Augsburger Allgemeine (Land West)
Mann, Mann, Mann
Andreas Steinhöfel Fabelhaft, wie der Autor die „Rico, Oskar“-Reihe beendet
überreden könnte, bei diesem Geschäft nicht mitzumachen, meint Rico in seiner geradlinigen Logik, dann wäre der Spielplatz gerettet. Doch wegen dieses großen „Mistverständnisses“, das Rico und Oskar entzweit, muss nun jeder für sich in Aktion treten. Rico in einem Dorf in der hessischen Provinz, in das die Spur des abgängigen Bruders führt. Oskar in Berlin, wo er den unsauberen Geschäften des Immobilienmaklers auf die Schliche kommt.
Dumm nur, dass Rico bisher ja der Erzähler der gemeinsamen Abenteuer war. Andreas Steinhöfel greift deshalb zu einem literarischen Kniff: Rico, der versierte Tagebuch-Schreiber, wird nun selbst zum Romanautor und schreibt die Erlebnisse seines Freundes, von denen er später erfährt, nieder. Hier kommt nun die eingangs erwähnte „Kurzmaler“, wie Rico sie nennt, ins Spiel: Der Roman im Roman, typografisch und farblich abgehoben vom Rest des Buches, ist im Stil der Schmonzetten der Schriftstellerin geschrieben – „mit vornehmer Sprache und edlen Figuren“, wie sich Rico vornimmt. Draufgebracht hat ihn die Lektüre von „Griseldis“, die er während der Zugfahrt nach Hessen gelesen hat und von der er begeistert war. So entstehen „Oscars kapitale Abenteuer“, die in Berlin im Jahr 1907 spielen, wo sich der Junge zwischen Pferdefuhrwerken und Gaslaternen bewegt.
Andreas Steinhöfel verwebt diese beiden Handlungsstränge und Erzählstile ohne Bruch und vermittelt seinen jungen Lesern gleichzeitig die Vielfalt literarischen Schreibens. Manchmal ist das herausfordernd, auch komplexer als in den vorherigen Bänden, ein großer Spaß (bestimmt auch für den Autor) ist es allemal. Noch dazu weil Steinhöfel es nicht bei der Referenz auf CourthsMahler belässt. Das Buch durchzieht ein Spiel mit Anspielungen auf eigene Werke sowie Kinderklassiker wie „Heidi“, „Jim Knopf“und – naheliegend – „Emil und die Detektive“. Aber keine Angst vor literarischer Überforderung. Auch wer bei diesem Spiel nicht mitmachen kann, wird seine Freude an diesem vielschichtigen Kinderbuch haben. Denn „Rico, Oskar und das Mistverständnis“ist in erster Linie eine großartige, mit speziellem Humor und Sympathie für die Figuren geschriebene Freundschaftsgeschichte, in der keiner Angst haben muss, wegen seines Andersseins verurteilt zu werden. Sogar die Dracula-Frau kommt am Schluss noch gut weg.
Birgit Müller-Bardorff
Andreas Steinhöfel: Rico, Oskar und das Mistverständnis Carlsen,
336 Seiten, 16 Euro
– ab 10 Jahren