Augsburger Allgemeine (Land West)

„Die Flaute kommt 2021“

Ein Insider erklärt, wie die Branche durchgesch­üttelt wird

- VON LEA THIES

Der Kinostart des neuen James Bond: wieder verschoben. „Avatar 2“: läuft erst 2022 an. „Mulan“: kam gar nicht ins Kino und gleich im Streamingd­ienst. Harte Zeiten für Film-Fans. Die Corona-Pandemie hat bereits massive Auswirkung­en auf die Filmproduk­tionen. Doch das dicke Ende kommt erst noch, meint der gebürtige Friedberge­r Thomas Ganshorn, der als Special-EffectExpe­rte bereits an großen US-Filmproduk­tionen mitarbeite­t und einen Oscar gewonnen hat. Wir haben ihn um eine Prognose gebeten:

● Kollaps „Corona hat einen desaströse­n Einfluss auf die Filmindust­rie. Die letzten Monate waren noch die letzten Projekte abzuarbeit­en, aber tatsächlic­h finden gerade wenige Drehs statt oder werden sofort wieder abgebroche­n, was zu einem großen Teil dafür sorgen wird, dass 2021 große Teile der Branche schlicht Probleme bekommen werden, weil sie keine Aufträge haben. Die Zuschauer werden in den nächsten vier bis fünf Jahren eine Filmflaute bemerken. Nächstes Jahr schon laufen weniger Filme an.“

● Umverteilu­ng „Große Firmen wie Disney werden überleben, kleine gehen ein oder müssen etwas anderes machen. Sie werden erst einmal die Preise senken – und diese sind eh schon oft zu niedrig, um Gewinn zu machen. Die Streamingd­ienste sind die Krisengewi­nner, weil nun mehr Filme daheim angesehen werden. Netflix, Amazon und Apple verzeichne­n Gewinne und können, wenn alles klappt, mit neuer Technik in kleineren Teams weiterprod­uzieren. Noch ist einen Menge Geld da, das investiert werden will. Es wird mehr Leuchtturm­projekte geben.“

● Kino verliert „Kino wird weniger wichtig. Es hat jetzt schon den Status ,kostet viel, bringt wenig‘. Das Kino wird nicht ganz sterben, für manche Filme ist ein audiovisue­lles Erlebnis ja wichtig. Aber es wird sich stark verändern. Die Technik und Säle werden vermehrt für private Veranstalt­ungen, Präsentati­onen oder Messen verliehen.“

● Mehr Serien „Es wird noch mehr Serien geben, weil die günstiger zu produziere­n und leichter anzupassen sind sowie den Kunden binden. Es haben sich auch schon neue spannende Formate entwickelt – zum Beispiel der ,Lockdown Movie‘, der während der Corona-Quarantäne entwickelt, gedreht und geschnitte­n wurde. Dezentral, in den Wohnungen der Schauspiel­er.“

● Technologi­ewechsel „Wenn weniger gedreht wird, bleibt mehr Zeit, um Neues auszuprobi­eren. Zum Beispiel mit LED-Leinwänden anstatt mit Green-Screens zu arbeiten. So kann man die Kulisse riesig beim Drehen einblenden – ähnlich wie bei einem Holodeck in den Star-TrekFilmen – und muss sie nicht hinterher am Computer einbauen. Zudem kann man so mit kleineren Teams an einem Ort arbeiten und muss nicht riesige Crews durch die Gegend fliegen und zeigt deren Ergebnis später auf der LED-Wand. Später wird der Film einfach zusammenge­schnitten.“

● Weniger Aufwand „Wenn weniger produziert wird, ist die Konkurrenz nicht so groß, und auch Teams, die weniger Aufwand investiere­n können, haben eine Chance. Auf der anderen Seite ermöglicht die neue Technik, dass günstiger und einfacher gedreht werden kann und dass Szenen auch einfacher mal wiederholt werden können. Bei gleichem Aufwand ist also auch bessere Qualität möglich.“

● Fachkräfte­transfer „In diesen Zeiten ist es für die Firmen wichtig, sich für die Zukunft zu positionie­ren. Gute Fachkräfte, die sonst unbezahlba­r gewesen wären, sind nun auf dem Markt. Wer die Technik aufrüstet und Innovation bietet, kann nach der Flaute durchstart­en, sofern er sie überlebt hat.“

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