Augsburger Allgemeine (Land West)

Bald erfolgreic­her als Schumacher

Formel 1 Mit einem Sieg am Nürburgrin­g kann Lewis Hamilton die Bestmarke des Deutschen einstellen. Doch damit erschöpfen sich bereits die Gemeinsamk­eiten der Ausnahmekö­nner

- VON MILAN SAKO

Augsburg Wenn ein Fabel-Weltrekord steht wie der von Michael Schumacher mit 91 Gran-Prix-Siegen, dann sagen die Experten: Eine Bestmarke für die Ewigkeit. Aber ewig und unendlich währt bekanntlic­h nichts, wie schon Albert Einstein philosophi­erte: „Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschlich­e Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir nicht ganz sicher.“Am Wochenende könnte Lewis Hamilton einen Rekord, der unerreichb­ar schien, einstellen. 14 Jahre nach dem letzten Grand-Prix-Erfolg des deutschen Motorsport-Idols kann der Brite auf dem Nürburgrin­g am Sonntag (15.10 Uhr/live in RTL und gleichzieh­en. Ist Hamilton bald der beste Fahrer aller Zeiten? Oder kann man die Leistungen der beiden gar nicht vergleiche­n?

Für Hamiltons Boss Toto Wolff ist die Sache bereits entschiede­n. „Michael wird immer über uns allen und über der Formel 1 stehen. Er hat über zehn Jahre hinweg seinen Stempel hinterlass­en als der komplettes­te Rennfahrer, den der Motorsport je gesehen hat“, sagte der Mercedes-Teamchef gegenüber Motorsport-total.com. Allerdings sei das nur eine emotionale Sicht der Dinge. Der gebürtige Österreich­er fährt fort: „Es gibt auch eine rationale Betrachtun­gsweise, und die lautet: Rekorde sind da, um gebrochen zu werden. Selbst wenn ein Rekord unmöglich schlagbar zu sein scheint, irgendwann kommt der Tag, und dann bricht ihn eben doch jemand.“

Der 11. Oktober 2020 könnte der Tag sein, an dem die beiden Piloten auf einer Stufe stehen. Zwischen Schumacher­s erstem (Belgien 1992) und 91. Formel-1-Sieg (China 2006) lagen 5145 Tage, also 14 Jahre und 32 Tage. Zwischen Hamiltons erstem (Kanada 2007) und vielleicht 91. Formel-1-Sieg am Nürburgrin­g würden 4872 Tage liegen, also 13 Jahre und 123 Tage.

Doch die 91 ist dann schon fast die einzige Gemeinsamk­eit, die den Briten und den 51-jährigen Deutschen verbindet. In ihrer Art könnten sie kaum unterschie­dlicher sein. Schumacher, der nach seinem schweren Ski-Unfall 2013 aus der Öffentlich­keit verschwund­en ist, gilt als Perfektion­ist. Schumi nervte seine Renn-Ingenieure und manchmal auch seine Freunde mit seiner Hartnäckig­keit. Selbst wenn der siebenfach­e Rekordwelt­meister nur zu einem Hobby-Kartrennen angetreten ist, musste er die beste Kiste mit den schnellste­n Reifen steuern. Anders ist es kaum zu erklären, wie Schumacher das damals als schlampig verschrien­e Ferrari-Team auf Vordermann brachte.

Als der junge Pilot aus Kerpen 1996 bei der Scuderia einstieg, kreisten die Italiener im Mittelfeld umher. Schumacher lernte die Sprache, und nach vier Jahren verstand die Mannschaft aus Maranello, was „Michele“von ihnen wollte. Fünf Titel in Folge zwischen 2000 und 2004 markieren eines der ruhmreichs­ten Kapitel in der von Erfolgen verwöhnten Mannschaft. Kurios: Schumacher legte mit seinem wenig erfolgreic­hen Karriere-Ausklang bei Mercedes (2010–12) die Basis für Hamilton, der seit 2013 die Marke mit dem Stern steuert und dort 2014, 2015, 2017, 2018 und 2019 die Titel einheimste.

Privat schottete sich der Deutsche ab. Von dem Familienle­ben mit Frau Corinna, Tochter Gina-Maria und Sohn Mick in ihrem Anwesen am Genfer See drang und dringt bis heute nichts nach draußen.

Wie ein Gegenentwu­rf wirkt dazu Hamilton. Pose und Auftritt prägen das Image. Großflächi­ge Tattoos zieren den Körper, um den Hals baumelt gerne mal eine dickere Goldkette. Das Bling-Bling wird in den sozialen Medien zelebriert. Dort ist der 35-Jährige weltmeiste­rlich unterwegs. Welcher Fahrer in den sozialen Netzwerken dominiert, hat nun die Informatio­nsplattfor­m Wettbasis untersucht. Plattformü­bergreifen­d hat der sechsfache Weltmeiste­r die meisten Follower. Über Facebook, Instagram und Twitter erreicht Hamilton rund 31

Millionen User weltweit und ist damit die Nummer eins des SocialMedi­a-Rankings. Mit 6,8 Millionen Followern reihen sich Daniel Ricciardo und Max Verstappen (6 Mio.) dahinter ein. Der erste deutsche Fahrer im Ranking der noch aktiven Piloten ist Nico Hülkenberg. Der 33-Jährige landet mit einer Gesamtreic­hweite von 2,2 Millionen Followern auf Platz neun. Sebastian Vettel folgt da eher seinem Vorbild Schumacher und nutzt als einziger Fahrer der Formel 1 kein Social Media. Auch Schumacher winkte am liebsten aus seinem Auto den zehntausen­den Rotkäppche­n im Motodrom von Hockenheim zu. Allerdings spielten die sozialen Netzwerke zu seiner aktiven Zeit keine so dominieren­de Rolle. Damals regierten Präsidente­n ihr Land noch aus dem Büro und nicht per Twitter.

Am Ende des Jahres wird Hamilton sehr wahrschein­lich nach WMTiteln mit Schumacher gleichzieh­en. In der nächsten Saison könnte der Mercedes-Mann die achte Meistersch­aft draufpacke­n und den nächsten Rekord für die Ewigkeit aufstellen. Toto Wolff bleibt vorsichtig mit den so oft als „historisch“gepriesene­n Bestmarken: „Schauen wir doch mal voraus auf das Jahr 2037. Dann kommt ein Junge, der heute in die Kita geht oder schon erste Runden im Bambino-Kart dreht, und der wird dann versuchen, die Rekorde von Michael und Lewis zu brechen.“

Hamilton zeigt sich gerne mit der dickeren Goldkette

 ?? Foto: Jens Büttner, dpa ?? In der Saison 2012 fuhren Michael Schumacher im Mercedes und Lewis Hamilton im McLaren gegeneinan­der.
Foto: Jens Büttner, dpa In der Saison 2012 fuhren Michael Schumacher im Mercedes und Lewis Hamilton im McLaren gegeneinan­der.

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