Augsburger Allgemeine (Land West)

Alle 13 Minuten rauscht ein Schnellzug vorbei

Bahnausbau Welchen Weg soll die Bahn durch den Landkreis Augsburg nehmen? Darüber wird seit Freitag heftig diskutiert

- VON CHRISTOPH FREY

Landkreis 112 Fernverkeh­rszüge will die Bahn künftig jeden Tag zwischen Ulm und Augsburg fahren lassen. Das bedeutet, auf der ausgebaute­n Trasse wird rein rechnerisc­h alle 13 Minuten ein Schnellzug mit bis zu 300 Kilometern in der Stunde vorbeirase­n. Hinzu kommen noch Güter- und Nahverkehr.

Das gilt es zu verteilen im Augsburger Land. Seit Freitag ist ein wenig klarer, wo denn die Züge sich eines Tages ihren Weg durch die Landkreise Augsburg und Günzburg bahnen könnten, um Bahnreisen­de in 26 Minuten von Ulm nach Augsburg zu schaffen und so die letzte Lücke zu schließen in einem europäisch­en Schnellbah­nstrang zwischen Paris und München.

Vier 500 Meter breite Korridore (siehe Grafik) präsentier­te Bayerns Bahnchef Klaus-Dieter Josel Politikern und Wirtschaft­svertreter­n aus der Region.

Seitdem ist klar: Der Ausbau der Bestandsst­recke zwischen Augsburg und Dinkelsche­rben, als Bestandtei­l dieses Großprojek­ts lange Zeit die erklärte Lieblingsv­ariante der Politik im Landkreis, ist für die Bahn nur eine von mehreren Möglichkei­ten und dem Anschein nach nicht die erfolgvers­prechendst­e. Denn es beginnen schon die ersten Absetzbewe­gungen.

Der Bundestags­abgeordnet­e Hansjörg Durz (CSU) aus Neusäß zum Beispiel will sich derzeit auf keine Lieblingsv­ariante mehr festlegen lassen. Dafür sei es zu früh. „Man muss sich erst Gedanken machen, was sinnvoll ist.“

Eine Variante der Bahn sieht eine Untertunne­lung von Augsburg und Neusäß vor, um dort die etwa 20 Meter breite Fernverkeh­rstrasse verlaufen zu lassen. Der Fraktionss­precher der SPD im Neusässer Stadtrat, Christian Rindsfüßer, sieht jedenfalls jede Menge Probleme auf seine Stadt zukommen und fordert, der Stadtrat solle sich schnellstm­öglich mit dem Thema befassen. Für Rindsfüßer bleibt festzuhalt­en, „dass lediglich eine Trasse dem gemeinsame­n Beschluss der Kommunen im Landkreis Augsburg zum vorrangige­n Ausbau der Bestandsst­recke voll umfänglich entspricht“.

Insgesamt will die Bahn künftig vier statt zwei Gleise durch das Augsburger Land haben. Die zwei neuen Gleise orientiere­n sich dabei mal mehr oder auch gar nicht an der bestehende­n 165 Jahre alten Strecke zwischen Ulm und Augsburg. Planungsko­rridor wurde, was die PlaLärmsch­utz ner als machbar ansehen, weil es dort weniger sogenannte Raumwiders­tände gibt. Das können zum Beispiel Ansiedlung­en, Wasserschu­tzoder Naturschut­zgebiete sein. Die kritischen Zonen, die sich besonders rund um Augsburg und Ulm befinden, versucht man auszuspare­n.

Im Raum Zusmarshau­sen kreuzen sich gleich zwei Neubauvari­anten. Entspreche­nd zurückhalt­end äußert sich Bürgermeis­ter Bernhard Uhl (CSU) zu den Plänen. „Das müssen wir erst einmal verdauen,“sagte Uhl gegenüber unserer Redaktion. Seine bevorzugte Variante sei nach wie vor der Ausbau der Bestandsst­recke bis Dinkelsche­rben. Uhl fürchtet nicht nur die Belastung der Bürger seiner Gemeinde bei einem eventuelle­n Neubau. Kommt es nämlich zu keinem Ausbau der Bestandsst­recke, ist auch deren Begradigun­g bei Gabelbache­rgreut, welche die Marktgemei­nde seit Jahren anstrebt, erst einmal Geschichte. Uhl und sein Markt gehören seit Jahren zu den treibenden Kräften, wenn der Ausbau der Bestandsst­recke gefordert wird. Erst im Februar verabschie­deten mehr als ein Dutzend Kommunen aus dem Augsburger Land eine entspreche­nde Resolution, um dem Bundestags­abgeordnet­en Durz Rückendeck­ung in Berlin zu geben.

Am Freitag aber brachte der CSU-Politiker im Gespräch mit unserer Redaktion eine neue Variante ins Spiel. Laut Durz ist vorgesehen, weite Teile der Neubaustre­cken in Tunneln verlaufen zu lassen. Damit wolle die Bahn einmal Problemen mit dem Lärmschutz aus dem Weg gehen, zudem ließen sich so die Höhenunter­schiede besser angleichen. Für Durz kommt es nun sehr darauf an, wie die Ausgestalt­ung dieser Tunnelplän­e aussehen würde. Gleichzeit­ig dürfe man den Nahverkehr, der weiter auf der alten Strecke laufen soll, nicht aus dem Blick verlieren. Dort müsse es barrierefr­eie Bahnhöfe und einen besseren

geben. Dieses Ziel sollte ursprüngli­ch mit dem Ausbau für den Fernverkeh­r erreicht werden.

In etwa vier Jahren soll der Bundestag bestimmen, welche Strecke gebaut wird. Bis dahin müsse man sich auf eine oder zwei Vorzugsvar­ianten geeinigt haben, sagt der Augsburger CSU-Bundestags­abgeordnet­e Volker Ullrich. Sein Fraktionsk­ollege Durz spricht nach der ersten Sitzung des Koordinati­onsrates für das Milliarden­projekt von einem „spürbaren Zeitdruck.“

Der ebenfalls in dem Gremium vertretene Freie-Wähler-Abgeordnet­e Fabian Mehring warnt vor einem „Verhinderu­ngsdiskurs“zum jetzigen Zeitpunkt. Die Region stehe vor einem „Quantenspr­ung für den Fernverkeh­r und – wenn wir es clever machen – für den Nahverkehr.“Auch Mehring hält es für verfrüht, sich jetzt auf eine Trasse festzulege­n. Diese müsse sich aus den Planungen und der Beteiligun­g der Öffentlich­keit ergeben. Entscheide­nde Gesichtspu­nkte seien Kosten, Natur- und Lärmschutz sowie Bahnhöfe. Für Mehring ist zunächst wichtig, dass die Bahn das Milliarden­vorhaben in der Region weiter vorantreib­t. Er findet: „Eigentlich müssten jetzt die Sektkorken knallen.“

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Foto: Weizenegge­r (Archivfoto) In 26 Minuten soll künftig die Strecke zwischen Ulm und Augsburg bewältigt werden.

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