Augsburger Allgemeine (Land West)

Corona darf das Stadtleben nicht mehr abwürgen

Augsburg hält trotz Corona am Christkind­lesmarkt fest, wenn auch in etwas anderer Form. Es ist richtig, in diesen Zeiten vor allem nach Lösungen und nicht nur nach Problemen zu suchen

- VON JÖRG HEINZLE

Njoeh@augsburger‰allgemeine.de

ichts ist normal in diesem Corona-Jahr in Augsburg – schon gar nicht, was die größeren Veranstalt­ungen angeht. Auf dem Plärrer stand kein Volksfest, aber immerhin gab es über mehrere Wochen einen Vergnügung­spark. Die Herbstdult dauert nicht so lange wie sonst, es gibt weniger Stände in größerem Abstand zueinander – aber immerhin gibt es den traditions­reichen Augsburger Markt trotz der Pandemie. Ganz ähnlich ist es mit dem Christkind­lesmarkt. Auch er wird aller Voraussich­t nach anders aussehen in diesem Jahr. Um größere Menschenme­ngen zu vermeiden, soll es keine Glühweinst­ände auf dem Rathauspla­tz geben, sondern über die Plätze in der Augsburger Innenstadt verteilt, unter anderem auf dem EliasHoll-Platz und auf dem Königsplat­z. Es wird anders werden.

Aber immerhin: Auch der Christkind­lesmarkt soll stattfinde­n. Das ist ein gutes Zeichen.

Andernorts, vor allem in kleineren Städten und Gemeinden, werden die Weihnachts­märkte inzwischen reihenweis­e abgesagt. Die Gründe dafür sind durchaus nachvollzi­ehbar: Die Organisato­ren, nicht selten sind es auch Vereine und private Initiative­n, sehen sich nicht in der Lage, die von Freistaat vorgegeben­en Hygienereg­eln umzusetzen. Und sie wollen auch nicht das Risiko tragen, für mögliche Verstöße in der Verantwort­ung zu stehen. Schade ist es aber allemal, denn den Orten wird in der Vorweihnac­htszeit etwas fehlen.

Dass es in Augsburg nach jetzigem Stand einen Markt geben wird, ist eine gute Entscheidu­ng der Stadt. Es ist auch zu verantwort­en. Denn die Erfahrung hat gezeigt: Der Vergnügung­spark auf dem Plärrer entwickelt­e sich nicht zum Infektions­herd, auch der „Sommer in der Stadt“mit Fahrgeschä­ften und einem Kulturbier­garten am Kö war kein Corona-Hotspot. Es war auch richtig, im Sommer das

Nachtleben, das sich vor allem auf den Straßen und Plätzen in der Innenstadt abspielte, nicht ganz zu unterbinde­n. Man kann Menschen nun einmal nicht monatelang unter Hausarrest stellen. Es ist zutiefst menschlich, erst recht bei Jüngeren, dass man das Leben auch spüren will. Ein Totalverbo­t hätte wohl eher zu mehr Trotz, Unverständ­nis und Wut geführt. Die Infektions­zahlen sind, trotz vieler lauer Sommernäch­te, nicht in die Höhe geschnellt.

Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) hat ihren Kurs in Sachen Corona immer wieder so zusammenge­fasst: Sie wolle möglich machen, was möglich sei. Man kann es auch anders formuliere­n: Nicht in erster Linie nach Problemen suchen, sondern nach Lösungen. Bedenken muss man bei alledem auch: Gerade der Christkind­lesmarkt ist ein wichtiger Wirtschaft­sfaktor. Nicht nur für die Händler, die dort ihre Stände aufbauen. Eine attraktive Innenstadt ist zudem für den durch Corona heftig gebeutelte­n Einzelhand­el wichtig, ebenso für die Gastronomi­e, die zu kämpfen hat. Die bitteren Nebenwirku­ngen von Corona sind hier noch gar nicht alle abzusehen. Es wird in nächster Zeit noch eine ganze Reihe von Firmen, Geschäften und Lokalen aufgeben müssen. Eine Innenstadt ohne Adventssti­mmung – das würde nicht nur vielen Augsburger­n und Besuchern fehlen, es wäre auch ein wirtschaft­licher Super-GAU, den es zu vermeiden gilt.

Natürlich ist jetzt noch nicht klar, wie sich die Situation in den nächsten Wochen entwickeln wird. Auch die Händler des Christkind­lesmarktes werden in diesem Jahr mit einer gewissen Unsicherhe­it leben müssen. Die Stadt ist dabei aber gut beraten, nicht alleine auf die Infektions­zahlen zu schauen, sondern die Lage genauer zu analysiere­n. Alleine das Überschrei­ten eines „Warnwerts“darf noch kein Anlass sein, sofort alles abzusagen. Wichtig ist etwa, wie sich die Situation in den Kliniken entwickelt – und hier sieht es nach wie vor gut aus. Laut dem Register der Vereinigun­g für Intensiv- und Notfallmed­izin wurden in Augsburg – Stand Freitag – aktuell nur zwei Covid19-Patienten auf der Intensivst­ation behandelt und beamtet. 33 Intensivbe­tten waren frei. Es zeigt sich auch, dass die Krankheit bei jüngeren Menschen wohl überwiegen­d mild oder auch symptomfre­i verläuft. Deshalb ist auch das Alter der Infizierte­n entscheide­nd.

Es wird noch eine Weile dauern, bis sich die Sehnsucht vieler Menschen nach echter Normalität erfüllt. Es gilt bis dahin, gerade Risikogrup­pen zu schützen. Die Pandemie darf das Leben in der Stadt aber nicht mehr ganz abwürgen, wie noch im Frühjahr. Es geht um einen ausgewogen­en und vernünftig­en Kurs, mit möglichst wenig Verboten, sondern Lösungen. Und mit Erklärunge­n, warum wie entschiede­n wird. Das ist keine neue Erkenntnis, aber in diesen CoronaZeit­en noch wichtiger als sonst.

Der Markt ist ein wichtiger Wirtschaft­sfaktor

 ?? Foto: Klaus Rainer Krieger ?? Im Frühjahr hatte die Pandemie das Leben in der Stadt zum Erliegen gebracht.
Foto: Klaus Rainer Krieger Im Frühjahr hatte die Pandemie das Leben in der Stadt zum Erliegen gebracht.
 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Augsburg will trotz Corona den Christkind­lesmarkt veranstalt­en ‰ allerdings anders.
Foto: Silvio Wyszengrad Augsburg will trotz Corona den Christkind­lesmarkt veranstalt­en ‰ allerdings anders.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany