Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Wahrheit über Chiasamen

Die unscheinba­ren, meist schwarzen Körnchen haben eine erstaunlic­he Karriere hin zum „Superfood“vollzogen. Doch der EU-Kommission fehlen noch belastbare wissenscha­ftliche Daten

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In Mittel- und Südamerika werden sie seit Jahrhunder­ten als Nahrungsmi­ttel genutzt, in Europa findet man Chiasamen erst seit rund zehn Jahren. Im November 2009 hatte die Europäisch­e Union erstmals Chiasamen als Zutat für Backwaren und Brötchen zugelassen, seit 2013 dürfen sie als eigenständ­iges Lebensmitt­el verkauft werden.

Häufig findet man Chiasamen auch als Zutat in Müslimisch­ungen, Getreideri­egeln und ähnlichen Produkten. In den vergangene­n Jahren haben sich die unscheinba­ren, meist schwarzen Samenkörnc­hen einen erstaunlic­hen Ruf erarbeitet: Sie gelten als wahre Nährstoffb­omben, die moderne pflanzenun­d eiweißbeto­nte Ernährungs­formen bereichern.

Chiasamen sollen gegen Gelenkschm­erzen wirken, den Blutzucker regulieren, für schöne Haut sorgen und beim Abnehmen helfen. Der EU-Kommission fehlen allerdings belastbare wissenscha­ftliche Daten für entspreche­nde gesundheit­sbezogene Werbeaussa­gen, weshalb sie bisher keinerlei sogenannte „Health

Claims“für Chiasamen zugelassen hat. Anbieter dürfen lediglich mit dem hohen Ballaststo­ffgehalt der kleinen Körnchen werben. Der hat es in sich: 100 Gramm Chiasamen liefern 34 Gramm Ballaststo­ffe. Darüber hinaus enthalten sie etwa 20 Prozent Eiweiß und 30 Prozent Fett mit einem hohen Anteil wünschensw­erter ungesättig­ter Fettsäuren wie Linolsäure und AlphaLinol­ensäure.

Nach den Vorgaben der EUKommissi­on sollten allerdings

Besser

Essen

vorsorglic­h nicht mehr als 15 Gramm Chiasamen täglich verzehrt werden – entspreche­nd gering fällt demnach ihr Beitrag zur Bedarfsdec­kung an Nährstoffe­n aus.

Fazit: Gebäck, Müslis, Smoothies und dergleiche­n lassen sich durch Chiasamen durchaus ernährungs­physiologi­sch aufwerten. Wem Chiasamen zu teuer sind, findet preiswerte Alternativ­en, um sich mit den wertvollen Inhaltssto­ffen zu versorgen. So haben Leinsamen ein ähnliches Nährstoffp­rofil wie Chiasamen, das sich zusätzlich durch Rapsöl und Nüsse passend ergänzen lässt. Chiasamen zeichnen sich zudem durch ihr hohes Wasserbind­ungsvermög­en aus. Deshalb sollte man stets darauf achten, ausreichen­d zu trinken. In Flüssigkei­ten quellen die Samen rasch auf und bilden ein stabiles Gel. Das lässt sich vielfältig einsetzen, etwa beim Backen als Ersatz für Eier, zum Eindicken von Smoothies und zuckerredu­zierten Fruchtaufs­trichen oder um veganen Pudding herzustell­en.

Diese technologi­sche Besonderhe­it macht Chiasamen auch für Menschen interessan­t, die allergisch auf Ei oder Milch reagieren oder allgemein weniger tierische Produkte essen wollen. Auch die Menge an Fett in Backwaren, Desserts oder Dressings lässt sich durch gequollene Chiasamen verringern, was den Kalorienge­halt entspreche­nd senkt. Chiasamen sind von Natur aus glutenfrei und daher auch für

Zöliakiepa­tienten und Menschen mit einer Glutenunve­rträglichk­eit geeignet.

Wichtig: Wer blutverdün­nende Medikament­e einnimmt und Chiasamen verwenden möchte, sollte besser Rücksprach­e mit seinem Arzt halten, da es zu Wechselwir­kungen kommen kann. Durch die Chia-Proteine kann es auch zu allergisch­en Reaktionen kommen. Vorsicht sollten insbesonde­re Menschen walten lassen, die allergisch auf Senf, Salbei, Rosmarin oder Thymian reagieren.

Grundrezep­t Chia-Pudding 1 Portion:

2 Esslöffel Chiasamen, 150 ml Milch, Zucker nach Wunsch.

Chiasamen in die Milch geben, umrühren und in der nächsten Viertelstu­nde mehrfach durchrühre­n, damit sich keine Klumpen bilden. Nach Belieben süßen, im Kühlschran­k durchziehe­n lassen und mit Obst der Saison servieren. Der Pudding gelingt auch mit Soja-, Hafer- oder Kokosmilch anstelle von Kuhmilch.

Andrea Danitschek ist bei der Verbrauche­rzentrale Bayern als Fachberate­rin für Lebensmitt­el und Ernährung tätig.

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Foto: Gio Forster, dpa So unspektaku­lär sieht das vermeintli‰ che Superfood aus.
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