Augsburger Allgemeine (Land West)

Mit Tempo 310 über die A 8 gerast und gedrängelt

Prozess Mit über 300 Stundenkil­ometern rast ein 29-Jähriger in einem aufgemotzt­en BMW über die A8 bei Neusäß. Er drängelt und filmt das Ganze auch noch. Bei Youtube erreichen seine Videos Millionen Zuschauer

- VON PHILIPP KINNE

Mit mehr als 300 Stundenkil­ometern raste ein 29-Jähriger über die A8. Er drängelte und filmte für Youtube.

Neusäß A8. Die linke Spur ist frei. Die tiefstehen­de Abendsonne schimmert an einem Novemberta­g über die A8. Dann gibt der Fahrer Gas. In nur 6,4 Sekunden beschleuni­gt der aufgemotzt­e BMW M5 von 100 auf 200 Sachen. Die Tachonadel ist da noch lange nicht am Anschlag. Mit bis zu 310 Kilometern pro Stunde brettert ein 29-Jähriger an diesem Tag über die A8 bei Neusäß. Er fährt den anderen Fahrern dicht auf, gibt immer wieder Lichthupe – und filmt dabei. Zu sehen ist das alles bei Youtube. Dieses und andere Videos des Rasers haben Millionen Fans im Internet gesehen. Wenig begeistert­et zeigte sich allerdings die Staatsanwa­ltschaft.

Die legt dem Angeklagte­n Nötigung und verbotenes Kraftfahrz­eugrennen zur Last. Wie auf dem Video zu sehen ist, sei der Angeklagte vor etwa einem Jahr „grob verkehrswi­drig und rücksichts­los“über die Autobahn gerast, heißt es in der Anklagesch­rift. In dem Video, das noch immer auf Youtube zu finden ist, präsentier­t der 29-Jährige stolz seinen aufgemotzt­en BMW. Über 700 PS, schwarz-gelbe Lackierung, Sonderauss­tattung. Zu sehen ist, wie der junge Mann an der Anschlusss­telle Neusäß auf die A8 auffährt. Schnell zieht er auf die linke Spur, zunächst ist die Autobahn frei.

In wenigen Sekunden beschleuni­gt der BMW auf weit über 300 Sachen. Die anderen Autos und Laster auf der rechten Spur ziehen in Sekundenbr­uchteilen vorbei. Plötzlich taucht auf der linken Spur ein Audi auf, der 29-Jährige muss stark abbremsen. Offensicht­lich fährt er seinem Vordermann zu dicht auf. Immer wieder gibt er Lichthupe und setzt den Blinker. Irgendwann zieht der Audi nach rechts – und der Angeklagte gibt wieder Vollgas. Später wird der Fahrer des Audis bei der Polizei aussagen, dass er sich bedrängt gefühlt hatte. Laut Anklage sei der 29-Jährige dem Audifahrer so nah aufgefahre­n, dass der das Kennzeiche­n des auffällige­m BMW nicht mehr sehen konnte. Deshalb sich der 29-Jährige nun wegen Nötigung verantwort­en. Im Laufe der Verhandlun­g gab der 29-Jährige schließlic­h zu, dass er zu dicht aufgefahre­n ist. Zu diesem Zeitpunkt war er mit etwa 150 bis 170 Stundenkil­ometern unterwegs. Er zeige Reue, wolle sein Verhalten ändern: „Besser mehr Abstand als weniger.“Nach dem Vorfall musste der junge Mann seinen Führersche­in abgeben. Nach zehn Monaten ohne Schein habe er seine Lektion gelernt. „Jetzt ist dann aber auch mal gut“, findet der Angeklagte. Doch Nötigung war nicht die einzige Straftat, die dem Mann zur Last gelegt wurde.

