Augsburger Allgemeine (Land West)
„…dass immer die Möglichkeit des großen Gewinns bestand“
der Seite derjenigen, die zu viel hergeben und zu wenig kriegen dafür“.
Dazwischen wird immer wieder Zucker gestreut, dieses süße, die Gier entfachende Gift. Am pointiertesten ist die Metapher, das Streben nach Mehr am freien Markt, die unheilvolle Liaison von Lust und ungezügelter Wirtschaft, in einem Zitat aus einer Adam-Smith-Biografie. Da wird beschrieben, wie der Vater der klassischen Nationalökonomie „einmal beim Tee, ohne sich überhaupt an den Tisch zu setzen, Zucker um Zucker aus einer Zuckerschale genommen habe, bis die Gastgeberin, eine ältere Dame, zuletzt nicht mehr anders zu helfen gewusst habe, als die Schale zu sich ,auf ihre eigenen Knie‘ zu nehmen, um den Zucker vor Smiths ,unökonomischen Zugriffen‘ zur retten“.
Auch Elmiger taucht immer wieder auf, analysiert den Text, seine Entstehung, sein Leistungsvermögen, über das verhinderte „Erzählen“. Denn es sei einfach so, „dass immer alles Mögliche geschieht, während ich da an meinem Schreibtisch sitze (...), Leute in orangenen Westen gehen mit Zollstöcken auf dem Dach des Nachbargebäudes umher, und jemand schickt mir eine Nachricht aus Antigua Guatemala, und das muss natürlich alles erzählt werden, weil das ja die Bedingungen sind, unter denen der Text entsteht, also die Verhältnisse, in denen ich schreibe“.
Dabei forscht Elmiger der eigenen Lust, dem Lebenshunger, der eigenen zerstörerischen Begierde nach Zucker nach: Dazu gibt es immer wieder Episoden mit einem gewissen C., der zunächst nicht so greifbar ist, wie sich die das Verhältnis beschreibende Frau wünscht. Die dann doch erfahrene Liebe genügt aber letztlich nicht. Es ist das künstliche Ich von Elmiger.
Sie selbst, Jahrgang 85, ist Schweizerin und lebt in Zürich. 2010 debütierte sie mit „Einladung an die Waghalsigen“, vier Jahre später erschien der Roman „Schlafgänger“. Ausgezeichnet wurde sie schon mehrfach. Nun, sechs Jahre später, also „Aus der Zuckerfabrik“. Das Ergebnis ihrer Recherche könne „eine flüchtige Form der Erkenntnis sein“, die es so vielleicht nur in der Literatur gebe, sagt Elmiger. Dazu gehört ganz unbedingt auch dieser gezuckerte Satz: „Je vivais le plaisir comme une future douleur.“Vergnügen, erlebt wie ein künftiger Schmerz. Stefan Küpper