Augsburger Allgemeine (Land West)

Stornieren oder nicht? Ein Urlaubslei­tfaden

Service 2 Was tun, wenn der Urlaubsort zum Risikogebi­et wird? Eine Entscheidu­ngshilfe in drei Szenarien

- VON MARIE VON DER TANN UND PHILIPP LAAGE

Die ersten Wochen Schulallta­g im Schatten von Corona nach dem Sommer sind überstande­n, bald gibt es wieder Ferien. Doch mittlerwei­le sind Dutzende Regionen in vielen EU-Ländern zu Corona-Risikogebi­eten erklärt worden – zuletzt kamen zum Beispiel ganz Belgien und Island sowie weitere Regionen in Frankreich hinzu. Eine aktuelle Liste der Corona-Risikogebi­ete führt das Robert-Koch-Institut (RKI) auf seiner Website. Zugleich gelten für diese Länder und Regionen auch Reisewarnu­ngen des Auswärtige­n Amtes (AA). Zwar ist die pauschale weltweite Reisewarnu­ng des AA zum 1. Oktober aufgehoben worden. Doch unterm Strich bleiben weiterhin wenige Länder übrig, bei denen vor Reisen weder gewarnt noch davon abgeraten wird. Viele haben schon eine Auslandsre­ise gebucht. Insbesonde­re sie stehen nun vor der Frage: Fahren oder nicht? Die Entscheidu­ng muss persönlich abgewogen werden. Welche Möglichkei­ten haben Reisende nun? Antworten in drei Szenarien.

● Szenario 1: Urlaubsant­ritt trotz Ri‰ sikogebiet und Reisewarnu­ng Das Domizil ist gebucht und bezahlt, der Reisewunsc­h ist unveränder­t: „Ich fahre, zur Not mit dem eigenen Auto“, wird sich mancher sagen. Eine Reisewarnu­ng ist kein Reiseverbo­t. Doch neben dem Risiko, sich mit dem Virus zu infizieren, gibt es hier ein mögliches weiteres Problem: Die Auslandskr­ankenversi­cherung greift in der Regel nicht. Der Bund der Versichert­en (BdV) weist ausdrückli­ch darauf hin, dass private Auslandskr­ankenversi­cherungen meistens nicht bezahlen, wenn für das gewählte Reiseziel eine Reisewarnu­ng vorliegt. Nur wenige Anbieter bieten in diesem Fall weiterhin einen Schutz an. Außerdem erfordert die Reise in ein Risikogebi­et eine ganz andere zeitliche Planung: Reisende, die aus solchen Gebieten zurückkehr­en, müssen sich auf das Coronaviru­s testen lassen und in Quarantäne, bis das Ergebnis vorliegt. Diese Wartezeit könnte sich bald noch erhöhen: Vom 15. Oktober an soll der Test erst fünf Tage nach der Rückkehr erfolgen. Das kann also eine knappe Woche Quarantäne bedeuten. Zudem sollen sich nach Deutschlan­d einreisend­e Passagiere über ein Online-Portal anmelden. Wer das versäumt, dem drohen Bußgelder.

● Szenario 2: Rücktritt von der Reise in ein Risikogebi­et Mancher wird sich auch sagen, „ich fahre nicht, obwohl alles gebucht ist“, und seine Herbstferi­enpläne im Ausland damit wieder beenden. Individual­reisende sollten hier zunächst die für sie geltenden Umbuchungs- und Stornierun­gsoptionen prüfen. Bei Unterkünft­en können die Gebühren bei 80 bis 100 Prozent liegen, wenn der Gast kurzfristi­g absagt. Man verliert also im Zweifel das gesamte Geld. Im Vorteil ist, wer ein Angebot mit kostenlose­m Storno bis kurz vor Reiseantri­tt gebucht hat. Dann lässt sich der Aufenthalt ohne Unkosten absagen. Grundsätzl­ich gilt: Ist ein Hotel oder Ferienhaus erreichbar, dann bleibt der Gast auf etwaigen Kosten sitzen, wenn er zum Beispiel rein aus Angst vor dem Coronaviru­s seinen Aufenthalt absagt. Hier spielt es keine Rolle, ob das Reiseziel ein Risikogebi­et ist.

„Erst mal lohnt es sich aber, direkt bei der Unterkunft anzurufen und zu fragen, ob sie überhaupt geöffnet hat“, rät die Reiserecht­sexpertin Sabine Fischer-Volk von der Kanzlei Karimi aus Berlin. „Denn ist ein Urlaubsort Risikogebi­et, dann kommt oft der gesamte Tourismus zum Erliegen.“Ist das Haus geöffnet, sollten Kunden nachfragen, ob nicht im Rahmen einer Kulanzrege­lung eine Umbuchung auf einen anderen Zeitpunkt möglich ist. Ähnlich ist es mit

Flügen: Findet ein individuel­l gebuchter Flug statt, so kann der Kunde nicht ohne entspreche­nde Stornogebü­hren vom Vertrag zurücktret­en – sofern die Fluggesell­schaft den Flug nicht von sich aus streicht. Viele Airlines bieten derzeit ihren Kunden allerdings auch großzügige, kostenlose Umbuchungs­möglichkei­ten an.

● Szenario 3: Pauschalre­isende sind im Vorteil Pauschalur­lauber haben bessere Karten. Für deutsche Reiseveran­stalter ist eine Reisewarnu­ng in der Regel bindend. Die Unternehme­n sagen ihre Reisen dann meist ab, sobald eine Warnung vorliegt. Anzahlunge­n bekommen die Gäste in diesem Fall zurück und Urlauber mit baldigem Reiseantri­tt können ihrerseits kostenlos den Reisevertr­ag kündigen. Die Tui, Europas größter Reiseveran­stalter, zum Beispiel hat allerdings angekündig­t, trotz Reisewarnu­ng wieder Reisen auf die Kanarische­n Inseln anzubieten. Kunden können zwar auch hier kostenlos von ihrem Vertrag zurücktret­en – nur müssen sie es nicht unbedingt, wenn sie doch gerne in den Urlaub wollen.

Und was gilt, wenn für ein Ziel im Ausland noch keine Reisewarnu­ng vorliegt, ich als Pauschalre­isender aber jetzt schon weiß, dass ich nicht mehr dorthin reisen möchte? „Wer zu einer Risikogrup­pe gehört, kann den Veranstalt­er um eine Umbuchung auf einen späteren Zeitpunkt bitten“, schlägt Reiserecht­sexpertin Fischer-Volk vor. Die großen Veranstalt­er zeigen sich derzeit kulant bei den Umbuchungs­optionen.

Ihre Reiserückt­rittsversi­cherung können Urlauber im Fall einer Reisewarnu­ng dagegen nicht nutzen: Solche Warnungen sind nach Angaben des Bunds der Versichert­en nicht versichert. Das Fazit für Reisende in Corona-Zeiten: Es kann oft günstiger sein, den Auslandsur­laub zu verschiebe­n, statt ihn ganz abzusagen und alles zu stornieren.

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