Augsburger Allgemeine (Land West)
Alle 13 Minuten rauscht ein Schnellzug vorbei
Bahnausbau Welchen Weg soll die Bahn durch den Landkreis Augsburg nehmen? Darüber wird seit Freitag heftig diskutiert
Landkreis 112 Fernverkehrszüge will die Bahn künftig jeden Tag zwischen Ulm und Augsburg fahren lassen. Das bedeutet, auf der ausgebauten Trasse wird rein rechnerisch alle 13 Minuten ein Schnellzug mit bis zu 300 Kilometern in der Stunde vorbeirasen. Hinzu kommen noch Güter- und Nahverkehr.
Das gilt es zu verteilen im Augsburger Land. Seit Freitag ist ein wenig klarer, wo denn die Züge sich eines Tages ihren Weg durch die Landkreise Augsburg und Günzburg bahnen könnten, um Bahnreisende in 26 Minuten von Ulm nach Augsburg zu schaffen und so die letzte Lücke zu schließen in einem europäischen Schnellbahnstrang zwischen Paris und München.
Vier 500 Meter breite Korridore (siehe Grafik) präsentierte Bayerns Bahnchef Klaus-Dieter Josel Politikern und Wirtschaftsvertretern aus der Region.
Seitdem ist klar: Der Ausbau der Bestandsstrecke zwischen Augsburg und Dinkelscherben, als Bestandteil dieses Großprojekts lange Zeit die erklärte Lieblingsvariante der Politik im Landkreis, ist für die Bahn nur eine von mehreren Möglichkeiten und dem Anschein nach nicht die erfolgversprechendste. Denn es beginnen schon die ersten Absetzbewegungen.
Der Bundestagsabgeordnete Hansjörg Durz (CSU) aus Neusäß zum Beispiel will sich derzeit auf keine Lieblingsvariante mehr festlegen lassen. Dafür sei es zu früh. „Man muss sich erst Gedanken machen, was sinnvoll ist.“
Eine Variante der Bahn sieht eine Untertunnelung von Augsburg und Neusäß vor, um dort die etwa 20 Meter breite Fernverkehrstrasse verlaufen zu lassen. Der Fraktionssprecher der SPD im Neusässer Stadtrat, Christian Rindsfüßer, sieht jedenfalls jede Menge Probleme auf seine Stadt zukommen und fordert, der Stadtrat solle sich schnellstmöglich mit dem Thema befassen. Für Rindsfüßer bleibt festzuhalten, „dass lediglich eine Trasse dem gemeinsamen Beschluss der Kommunen im Landkreis Augsburg zum vorrangigen Ausbau der Bestandsstrecke voll umfänglich entspricht“.
Insgesamt will die Bahn künftig vier statt zwei Gleise durch das Augsburger Land haben. Die zwei neuen Gleise orientieren sich dabei mal mehr oder auch gar nicht an der bestehenden 165 Jahre alten Strecke zwischen Ulm und Augsburg. Planungskorridor wurde, was die PlaLärmschutz ner als machbar ansehen, weil es dort weniger sogenannte Raumwiderstände gibt. Das können zum Beispiel Ansiedlungen, Wasserschutzoder Naturschutzgebiete sein. Die kritischen Zonen, die sich besonders rund um Augsburg und Ulm befinden, versucht man auszusparen.
Im Raum Zusmarshausen kreuzen sich gleich zwei Neubauvarianten. Entsprechend zurückhaltend äußert sich Bürgermeister Bernhard Uhl (CSU) zu den Plänen. „Das müssen wir erst einmal verdauen,“sagte Uhl gegenüber unserer Redaktion. Seine bevorzugte Variante sei nach wie vor der Ausbau der Bestandsstrecke bis Dinkelscherben. Uhl fürchtet nicht nur die Belastung der Bürger seiner Gemeinde bei einem eventuellen Neubau. Kommt es nämlich zu keinem Ausbau der Bestandsstrecke, ist auch deren Begradigung bei Gabelbachergreut, welche die Marktgemeinde seit Jahren anstrebt, erst einmal Geschichte. Uhl und sein Markt gehören seit Jahren zu den treibenden Kräften, wenn der Ausbau der Bestandsstrecke gefordert wird. Erst im Februar verabschiedeten mehr als ein Dutzend Kommunen aus dem Augsburger Land eine entsprechende Resolution, um dem Bundestagsabgeordneten Durz Rückendeckung in Berlin zu geben.
Am Freitag aber brachte der CSU-Politiker im Gespräch mit unserer Redaktion eine neue Variante ins Spiel. Laut Durz ist vorgesehen, weite Teile der Neubaustrecken in Tunneln verlaufen zu lassen. Damit wolle die Bahn einmal Problemen mit dem Lärmschutz aus dem Weg gehen, zudem ließen sich so die Höhenunterschiede besser angleichen. Für Durz kommt es nun sehr darauf an, wie die Ausgestaltung dieser Tunnelpläne aussehen würde. Gleichzeitig dürfe man den Nahverkehr, der weiter auf der alten Strecke laufen soll, nicht aus dem Blick verlieren. Dort müsse es barrierefreie Bahnhöfe und einen besseren
geben. Dieses Ziel sollte ursprünglich mit dem Ausbau für den Fernverkehr erreicht werden.
In etwa vier Jahren soll der Bundestag bestimmen, welche Strecke gebaut wird. Bis dahin müsse man sich auf eine oder zwei Vorzugsvarianten geeinigt haben, sagt der Augsburger CSU-Bundestagsabgeordnete Volker Ullrich. Sein Fraktionskollege Durz spricht nach der ersten Sitzung des Koordinationsrates für das Milliardenprojekt von einem „spürbaren Zeitdruck.“
Der ebenfalls in dem Gremium vertretene Freie-Wähler-Abgeordnete Fabian Mehring warnt vor einem „Verhinderungsdiskurs“zum jetzigen Zeitpunkt. Die Region stehe vor einem „Quantensprung für den Fernverkehr und – wenn wir es clever machen – für den Nahverkehr.“Auch Mehring hält es für verfrüht, sich jetzt auf eine Trasse festzulegen. Diese müsse sich aus den Planungen und der Beteiligung der Öffentlichkeit ergeben. Entscheidende Gesichtspunkte seien Kosten, Natur- und Lärmschutz sowie Bahnhöfe. Für Mehring ist zunächst wichtig, dass die Bahn das Milliardenvorhaben in der Region weiter vorantreibt. Er findet: „Eigentlich müssten jetzt die Sektkorken knallen.“