Augsburger Allgemeine (Land West)
Überraschungscoup
Mozartfest Mozart pur mit Thomas Zehetmair
Mozart war in der Ulrichskirche förmlich zu greifen: Etliche Rollen in sich zu vereinen, hatte dabei Thomas Zehetmair: Als „Primus inter Pares“reihte sich der Meistergeiger unter die in etwa 20 Streicher, als Dirigent des Stuttgarter Kammerorchesters gab er als „spiritus rector“den Ton an, und nicht zuletzt als beherzter Solist trat er konzertant bei diesem Mozartfest-Konzert hervor. In Mozarts 3. Violinkonzert begann er in dieser Tripelrolle aufzugehen.
Heiter, ja ausgelassen wurde musiziert, Feststimmung machte sich breit. Mozart, vorwärts gerichtet, gewann rasanten Drive, zeigte rhythmischen Biss. Klangliche Finessen konnte Zehetmair nicht voll ausloten, hatte er doch alle Hände voll zu tun, saßen zudem seine Musiker großflächig verteilt. Zu Recht trug dieses Konzert so barocke Züge, ein Mozart à la Harnoncourt, fern aller Rokoko-Rüschen. Wie Mozart dieses Genre vorantreibt, ließ aufhorchen. Überraschungsmomente würzten die herzhafte Interpretation.
Im subtil ausmusizierten Adagio federte die Mikro-Rhythmik als stetig treibender Impuls, über dem sich die Sologeige melodisch verdichtete. „Musik in der Musik“klang im finalen Rondo auf. Spitzes Moll-Pizzicato initiierte einen derben Kontretanz – der Solist als Tanzmeister – ehe der Spuk tempogeladen zerstob.
Progressiv entfaltete Zehetmair, ganz musikalisches Vollblut, diese drei Sätze und überbrückte kunstfertig etwaige Bruchstellen.
Als energiegeladenes Meisterwerk gewann die Prager Sinfonie imposante Größe, ging im Fahrwasser der Opern „Figaro“und „Don Giovanni“auf große, sinfonische Fahrt. Gespeist aus ein- und demselben dramatischen Nährboden wahrte der Dirigent den hohen leidenschaftlichen Ton. In diesen drei groß angelegten, sinfonischen Sätzen bleibt so für ein Menuett kein Platz. Mozarts Botschaft, das Erhabene mit Witzigem zu kreuzen, profilierte das Orchester. Es ist jene kapriziöse Heiterkeit, die unvermittelt ins Dramatische umschlägt – eines bedingt das andere. Dieses Widersprüchliche kam bestens zur Geltung, hellwach reagierte das Orchester, streifte formale Fesseln ab.
So zielte das dramatische Potenzial der Einleitung auf den unruhigen Herzschlag Don Giovannis ab, den das Hauptthema des Kopfsatzes aufzugreifen schien, um ihn darauf kraftvoll zu verdichten. Subtil setzte das Andante seinen Schritt, spann sich polyphon ein, grazil verdunkelten die Mollwendungen, während das erregte Finale trotz aller Kapriolen seelentief berührte. Anschmiegsam die klangsatten Streicher, aufleuchtende Oboenfinesse, warm die Böhmflöten, zurückhaltend die barocken Trompeten: Trefflich aufklingend zog Mozarts großer Coup in Bann.