Zum Streit zwischen Verteidige­r Michael Brand und Staatsanwä­ltin Katharina Förg führte die Frage, ob der Angeklagte sich wegen eines verbotenen Autorennen­s strafbar gemacht hatte. Juristisch gesehen braucht es dazu keinen zweiten beverhalte­n. teiligten Autofahrer. Allerdings muss der Fahrer unter anderem viel zu schnell, rücksichts­los und verkehrswi­drig unterwegs sein. Dahinter steckt ein Paragraf, über dessen Rechtsmäßi­gkeit derzeit das Bundesverf­assungsger­icht entscheide, so Verteidige­r Brand. Er beantragte deshalb zwischenze­itlich, das Verfahren gegen seinen Mandaten zu vertagen, bis das Bundesverf­assungsger­icht entschiede­n hat.

Erst am Wochenende kam es auf der A66 bei Hofheim am Taunus zum einem mutmaßlich illegalen Autorennen, bei dem eine unbeteilig­te Frau ums Leben kam. Die Polizei ermittelt in diesem Fall wegen Mordes. Einer der Raser soll ein bekannter Star bei Instagram sein, der sich gerne mit teuren Autos im Netz präsentier­t. Zu Schaden gekommen ist im Falle des jungen Mannes auf der A8 zwar niemand, gefährlich wurde es aus Sicht des Gerichts denmusste noch. Selbst wollte der Angeklagte zunächst keine Angaben machen. Aus Sicht der Verteidigu­ng war allerdings klar, dass der junge Mann mit 310 km/h keinesfall­s zu schnell unterwegs war. Mittlerwei­le gilt auf der Strecke zwischen Neusäß und Gersthofen Tempo 120, zum Tatzeitpun­kt gab es dort allerdings noch kein Tempolimit. „Bei dem Fahrzeug wäre noch deutlich Luft nach oben gewesen“, erklärte Verteidige­r Brand. Der Wagen seines Mandanten sei für derartige Geschwindi­gkeiten ausgelegt und sicher. Brand sprach sogar von einem „völlig sicheren Fahrgesche­hen“.

Anders sah das Staatsanwä­ltin Katharina Förg.

Das Fahrverhal­ten des jungen Mannes zeige ein „hohes Gefährdung­spotenzial“. Mit über 300 Stundenkil­ometern sei der Angeklagte viel zu schnell unterwegs gewesen und habe sich rücksichts­los Sie forderte deshalb, dass der 29-Jährige neben einer Geldstrafe auch eine Führersche­insperre für sechs Monate bekommt.

Richter Kai Mütze folgte schließlic­h größtentei­ls der Argumentat­ion der Verteidigu­ng. Er verurteilt­e den 29-Jährigen zu einer Geldstrafe von 2600 Euro (65 Tagessätze à 40 Euro) und einem Monat Fahrverbot. Seinen Führersche­in dauerhaft abgeben muss der junge Mann damit nicht.

Aus Sicht von Richter Mütze handelte sich um einen Grenzfall. „Tempo 310 ist in Deutschlan­d grundsätzl­ich nun mal erlaubt“, erklärte er. Den Tatbestand des illegalen Autorennen­s sah er nicht erfüllt. Verurteilt wurde der junge Mann, der keine Vorstrafen hat, letztlich wegen versuchter Nötigung. Gegen das Urteil kann noch Berufung eingelegt werden.

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Mit 310 Stundenkil­ometern ist ein 29‰Jähriger in seinem aufgemotzt­en BMW über die Autobahn A 8 gerast. Immer wieder fuhr er anderen Verkehrste­ilnehmern auf und filmte das Ganze auch noch. Die Videos des Mannes erreichen bei Youtube Millionen von Zuschauern. Nun brachte ihn die Fahrt vor Gericht.
Foto: Marcus Merk Mit 310 Stundenkil­ometern ist ein 29‰Jähriger in seinem aufgemotzt­en BMW über die Autobahn A 8 gerast. Immer wieder fuhr er anderen Verkehrste­ilnehmern auf und filmte das Ganze auch noch. Die Videos des Mannes erreichen bei Youtube Millionen von Zuschauern. Nun brachte ihn die Fahrt vor Gericht.

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