Augsburger Allgemeine (Land West)
Im Nahverkehr wird bald auch nach der Fahrt abgerechnet
Tarife Die Stadtwerke planen eine weitere Abrechnungsart als Ergänzung zu Papier- und Handytickets. Das Smartphone registriert dabei die zurückgelegte Strecke und rechnet den Preis aus
Fahrgäste im Augsburger Nahverkehr sollen womöglich in ein bis zwei Jahren das Smartphone als automatisches Ticket nutzen können, und zwar ohne dass sie sich groß mit dem Tarifsystem auseinandersetzen müssen: Die Stadtwerke planen bereits seit Längerem eine so genannte „BeIn/BeOut“-Lösung, bei der das Handy automatisch registriert, wenn man einen Bus oder eine Straßenbahn besteigt.
Die App merkt sich die zurückgelegte Fahrstrecke und berechnet am Monatsende den für den Kunden günstigsten Preis, sei es eine Monatskarte oder eine Kombination aus Wochen-, Tages- und Einzelkarten. Jetzt starten erste Tests mit 150 Fahrgästen. In den Echtbetrieb für alle Fahrgäste könnte das System, sollten die noch anstehenden
Tests gut verlaufen, frühestens Ende 2021 gehen, so die Stadtwerke. Das Ziel sei, die Schwelle zur Nutzung des Nahverkehrs möglichst niedrig zu setzen, so Stadtwerke-Geschäftsführer
Walter Casazza. „Für alle, für die sich ein dauerhaftes Abo nicht rentiert, ist das eine einfache Möglichkeit, den Nahverkehr zu nutzen, ohne sich mit dem Tarifsystem befassen zu müssen“, sagt Casazza. Die herkömmlichen Tickets in Papierform oder auf dem Handy soll es jedoch weiterhin geben.
Im ersten Schritt werden die jetzt im Einsatz befindlichen Testkunden beim Ein- und Aussteigen noch mit einem Finger auf eine Schaltfläche am Smartphone tippen müssen. Die App soll in der ersten Phase zeigen, ob sie etwa die zurückgelegten Strecken richtig erkennt und die Endabrechnung beherrscht.
Das automatische Registrieren von Fahrten im nächsten Schritt wird dann noch etwas komplexer anhand von Satellitendaten und Bewegungsmustern soll das System automatisch erkennen, ob ein Nutzer mit einem Bus oder einer Straßenbahn fährt. Dazu werden die Handy-Bewegungsdaten mit den Live-Daten der Stadtwerke zu den Fahrplänen ihrer Fahrzeuge abgeglichen. Dass Stadtwerkekunden, die parallel zu einer fahrenden Straßenbahn mit dem Rad oder dem Auto unterwegs sind, aus Versehen zur Kasse gebeten werden, soll ausgeschlossen sein. Das Smartphone reagiert auf besondere Bewegungsmuster. „Eine Straßenbahn oder ein Linienbus verhalten sich beim Beschleunigen und Abbremsen ganz anders als ein Auto oder ein Fahrrad“, so Casazza.
In Sachen Datenschutz verweisen die Stadtwerke darauf, dass die Bewegungsdaten nicht unmittelbar mit Kundendaten in Verbindung gebracht werden können. Die Firma BlueGo, mit der die Stadtwerke das
System entwickeln, sammelt die Bewegungsdaten auf deutschen Servern. BlueGo hat dabei keine Kundennamen, sondern operiert mit Nummern. Am Monatsende werden den Stadtwerken nur die zur Abrechnung nötigen Eckdaten mit Nummer geschickt, die die Verkehrsbetriebe dann dem Nutzer zuordnen. „BlueGo kennt den Kunden nicht und wir kennen die einzelnen Bewegungsprofile der Kunden nicht“, so Casazza.
Bundesweit experimentieren viele Verkehrsunternehmen momentan mit automatischen elektronischen Tickets und haben diese teils schon im Echtbetrieb. Das Spektrum reicht dabei von elektronischen Karten, die beim Ein- und Aussteigen an ein Lesegerät gehalten werden bis hin zur Handy-Lösung mit wöchentlicher Best-Price-Abrechnung.