Augsburger Allgemeine (Land West)
Sie werden noch Jahrzehnte hier stehen
Radioaktivität Bis zum Jahr 2046 ist das Atommüll-Zwischenlager in Gundremmingen genehmigt. Doch für die zuständige Bundesgesellschaft ist klar: Die Einrichtung wird länger benötigt. Ein Besuch
Gundremmingen In der aktuellen Debatte um die Suche nach einem Endlager für atomaren Abfall hat Günzburgs Landrat eines bereits deutlich gemacht: Hans Reichhart (CSU) erwartet vom Bund, dass das Zwischenlager am Kernkraftwerk Gundremmingen nicht länger als bis zum Jahr 2046 betrieben wird. Dann läuft die Genehmigung aus, und länger will er es hier nicht stehen haben. Doch da derzeit für die Fertigstellung eines Endlagers bereits das Jahr 2050 angepeilt wird, dürfte daraus nichts werden. Dieser Tage wurde im Zwischenlager Castorbehälter 77 eingelagert – und bei einem Besuch unserer Zeitung machen auch die dort Verantwortlichen klar: 2046 ist nicht zu halten.
Seit 1992 arbeitet Ulrich Kastner in Gundremmingen. Bis zur Abschaltung von Block B im Atomkraftwerk (AKW), zuletzt als Schichtleiter, und seit dem 1. März 2019 bei der BGZ, der Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung. Er leitet das Zwischenlager, das sich noch auf dem Gelände des Kraftwerks
Ein Castorbehälter wiegt gut 125 Tonnen
befindet. Perspektivisch, frühestens aber 2026 oder 2027, soll sich das ändern. Dann wird es autark sein, mit eigener Versorgung, eigenem Wachschutz – auch wenn der wie schon jetzt im AKW wohl von einer Fremdfirma gestellt werden wird – und einem Zaun.
Derzeit hat die BGZ elf Mitarbeiter in Gundremmingen, die meisten wechselten aus dem Kraftwerk hierher, es sollen einmal 18 werden. Hinzu kommen die Wachen. Kastner hätte wie Kollegen in seinem Alter aus dem Kraftwerk in den Vorruhestand gehen können, doch dafür fühlt er sich noch zu jung. Er hat hier eine Aufgabe gefunden, die ihn interessiert – und die mit einem Auf- statt wie nebenan mit einem Abbau zu tun habe.
Im nächsten Jahr, prognostiziert der 53-Jährige, wird die 92 Plätze bietende Halle 1 voll mit Castoren sein. Halle 2 hat 100. Fürs Beladen ist die Kraftwerksmannschaft zuständig, für das sichere Unterbringen die BGZ. Deren Personal arbeitet in einem Container-Provisorium neben dem Zwischenlager, im Laufe der nächsten Jahre wird hier ein festes Verwaltungsgebäude errichtet.
Per Lastwagen kommen regelmäßig leere Behälter vom Hersteller – verwendet wird nur ein Typ – nach Gundremmingen. Während einer in der Regel zwei bis drei Monate dauernden Belade-„Kampagne“wird im Schnitt alle acht Tage ein neuer
Castorbehälter ins Lager gebracht. Vorher stand er dann für zwei bis drei Tage zum Vorwärmen in einer Schleuse des Reaktorgebäudes. Stichprobenartig werden alle zehn Jahre die Behälter überprüft, aber ständig überwacht, um einem Druckabfall vorzubeugen.
Gut 125 Tonnen schwer ist einer, sein Leergewicht beträgt schon gut 120 Tonnen. Denn er selbst soll seinen Inhalt am besten schützen können, die Wände der Halle sollen ein zusätzlicher Schutz sein. Und die Überwachungskameras, die hier hängen, werden per Fernleitung von der Europäischen Atomgemeinschaft Euratom bedient, erklärt der studierte Produktionstechniker. Wenn die beiden Hallen voraussichtlich Ende 2026 voll und das Kraftwerk somit brennstofffrei sein wird, können dort – wenn die Aufsichtsbehörde es gestattet – die Sicherheitsvorkehrungen zurückgefahren werden, um den Rückbau zu erleichtern. 20 Jahre wären es dann noch bis zum Auslaufen der Betriebsgenehmigung für das Zwischenlager.
Für die Verlängerung wird ein neues Verfahren mit Beteiligung der Öffentlichkeit notwendig werden, erklärt Pressesprecher Stefan Mirbeth. „Darauf bereiten wir uns schon vor.“In anderen Lagern wird die Betriebserlaubnis bereits in den 30er-Jahren auslaufen, da hier früher mit der Arbeit begonnen wurde. Alle Standorte, sagt Mirbeth, müssten mit einer Verlängerung rechnen. Deshalb hat die BGZ bereits eine Forschungsabteilung aufgebaut, um zu untersuchen, was zu tun ist, um die Castorbehälter weiter sicher zu halten. Und auch wenn das Endlager fertig ist, könnten die Zwischenlager nicht innerhalb von zwei Monaten geräumt werden. „Das ist ein sukzessiver Prozess“, erklärt Mirbeth
Und was die Autarkie der Einrichtung angeht: Da kann die Bundesgesellschaft etwa von Grafenrheinfeld
lernen, weil das Kraftwerk früher als Gundremmingen abgeschaltet wurde und somit alle Prozesse früher begannen.
Im nächsten Jahr sollen mindestens 23 Castorbehälter im Zwischenlager Gundremmingen eingelagert werden. Wenn einer „frisch“hier steht, strahlt er noch spürbar Wärme ab, im Laufe der Zeit ist sie dann nicht mehr wahrzunehmen. Wenn Corona kein Thema mehr ist, will sich die BGZ auch mehr öffnen, kleinere Besuchergruppen ins Lager führen und sich der Diskussion stellen – „natürlich auch der kritischen“, sagt Pressesprecher Stefan Mirbeth.