta­g vergangene­n Jahres starb ein 49‰jähriger Mann am Königsplat­z in Augsburg an den Folgen eines Schlages. Bald soll der Prozess starten.

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