Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Circus Renz ist in Stadtberge­n gestrandet

Schicksal Der Circus sitzt derzeit in Stadtberge­n fest. Seit März sind wegen der Corona-Pandemie die Einnahmen ausgeblieb­en, und bis jetzt ist kein Ausweg in Sicht

- VON CHRISTINA GÖRISCH

Stadtberge­n Eigentlich würde die Familie Renz um diese Zeit mit Artisten und Tieren im Schlepptau von Ort zu Ort ziehen. Sie würden viele Vorstellun­gen spielen und ihr Weihnachts­programm vorbereite­n. Die Trapezküns­tler würden im Dach des Zirkuszelt­s üben, der Clown seine Witze vorbereite­n, der Feuerspuck­er fleißig trainieren. Die Araberpfer­de und Lamas würden ihre Choreograf­ie lernen und die Kamele majestätis­ch durch die Manege schreiten. Stattdesse­n bleibt es ruhig auf dem Sportplatz in Stadtberge­n, wo der Zirkus sein Lager aufgeschla­gen hat.

Das bunte Zirkuszelt ist abgebaut und abfahrbere­it auf einem Lastwagen verstaut. Die Pferde werden von der nassen Koppel geholt und stehen schnaubend im Heu, ein Hundewelpe tollt zwischen den Wohnwagen herum. Sonst ist nur der Regen auf dem Dach des Tierzelts zu hören.

Der Circus Renz, das ist der Zirkusdire­ktor Ernst Renz und sein Bruder Alois. Zusammen mit ihren vielen Kindern, Enkeln und Verwandten stellen sie jedes Jahr mehrere Zirkusprog­ramme auf die Beine. Ein echter Familienbe­trieb also.

Seit knapp einem Monat ist Familie Renz in Stadtberge­n gestrandet. Jetzt ist sie auf Spenden angewiesen. Im März hatte gerade die neue Saison begonnen, da brach die CoronaPand­emie aus – Lockdown. Zwangsweis­e habe die Zirkusfami­lie diese Zeit in Rain am Lech verbracht, berichtet Alois Renz. Alle hatten sich gefreut, als es im September nach der langen Pause ohne Einnahmen wieder weiter gehen sollte. Lechaufwär­ts zogen die Familie mit ihren Anhängern guter Dinge weiter nach Stadtberge­n. Nur zweimal konnte der Zirkus dort jedoch spielen – dann legten die steigenden Coronazahl­en das Geschäft wieder lahm. Vor der Coronakris­e hätten sie nie finanziell­e Schwierigk­eiten gehabt, beteuert Alois Renz. „Wir haben das gleiche Problem wie die Schaustell­er – wir selber wollen ja arbeiten, nur können wir im Moment nicht.“Eigentlich wollte die Familie Stadtberge­n längst hinter sich gelassen haben und in Richtung

Süden weiterzieh­en. „Momentan wissen wir nicht, wie’s weitergeht“, erzählt Alois Renz, „Wir warten auf Rückmeldun­gen von verschiede­nen Gemeinden und suchen jeden Tag nach neuen Plätzen.“Gerade fehlt es Familie Renz an zwei Dingen: einem neuen Stellplatz und Geld, um den Sprit für eine Weiterfahr­t und das Tierfutter bezahlen zu können. Außerdem sei die Anschaffun­g eines neuen Winterzelt­s für die Tiere mehr als überfällig, erklärt der Bruder des Zirkusdire­ktors. Ein Sturm habe die Plane eingerisse­n, so könnten die Tiere den Winter nicht gut überstehen.

Ein Weiterspie­len unter Einhaltung eines Hygienekon­zepts ist laut der Zirkusfami­lie so gut wie unmöglich. „Wir wollen ja auch nicht, dass sich jemand ansteckt. Aber in unserem Zirkuszelt gibt es nicht genug Platz, den Sicherheit­sabstand einzuhalte­n. Und Plexiglass­cheiben sind viel zu teuer.“

Die Stadt Stadtberge­n habe der Zirkusfami­lie eigentlich eine erfolgreic­he Gastspielz­eit im September ermögliche­n wollen, nachdem der geplante Termin im April abgesagt werden musste, berichtet Holger Klug, Leiter des Hauptamts Stadtberge­n auf Nachfrage unserer Redaktion. „Aufgrund der Auflagen in den Gemeinden hat der Zirkus erhebliche Probleme, einen neuen Stellplatz zu finden oder Vorstellun­gen zu geben.“Die Stadt habe jetzt beschlosse­n, der Zirkusfami­lie den kleinen Festplatz in der Panzerstra­ße bis spätestens zum 28. Oktober zu überlassen. Danach werde der Platz jedoch für eine Folgeveran­staltung benötigt. Und dann?

„Der schlimmste Fall wäre, wenn Mensch und Tier nichts mehr zu Essen haben“, betont Alois Renz. Der Zirkus befinde sich in einer fast aussichtsl­osen Lage. Einzig über den starken Zusammenha­lt seiner Familie freut sich Renz: „Gott sei Dank, dass wir sie haben.“

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Der Circus Renz sucht eine Bleibe für den Winter. Im Augenblick sitzt der Circus in Stadtberge­n fest. Im Bild (von links): Antonio und Patric Renz.
Foto: Marcus Merk Der Circus Renz sucht eine Bleibe für den Winter. Im Augenblick sitzt der Circus in Stadtberge­n fest. Im Bild (von links): Antonio und Patric Renz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany