Augsburger Allgemeine (Land West)

Wirt Harry Winderl ist trotz schweren Unfalls dankbar

Schicksal Bei einem Sturz wurde Augsburgs Szene-Gastronom verletzt und ist seither an den Rollstuhl gefesselt. Das setzt ihm zwar zu – aber dennoch gibt sich der Gastronom kämpferisc­h

- VON INA MARKS

Eigentlich sollte es ein schöner Abend werden. Harry Winderl hatte seine Mitarbeite­r zu einem Essen in ein Restaurant eingeladen, seine Mutter und die Lebensgefä­hrtin waren auch dabei. Doch der Abend endete in einer Katastroph­e.

Als der 52-Jährige und seine Freundin nach dem Hauptgang auf der hölzernen Terrasse des Restaurant­s eine Zigarette rauchen, gibt plötzlich ein Brett unter ihnen nach, erzählt Winderl. Das Paar stürzt einen knappen Meter tief. Winderls Partnerin kommt mit ein paar Blessuren davon, ihn trifft es schlimm. Winderl zieht sich nicht nur Platzwunde­n und Rippenbrüc­he zu, sondern auch noch einen komplizier­ten Oberschenk­elhalsbruc­h. „Ich wusste gleich, da ist mehr passiert“, sagt Winderl, der sich seitdem in seiner Wohnung nur noch im Rollstuhl oder mit einer Gehhilfe fortbewege­n kann.

Der Gastronom (Schaller-Alm Plärrer, Almhütte Christkind­lesmarkt und Parkgarten) hat einen über einwöchige­n Krankenhau­saufenthal­t mit Operation und Schmerzen hinter sich, die laut ihm „unvorstell­bar brutal“waren. Beinahe hätte er sogar eine Prothese eingesetzt bekommen. „Jetzt ist die Frage, ob mein Bein wieder ordentlich durchblute­t wird, denn es wurden auch

Gefäße verletzt.“Die näheren Zukunftspr­ognose klingen nicht rosig.

„Insgesamt dauert es wohl zwei Jahre, bis alles wieder funktionie­rt.“Dass Winderl eine besondere Art hat, mit dem Schicksals­schlag umzugehen, zeigt er mit seinen Einträgen im sozialen Netzwerk Facebook. Dort gibt er sich betont positiv, dankt dem Unikliniku­m. „Ich habe über die Jahre so viel Kritik am Klinikum und am Gesundheit­ssystem gehört. Ich will ausdrücken, wie toll die Versorgung durch die Ärzte und die Pfleger war - auch menschlich - und dass es sich rechnet, in unser Gesundheit­ssystem einzuzahle­n. Ich sehe das Glück im Unglück.“Man dürfe sein Schicksal nicht beklagen, es gebe Schlimmere­s. Jetzt müsse er im wahrsten Sinne des Wortes lernen, die Füße still zu halten. Wer Harry Winderl kennt, weiß, dass ihm das schwerfäll­t. Zumal der Christkind­lesmarkt vor der Tür steht.

Für Festwirt Dieter Held betreibt Winderl dort seit vielen Jahren die Almhütte. Sie wird, wie bereits berichtet, wegen des städtische­n Corona-Konzepts dieses Jahr auf dem Elias-Holl-Platz unterhalb des Rathauses stehen. „Dass ich nun ausfalle, ist bitter,“meint Winderl geknickt. Für den Gastronome­n wäre es der erste große Verdienst in diesem Jahr in Augsburg gewesen. Aufgrund Corona war ihm schon das

Geschäft mit der Schalleral­m auf dem Plärrer weggebroch­en, wie auch Veranstalt­ungen wie der Medienprei­s im Kongress im Park. Zudem hatte sich Winderl auf den neuen Standort auf dem Elias-HollPlatz gefreut. Viele Gestaltung­sideen habe er bereits gehabt. „Der Platz hat für mich großes Potenzial.“Nun will er sich soweit fit machen, dass er wenigstens den Aufbau der Almhütte für ein paar Stunden vom Rollstuhl aus begleiten kann. In fünf Wochen fährt er zur Reha nach Bad Wiessee.

Winderl hat sich ein hohes Ziel gesteckt. Er will vollständi­g gesund werden und in vier Jahren den „Marathon de Sables“in der marokkanis­chen Wüste mitlaufen. Den marokkanis­chen Teil der Sahara habe er vor wenigen Jahren schon mal in zwölf Tagen zu Fuß durchquert. Winderl hadert nicht mit seinem Unfall. „So etwas kann jeden Tag passieren. Der Mensch ist verletzlic­h und das Leben ist endlich.“Sein Motto sei der Spruch eines alten Philosophe­n. „Es ist unsere vornehmste Pflicht zu leben.“

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Harry Winderl kann sich derzeit in seiner Wohnung nur mit Rollstuhl fortbewege­n. In seinem Wohnzimmer steht nun ein Krankenbet­t.
Foto: Ulrich Wagner Harry Winderl kann sich derzeit in seiner Wohnung nur mit Rollstuhl fortbewege­n. In seinem Wohnzimmer steht nun ein Krankenbet­t.

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