Augsburger Allgemeine (Land West)
„Umweltkatastrophen sind gut für die Wirtschaft“
Ökologie Markus Brem ist Gersthofer Stadtrat, Landwirt und Unternehmensberater in Hirblingen. Im Interview erklärt er, woran es mit der Nachhaltigkeit hakt
GersthofenHirblingen Im Augsburger Land ist Markus Brem bekannt als Kommunalpolitiker für die Freien Wähler, Landwirt und Unternehmensberater. Was viele allerdings nicht wissen: Er ist auch ein gestandener Wissenschaftler mit einem Doktortitel in Betriebswirtschaftslehre. Mittlerweile forscht er zum Thema Transaktionskosten. An der Universität Augsburg lehrt er Wirtschaftsprüfung und Controlling.
Herr Brem, alle reden über Nachhaltigkeit und Bio. Warum gerät das Thema trotzdem unter die Räder? Brem: Wenn ich mit meinem Auto durch die Gegend fahre oder eine Tasse Kaffee aus Bohnen, die aus Südamerika eingeflogen wurden, trinke, spielen die ökologischen Folgekosten keine Rolle für den Preis. Ökologische Katastrophen können sogar positive Folgen für die Wirtschaft haben.
Wie das?
Brem: Sie müssen behoben werden, und dafür muss jemand bezahlt werden. Das steigert das Bruttosozialprodukt. Wenn ich als Landwirt einen Hagelschaden habe, ist das Geld von der Versicherung ebenfalls ein positiver Einschlag in der Volkswirtschaft. Das ist aus meiner Sicht das grundlegende Problem, dass wir im Bezug auf die Ökologie lösen müssen.
Es gibt ja immer mehr Leute die sagen, dass sie nachhaltig leben und konsumieren wollen. Beim Kaufverhalten ändert sich aber nicht viel. Woran liegt das?
Brem: Man kann nicht einfach sagen „Wir müssen aufhören, immer das Billigste zu kaufen“, wie unser Europaabgeordneter Markus Ferber das neulich in Ihrer Zeitung getan hat. Das ist zu einfach. Wenn die Politik nicht so nachjustiert, dass wir die ökologischen Rucksäcke in den Griff bekommen, wer soll es denn dann tun? Der Verbraucher? Ich habe zwei abgeschlossene Studien, einen Doktortitel und bin in zahlreichen politischen Gremien aktiv gewesen. Selbst ich bin nicht immer in der Lage, mich selber und mein engstes Umfeld zu überzeugen, anders einzukaufen.
Warum ist das so schwer?
Brem: Die Preisunterschiede sind manchmal so groß, dass es fast nicht vertretbar ist. Wir müssen diese Veränderungen politisch anstoßen und wollen. Schon in den 1990erJahren hat Herr Ferber im Landkreis Freising, wo ich studiert habe, gescheit dahergeredet. Wenn er das ernst meint, was er sagt, dann muss er als Politiker dafür sorgen, dass das Billigste nicht mehr das Billigste ist. Wenn ich als Verbraucher in einem Laden bin, kann ich gar nicht abschätzen, ob die etwas teurere Milch auch ökologischer und gerechter hergestellt wird.
Kann Fridays for Future durch ihre Proteste da was bewegen?
Brem: Ich bin heilfroh, dass es diese Bewegung gibt. Ich wollte auch eigentlich vor zwei Wochen zu ihrer Kundgebung in Augsburg gehen und hätte es auch getan, wenn es nicht geregnet und ich nicht bei der Arbeit zu tun gehabt hätte. Ich habe auch versucht, mein ganzes Umfeld zu überreden, damit beim Umweltschutz endlich was passiert.
Neben Ihrer landwirtschaftlichen Tätigkeit sind Sie ja auch Unternehmensberater. Ist bei Ihren Kunden denn die Bereitschaft vorhanden, ihr Wirtschaften umzustellen?
Brem: Die meisten Unternehmer sind durchaus bereit dazu, aber viele sind nicht so schnell in der Lage dazu. Sie sind schließlich durch Investitionen in ihren alten Funktionsweisen festgesetzt. Umso wichtiger ist es, dass die Politik den Rahmen setzt. Natürlich kann ich als Politik den Rahmen setzen, dass beispielsweise ab 2035 kein Strom durch
Braunkohle erzeugt werden darf. Bis dahin habe ich aber dann gleichzeitig den Rahmen gesetzt, dass andere Möglichkeiten nicht so günstig sind, weil man versucht, noch möglichst viel Wert aus den Investitionen in die Braunkohle herauszubekommen.
Was bedeutet das konkret?
Brem: Wenn klar ist, dass etwas so nicht weitergeht, dann muss man es ändern. Und dabei wird es Verlierer geben. Man kann nicht auf jeden Rücksicht nehmen. Und das bedeutet auch für die großen Parteien Einschnitte in die Beziehungsgeflechte, die sie bis jetzt gepflegt haben.
Warum scheint es so schwer für die Politik zu sein, diese Entscheidungen zu treffen? Damit könnte man doch sicher bei vielen Sympathiepunkte sammeln. Brem: Es ist einfacher, auf dem alten Pfad zu bleiben. Ihn zu wechseln ist anstrengend und mit gesellschaftlichen Kosten verbunden. Die sind nicht immer monetär bewertbar. Außerdem sind viele Institutionen und Machtpositionen in unserer Gesellschaft schon viel zu lang von den gleichen Personen besetzt. Man sieht das auch im Stadtrat, wo etliche Mandatsträger seit mehreren Jahrzehnten dabei sind. Dadurch kommen natürlich keine neuen Ideen in das Gremium.