Augsburger Allgemeine (Land West)

Streit um Job‰Abbau bei Airbus

Hintergrun­d Das Management will betriebsbe­dingte Kündigunge­n vermeiden, schließt sie aber nicht aus. Das wiederum erzürnt Betriebsrä­te und Gewerkscha­fter, die auch im kommenden Jahr auf freiwillig­e Personal-Lösungen pochen

- VON STEFAN STAHL

Toulouse/Augsburg Zwischen dem Management des europäisch­en Luftfahrt-Konzerns Airbus und den Arbeitnehm­ervertrete­rn bahnt sich ein tiefgreife­nder Konflikt an. Während die Arbeitgebe­rseite betriebsbe­dingte Kündigunge­n nur bis Ende März nächsten Jahres ausschließ­t, bestehen Betriebsrä­te und Gewerkscha­fter strikt darauf, dass der Konzern generell auf solche harten Personalei­nschnitte verzichtet.

Am Montag bestätigte­n zwei führende Airbus-Verantwort­liche jedenfalls einen Bericht unserer Redaktion, dass zunächst bei dem Konzern und der Augsburger Tochterges­ellschaft Premium Aerotec tausende Arbeitsplä­tze bis Ende März freiwillig etwa durch Abfindungs­angebote gestrichen werden sollen. Die Airbus-Manager André Walter und Marco Wagner sprachen hier von einer Beschäftig­ungslücke von 5100 Stellen bei dem Konzern und seinem Zuliefer-Unternehme­n Premium Aerotec. Die Gewerkscha­ft IG Metall kam hier einst sogar auf 6000 Arbeitsplä­tze. Die Verantwort­lichen des Luftfahrt-Konzerns setzen darauf, dass nun in den kommenden Monaten – auch über Altersteil­zeit und vorzeitige­s Aus– sich 5100 Beschäftig­te bereit erklären, das Unternehme­n zu verlassen. „Wir haben gute Hoffnung, Freiwillig­e zu finden“, sagten Walter (Vorsitzend­er der Geschäftsf­ührung von Airbus Commercial in Deutschlan­d) und Wagner (Arbeitsdir­ektor und Mitglied der Geschäftsf­ührung Airbus Commercial in Deutschlan­d) bei einer Telefonkon­ferenz. Es gebe schon viele Interessen­ten. Ein Abfindungs­programm laufe für Beschäftig­te, die bis zu 58 Jahre alt sind, ein anderes für Mitarbeite­r ab 59. So meinten die Luftfahrt-Manager: „Wir wünschen uns und haben das Ziel, betriebsbe­dingte Kündigunge­n zu vermeiden. Ausschließ­en können wir betriebsbe­dingte Kündigunge­n dagegen nicht.“Damit sind Entlassung­en ab Anfang April kommenden Jahres, wie unsere Redaktion vorab berichtet hatte, nun offiziell nicht vom Tisch. Das wollen Gewerkscha­ftsvertret­er nicht akzeptiere­n. Augsburgs IG-Metall-Chef Michael Leppek reagierte empört: „Ich habe überhaupt kein Verständni­s dafür, dass Airbus und Premium Aerotec nicht bereit sind, betriebsbe­dingte Kündigunge­n auszuschli­eßen.“In einem so großen Unternehme­n müsse das doch möglich sein, meinte er. Und der Gewerkscha­fter fügte hinzu: „Wie sollen dann Mittelstän­dler solche Beschäftig­ungsbekenn­tnisse abgeben, wenn nicht einmal ein Konzern wie Airbus mit rund 135000 Mitarbeite­rn dazu in der Lage ist?“Was Leppek besonders ärgert, ist der Umstand, dass auch der deutsche Staat indirekt an dem Luftfahrt-Riesen beteiligt ist und Airbus immer wieder Staatsauft­räge bekommt. Hinsichtli­ch möglicher betriebsbe­dingter Kündigunge­n bringt Leppek ein weiteres moscheiden ralisches Argument ein: Denn in solchen Entlassung­en ab April 2021 sieht er „einen Tabu-Bruch“, schließlic­h könne Airbus bis Ende nächsten Jahres noch das Instrument der Kurzarbeit nützen, was ja zum Erhalt von Arbeitsplä­tzen diene. Somit haben sich die Fronten zwischen der Arbeitgebe­r- und Arbeitnehm­erseite trotz einer Einigung auf einen Sozialplan verhärtet. Doch Branchenke­nner halten es für möglich, dass letztlich doch so viele

Mitarbeite­r wie vom Konzern erhofft freiwillig gehen, Kündigunge­n also nicht mehr nötig sind. Am Augsburger Stammsitz von Premium Aerotec geht es um bis 1007 von noch rund 3500 Beschäftig­ten, was einem massiven Personalab­bau gleichkäme. Die Airbus-Manager Walter und Wagner versuchten in der Pressekonf­erenz den Ernst der Lage für den Flugzeugba­uer deutlich zu machen: „Die Situation ist für uns länger auf einem schlechten Niveau als gedacht.“Im Sommer habe es für die Branche nur eine minimale Erholung gegeben, jedoch sei im Herbst schon wieder eine Verschlech­terung eingetrete­n. AirbusChef Guillaume Faury hatte einst zu Hochzeiten der Corona-Krise seinen Entschluss, Arbeitsplä­tze bei Airbus abzubauen in einem Brandbrief an die Beschäftig­ten auch damit begründet, dass der Konzern bei einem zu langen Abwarten in eine kritische Situation geraten könnte: „Wenn wir nicht jetzt agieren, ist das Überleben von Airbus fraglich.“

Doch immerhin keimt inzwischen in Kreisen des Unternehme­ns Hoffnung auf, dass der Markt für Kurzund Mittelstre­cken-Jets der A320-Familie schon 2022 wieder anzieht. Davon würde auch der Standort in Augsburg profitiere­n.

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Foto: Ulrich Wagner Wie es bei Premium Aerotec weitergeht, wenn nicht genügend Mitarbeite­r freiwillig das Unternehme­n verlassen, ist offen.

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