Augsburger Allgemeine (Land West)
Polizist wegen Volksverhetzung verurteilt
Prozess Der Betrunkene hat in einem Augsburger Café andere Gäste rassistisch und schwulenfeindlich beleidigt. Nun wurde er wegen Volksverhetzung verurteilt
Viele junge Leute sitzen an dem Sommertag in der Filiale von „Hazel Coffee“am Augsburger Rathausplatz. Nur ein angetrunkener, älterer Mann stört. Er pöbelt lautstark. „Deine Schuhe finde ich Scheiße“, spricht er einen jungen Mann an, den er später als Schwuchtel beschimpft und ihn zum Verlassen des Cafés auffordert. Als Gäste den Betrunkenen bitten, zu gehen, und drohen, die Polizei zu rufen, zeigt der Mann seinen Dienstausweis – denn er ist selbst Polizist. Dann zieht er weiter über Gäste her. Nun ist der 44-jährige Polizist dafür verurteilt worden. Und er muss damit rechnen, bei der Polizei rauszufliegen.
Das Amtsgericht Augsburg hat den Beamten zu sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, ausgesetzt zur Bewährung – und zu einer Geldbuße von 3000 Euro. Schuldig der Volksverhetzung, der mehrfachen Beleidung und einer versuchten Sachbeschädigung. Ein Mann und zwei Frauen aus dem Café hatten ihn angezeigt. Im Prozess sagten sie als Zeugen aus. Besonders verhängnisvoll für den einschlägig vorbestraften Polizisten war es, wie eine dunkelhäutige Frau das Erlebte schilderte. