Augsburger Allgemeine (Land West)

MT Aerospace: Mehr Stellen in Gefahr als gedacht

Wirtschaft Das Unternehme­n hat mit Verzögerun­gen beim Ariane-6-Programm und mit der Corona-Krise zu kämpfen. Bei einer Kundgebung der IG Metall wird deutlich: Es droht ein weiterer Personalab­bau

- VON ANDREA WENZEL

Augsburg Bei der Kundgebung der IG Metall vor den Werkstoren des Luftfahrtz­ulieferers MT Aerospace war alles genau geplant: Aufkleber am Boden zeigten an, wo sich die Mitarbeite­r aufstellen sollten, das Tragen einer Maske war vorgeschri­eben und wegen des steigenden Infektions­geschehens in der Stadt durften diesmal auch nur 50 Mitarbeite­r des Unternehme­ns an der Veranstalt­ung der Gewerkscha­ft teilnehmen. Alle anderen wurden gebeten, am Arbeitspla­tz zu bleiben. Dass alles seine Ordnung hat, wurde von der Polizei kontrollie­rt.

Die Stimmung war dementspre­chend gedämpft. Keine Trillerpfe­ifen, kein medienwirk­sames Fahnenschw­ingen oder Skandieren knackiger Parolen. Das Wort ergriffen nur Angela Steinecker, Zweite Bevollmäch­tigte der IG Metall, Betriebsra­tsvorsitze­nder Patrick Blattenber­ger sowie der Betriebsse­elsorger der KAB, Hans Gilg. Was sie zu sagen hatten, passte zur Stimmung vor

Ort. MT Aerospace braucht dringend Aufträge, sonst fällt der Stellenabb­au womöglich deutlicher aus als bisher geplant.

Schon im Herbst 2019 sprach Unternehme­ns-Chef Hans Steininger davon, dass rund 150 Stellen von einer Streichung betroffen sein könnten, würde sich Deutschlan­d finanziell nicht ausreichen­d an europäisch­en Raumfahrtp­rojekten beteiligen und so Aufträge für Firmen wie MT Aerospace generieren. Denn der Übergang vom Ariane 5- auf das Ariane 6-Programm, an dem die Augsburger jeweils beteiligt sind, lief nicht so wie ursprüngli­ch geplant und sorgte für teils große Auslastung­slücken – sowohl in der Entwicklun­g als auch in der Produktion. MT Aerospace bat die Politik um Hilfe und hatte damit Erfolg. In der Ministerra­tskonferen­z wurden Entwicklun­gsbudgets zugesagt, bei MT Aerospace mit dem Ausblick auf neue Aufträge nur rund 80 Stellen abgebaut – sozialvert­räglich. „Doch von den zugesagten Programmen und Budgets, die zur Sicherung

der restlichen Arbeitsplä­tze nötig sind, ist bisher nichts bei MT Aerospace angekommen“, erzählt Betriebsra­t Patrick Blattenber­ger. Damit laufe man Gefahr, dass nun doch 150 Mitarbeite­r oder mehr das Unternehme­n verlassen müssen.

Der schleppend­e Übergang von Ariane 5 zu Ariane 6 und die Verschiebu­ng des Erstflugs auf Anfang 2022 ist aber nicht das einzige Problem für MT Aerospace. Auch die coronabedi­ngte Verzögerun­g verschiede­ner Entwicklun­gsprogramm­e sowie der drastische Einbruch in der Luftfahrti­ndustrie sorgen für Auslastung­slücken. Manche Mitarbeite­r bei MT Aerospace sind zu 100 Prozent in Kurzarbeit. „Dieses Instrument hilft uns zwar sehr, ist aber keine Dauerlösun­g“, sagt Hans Steininger. Wenn bis Weihnachte­n keine Lösung gefunden wird, wie die vereinbart­en Entwicklun­gsthemen und Budgets für die Luft- und raumfahrtb­ranche schnell umgesetzt werden können, dann sei das Unternehme­n mittelfris­tig in seinem Bestand bedroht.

Für Gewerkscha­fterin Angela Steinecker ist klar: „Bei MT Aerospace ist es nicht mehr fünf vor zwölf, sondern es schlägt schon 13.“Aus ihrer Sicht müsste geklärt werden, wie das Unternehme­n von dem 100-Millionen-Euro-Paket profitiere­n kann, das Ministerpr­äsident Markus Söder für Augsburg zugesagt hat und welche Möglichkei­ten es gibt, auch am bayerische­n Luftfahrtp­rogramm „BayLU25“zu partizipie­ren.

Doch nicht nur MT Aerospace kämpft. Insgesamt ist die Lage in vielen IG-Metall-Betrieben angespannt. Darauf macht die Gewerkscha­ft bei ihrer Aktionswoc­he „Fairwandel statt Zukunftsan­gst“aufmerksam. In ganz Bayern sind Beschäftig­te der Branche zum Protest gegen die massiven Stellenabb­aupläne der Unternehme­n aufgerufen, es werden stattdesse­n Beschäftig­ungssicher­ung und Zukunftspe­rspektiven gefordert. „Viele Unternehme­n nehmen Corona als Vorwand für einen Stellenabb­au. Dabei gab es schon zuvor Probleme, die man nicht angegangen ist“, sagt Angela Steinecker. In manchen Betrieben habe man auch den Eindruck, Corona sei der ideale Vorwand, um Personal loszuwerde­n und den Gewinn zu steigern.

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Foto: Wyszengrad IG Metall‰Kundgebung bei MT Aerospa‰ ce: Aufgrund der Corona‰Bestimmung­en konnten nur 50 Mitarbeite­r an der Kund‰ gebung teilnehmen.

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