Augsburger Allgemeine (Land West)

Brillanter Freistil

Mozartfest Sarah Christian und Maximilian Hornung bieten Weltklasse-Niveau

- VON MANFRED ENGELHARDT

Der Titel klingt wilder, als es das Ergebnis dann war. Denn „Freistil“hatte alles zu bieten: höchste Qualität und Spannung. Dieses Projekt von Geigerin Sarah Christian und Cellist Maximilian Hornung will mit unkonventi­onellen Programmen und Freiheiten der Interpreta­tion dem scheinbar Konvention­ellen der „klassische­n“Kammermusi­k zu Leibe rücken. Aber da man das Weltklasse-Niveau der gebürtigen Augsburger kennt, durfte man sich freuen auf zweimal „Freistil“. Die Gegenübers­tellung von „Mzrt“und „Bthvn“, Thema des Festivals in kesser Verkürzung, brachte jede Menge Vokal-Saft ins dürre Namen-Gerippe. „Kammer & Salon“(Freistil I) und tags darauf „Quantenspr­ünge“(II) wurden im Kleinen Goldenen Saal umjubelt.

„Kammer & Salon“in Streichtri­o-Besetzung mit Bratscher Wen Xiao Zheng war ein Abenteuer, das diese betulichen Wörter in ein anderes Licht rückte. Beethovens Trio c-Moll op. 9 und Mozarts KV 563 standen an. Der Mozart-Bewunderer war vorangeste­llt. Mit heranstürz­ender Wucht, bebenden Akzenten, Kontrasten von Starkstrom­läufen und flirrenden Schleiern kam eine neue Welt zum Ausdruck. Beethovens Aufbruch trug das Trio hinein in Mozarts „Divertimen­to“, was also Unterhaltu­ng verspricht. Doch es breitet sich eine Welt aus, die dem Amüsement mit musikalisc­hen Gestaltent­wicklungen, dem doppelbödi­gen Heurigen-Flair der

Menuette, den grandiosen Verwandlun­gen in den Variatione­n andere Dimension verleiht. Wie die mit gleißendem Laufwerk und schillernd­en Klangvaleu­rs führende Sarah Christian und ihre präzis und sinnlich modelliere­nden Partner diese Mozart-Perle in Beethoven’sche Expression mischten, riss hin. „Salon“– das war gestern.

Es war ein „Quantenspr­ung“zum zweiten Abend. Das Klavier gesellte sich hinzu. In Mozarts eingangs gespieltem Klaviertri­o G-Dur KV 564 war man vor eine andere Aufgabe gestellt. Das Klavier, von Herbert Schuch brillant gestaltet, hat den Vorrang, die Beiträge der Streicher haben nicht die Fulminanz des Divertimen­tos. Mit den Variatione­n über „Ich bin der Schneider Kakadu“op. 121a war man in den Sphären des späten Beethoven angelangt. Es beginnt mysteriös, die Einleitung kroch über tragisch drohende Klüfte, bevor der Gassenhaue­r einsetzt. Durch welche bizarren Räume der Schneider schreiten muss, mit aberwitzig­en Varianten, aber auch anrührend lockenden Phasen, dies wurde von Christian, Hornung und Schuch in virtuosen Klanggewän­dern dargeboten. Sie scheuten sich nicht, dieses bizarre Kaleidosko­p mit teils drastische­n Klangattac­ken zu bebildern. Da war ein weiterer Sprung vorbereite­t in die Spät-Romantik. Gabriel Faurés 1. Klavierqua­rtett c-Moll op. 15 erlebte eine Aufführung, die die fast orchestral symphonisc­he Wucht, aber auch die wunderbar exotisch-lyrischen Blüten des Frühwerks feurig ausfaltete.

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Foto: Michael Hochgemuth Sarah Christian (von links), Wen Xiao Zheng und Maximilian Hornung im Kleinen Goldenen Saal.

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