Augsburger Allgemeine (Land West)
Lieber echte Gerechtigkeit
Zu „Keine Könige“(Bayern) vom 7. Ok tober:
„D’Evangelisch Kirch isch au nemme dees …“könnte man sagen, wenn es nicht so traurig wäre, dass die Hüter des Ulmer Münsters die drei Könige aus ihrer Krippe geworfen haben. Von Kenntnis der Bibel scheinen sie dort drüben in Ulm jedenfalls nicht beleckt zu sein. Auch im Matthäusevangelium ist nicht von einem Schwarzen die Rede, ja nicht mal von Königen, es sind Gelehrte, also Weise aus dem Morgenland, die da an der Krippe erscheinen. Anstatt Mohrenstraßen und dergleichen umzubenennen, sollte der „Weiße Mann“lieber dafür sorgen, dass den farbigen Schwestern und Brüdern wirklich Gerechtigkeit widerfährt, durch gleiche Chancen in Bildung und Beruf oder fairen Handel. Stattdessen verhunzt er seine Sprache und ergeht sich in Symbolpolitik. Klar, das kostet nichts, und in einem halben Jahr treibt man dann eine neue mediale Sau durchs Dorf. Auf der Strecke bleiben all jene, denen man, wieder mal, nicht geholfen hat, weil sich ihre Lebensumstände durch die Sprachakrobaten der westlichen Betroffenheitskultur überhaupt nicht geändert haben. Darum: Lasst den hölzernen Melchior, da wo er schon immer hingehört hat, und gebt lieber seinen Geschwistern aus Fleisch und Blut endlich Gerechtigkeit!
Alexander Bauer, Günzburg