Augsburger Allgemeine (Land West)
Der Circus Renz ist in Stadtbergen gestrandet
Schicksal Der Circus sitzt derzeit in Stadtbergen fest. Seit März sind wegen der Corona-Pandemie die Einnahmen ausgeblieben, und bis jetzt ist kein Ausweg in Sicht
Stadtbergen Eigentlich würde die Familie Renz um diese Zeit mit Artisten und Tieren im Schlepptau von Ort zu Ort ziehen. Sie würden viele Vorstellungen spielen und ihr Weihnachtsprogramm vorbereiten. Die Trapezkünstler würden im Dach des Zirkuszelts üben, der Clown seine Witze vorbereiten, der Feuerspucker fleißig trainieren. Die Araberpferde und Lamas würden ihre Choreografie lernen und die Kamele majestätisch durch die Manege schreiten. Stattdessen bleibt es ruhig auf dem Sportplatz in Stadtbergen, wo der Zirkus sein Lager aufgeschlagen hat.
Das bunte Zirkuszelt ist abgebaut und abfahrbereit auf einem Lastwagen verstaut. Die Pferde werden von der nassen Koppel geholt und stehen schnaubend im Heu, ein Hundewelpe tollt zwischen den Wohnwagen herum. Sonst ist nur der Regen auf dem Dach des Tierzelts zu hören.
Der Circus Renz, das ist der Zirkusdirektor Ernst Renz und sein Bruder Alois. Zusammen mit ihren vielen Kindern, Enkeln und Verwandten stellen sie jedes Jahr mehrere Zirkusprogramme auf die Beine. Ein echter Familienbetrieb also.
Seit knapp einem Monat ist Familie Renz in Stadtbergen gestrandet. Jetzt ist sie auf Spenden angewiesen. Im März hatte gerade die neue Saison begonnen, da brach die CoronaPandemie aus – Lockdown. Zwangsweise habe die Zirkusfamilie diese Zeit in Rain am Lech verbracht, berichtet Alois Renz. Alle hatten sich gefreut, als es im September nach der langen Pause ohne Einnahmen wieder weiter gehen sollte. Lechaufwärts zogen die Familie mit ihren Anhängern guter Dinge weiter nach Stadtbergen. Nur zweimal konnte der Zirkus dort jedoch spielen – dann legten die steigenden Coronazahlen das Geschäft wieder lahm. Vor der Coronakrise hätten sie nie finanzielle Schwierigkeiten gehabt, beteuert Alois Renz. „Wir haben das gleiche Problem wie die Schausteller – wir selber wollen ja arbeiten, nur können wir im Moment nicht.“Eigentlich wollte die Familie Stadtbergen längst hinter sich gelassen haben und in Richtung
Süden weiterziehen. „Momentan wissen wir nicht, wie’s weitergeht“, erzählt Alois Renz, „Wir warten auf Rückmeldungen von verschiedenen Gemeinden und suchen jeden Tag nach neuen Plätzen.“Gerade fehlt es Familie Renz an zwei Dingen: einem neuen Stellplatz und Geld, um den Sprit für eine Weiterfahrt und das Tierfutter bezahlen zu können. Außerdem sei die Anschaffung eines neuen Winterzelts für die Tiere mehr als überfällig, erklärt der Bruder des Zirkusdirektors. Ein Sturm habe die Plane eingerissen, so könnten die Tiere den Winter nicht gut überstehen.
Ein Weiterspielen unter Einhaltung eines Hygienekonzepts ist laut der Zirkusfamilie so gut wie unmöglich. „Wir wollen ja auch nicht, dass sich jemand ansteckt. Aber in unserem Zirkuszelt gibt es nicht genug Platz, den Sicherheitsabstand einzuhalten. Und Plexiglasscheiben sind viel zu teuer.“
Die Stadt Stadtbergen habe der Zirkusfamilie eigentlich eine erfolgreiche Gastspielzeit im September ermöglichen wollen, nachdem der geplante Termin im April abgesagt werden musste, berichtet Holger Klug, Leiter des Hauptamts Stadtbergen auf Nachfrage unserer Redaktion. „Aufgrund der Auflagen in den Gemeinden hat der Zirkus erhebliche Probleme, einen neuen Stellplatz zu finden oder Vorstellungen zu geben.“Die Stadt habe jetzt beschlossen, der Zirkusfamilie den kleinen Festplatz in der Panzerstraße bis spätestens zum 28. Oktober zu überlassen. Danach werde der Platz jedoch für eine Folgeveranstaltung benötigt. Und dann?
„Der schlimmste Fall wäre, wenn Mensch und Tier nichts mehr zu Essen haben“, betont Alois Renz. Der Zirkus befinde sich in einer fast aussichtslosen Lage. Einzig über den starken Zusammenhalt seiner Familie freut sich Renz: „Gott sei Dank, dass wir sie haben.“