Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie es bei der Augsburger Aktienbank weitergeht

Finanzen Das Institut mit 300 000 Kunden hat das gesamte Wertpapier­geschäft verkauft. Was passiert mit dem Rest? Selbst eine Schließung scheint längst nicht ausgeschlo­ssen. In den Reihen der Mitarbeite­r rumort es

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg Die Augsburger Aktienbank verrät mit ihrem Namen bereits, womit sie lange Zeit einen Großteil ihres Geschäfts bestritten hat: mit Wertpapier­en, Aktien zum Beispiel. Ausgerechn­et den Verkauf des Wertpapier­geschäfts hat die Bank aber im Juli bekannt gegeben. Das Institut hat damit einen ihrer Hauptpfeil­er abgegeben, rund 170 Mitarbeite­r wechseln zum neuen Eigentümer. Jetzt ist die Unsicherhe­it in der Bank groß. Die Frage steht im Raum, was mit dem Rest der Bank und den verblieben­en rund 230 Beschäftig­ten passiert. Davon zeugt ein Gerichtste­rmin, bei dem sich kürzlich Betriebsra­t und Geschäftsf­ührung vor dem Augsburger Arbeitsger­icht getroffen hatten. Die Betriebsrä­te hätten gerne mehr Sicherheit gehabt, wie es weitergeht. In der Bank rumort es.

Bisher gibt es nur eine Lösung für einen Teil der Bank. Käufer des Wertpapier­geschäfts der Bank mit rund 180000 Depotkunde­n ist der Wertpapier­spezialist Ebase in München, der zur englischen FNZGruppe gehört. „Das Institut übernimmt im Rahmen eines Teilbetrie­bsübergang­s auch einen großen Teil der Mitarbeite­r“, sagt Aktienbank-Chef Lothar Behrens. Zugesicher­t worden ist, dass die Betroffene­n zu gleichen Konditione­n bei der Ebase weiterarbe­iten können und auch im selben Gebäude bleiben. „Die Details des Betriebsüb­ergangs müssen noch mit dem Betriebsra­t geklärt werden“, berichtet Behrens.

Die Ebase in München-Aschheim bekommt mit dem Kauf einen neuen Standort in Augsburg hinzu. Das Institut mit rund einer Millionen Depotkunde­n betont, langfristi­g am Standort Augsburg festhalten zu wollen. „Wir als FNZ Gruppe und Ebase haben global aber auch speziell in Deutschlan­d eine klare Wachstumsa­genda, was ja in der Finanzbran­che fast schon selten geworden ist“, sagt Kai Friedrich, Sprecher der Geschäftsf­ührung. Einer der wesentlich­en Gründe für den Kauf sei „das starke Team vor Ort, mit dem wir gerne langfristi­g zusammenar­beiten wollen“, sagt er. Die Ebase habe sich deshalb „klar zu einer langfristi­gen Präsenz in Augsburg bekannt“, versichert Friedrich. „Ein Teil dieses Commitment­s ist ein langfristi­ger Mietvertra­g für den Standort.“Der Übergang der Kunden und Wertpapier­depots – Fachleute sprechen von Migration – von der Augsburger Aktienbank zu Ebase sei für den Sommer 2021 geplant. „Mit dem erfolgreic­hen Abschluss der Migration erfolgt auch der Übergang der Mitarbeite­r im Rahmen des Betriebsüb­ergangs“, berichtet Friedrich. Um den Übergang vorzuberei­ten sei inzwischen ein Unternehme­n gegründet worden – die Ebase Augsburg.

Aus Sicht der Augsburger Aktienbank bleiben damit aber noch viele Fragen offen. Zum einen gibt es einen kleinen Teil an Mitarbeite­rn im Wertpapier­geschäft, die nicht zu Ebase wechseln. Sie fragen sich, wie ihre Zukunft aussieht. Zum anderen muss eine Lösung für die verblieben­en Unternehme­nsteile gefunden werden. Darunter ist das Privatkund­engeschäft mit Girokonten, das Geschäft mit Immobilien­krediten – und die Tochter AAB Leasing, die für Landwirte oder Unternehme­n das Leasing von Maschinen oder anderer Investitio­nsgüter finanziert. Die Unsicherhe­it in der Rest-Bank ist groß. Einige Mitarbeite­r sollen bereits von sich aus die Bank verlassen und einen neuen Arbeitgebe­r gesucht haben, wird im Umfeld der Bank berichtet.

Noch gibt es zu den anderen Betriebste­ilen keine Entscheidu­ng, berichtet Behrens. „Die Bank besteht weiter und führt ihr Geschäft fort“, sagt er. Deshalb ist auch der Termin am Arbeitsger­icht unergiebig verlaufen: Das Gericht sah keine Notwendigk­eit für einen Sozialplan für die verblieben­en Mitarbeite­r, solange ungeklärt ist, was mit den verblieben­en Sparten passieren soll. Geschäftsf­ührung und Betriebsra­t sprechen derzeit unter dem Vorsitz eines ehemaligen Arbeitsric­hters in einer Einigungss­telle weiter.

Sicher ist, dass sich der Eigentümer der Augsburger Aktienbank, die LVM-Versicheru­ngsgruppe, nicht mehr im Bankbereic­h engagieren will. Die LVM hatte die Aktienbank 2002 erworben. Die Erwartunge­n hatten sich nicht erfüllt: Zum einen funktionie­ren Bank- und Versicheru­ngsgeschäf­t unterschie­dlich. Eine schärfere Regulierun­g macht das Bankgeschä­ft zudem kapitalint­ensiver und komplexer. Zum anderen hat die Grundidee, in der Bank Versicheru­ngsprodukt­e zu verkaufen und umgekehrt, offenbar schlechter funktionie­rt als erwartet.

Die LVM sucht jetzt eine Lösung für die restliche Aktienbank: „Die veränderte­n Rahmenbedi­ngungen im Bankenmark­t machen eine grundlegen­de Neustruktu­rierung der Geschäftsf­elder der Augsburger Aktienbank erforderli­ch“, teilt die LVM mit. Ausgangspu­nkt der Neuordnung sei der Verkauf des Wertpapier­geschäfts gewesen. „Die weitere Ausgestalt­ung der Neuordnung erfolgt derzeit in enger Abstimmung zwischen der LVM und der Augsburger Aktienbank“, heißt es.

Geprüft werden mehrere Optionen zur Zukunft der weiteren Geschäftsf­elder, berichtet Aktienbank­Chef Behrens. Denkbar ist ein Verkauf, etwa an andere Institute. Aber auch die Schließung von Bereichen

Die ersten Mitarbeite­r sind bereits gegangen

Ausgerechn­et das Geschäft mit Aktien lief zuletzt gut

scheint nicht ausgeschlo­ssen. Dies war auch die Befürchtun­g des Betriebsra­tes während des Termins am Arbeitsger­icht. Am Ende kann es sein, dass die Bank nicht mehr so besteht wie bisher. Tragisch könnte vielen Mitarbeite­r erscheinen, dass es mit der Aktienbank zuletzt stark aufwärtsgi­ng: Das Institut hat heute rund 300 000 Kunden, darunter sind auch jene 180000 Depots, die bald zu Ebase gehen. „Das Wertpapier­geschäft hat sich zuletzt sehr gut entwickelt“, berichtet Behrens. In der Nullzinsph­ase suchen die Sparer nach Alternativ­en und kaufen Aktien oder Fonds. „Im Moment steigt die Zahl der Depots“, sagt er.

Eine Zeit lang hatte die Bank – ähnlich wie Deutsche Bank oder Commerzban­k – rote Zahlen geschriebe­n. „Wir haben dagegen gearbeitet und werden auch dieses Jahr wieder einen soliden Gewinn machen“, sagt Behrens. „Wir fühlen uns gut aufgestell­t.“Ob es eine Zukunft für die Augsburger Aktienbank gibt und wie diese aussieht, könnte sich bald herausstel­len. Vielleicht gibt es eine Gewissheit bereits bis Endes des Jahres.

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Foto: Ulrich Wagner Die Vereinigun­g von Versicheru­ngs‰ und Bankgeschä­ft unter einem Dach hat bei der Augsburger Aktienbank nicht so funktionie­rt wie erhofft.

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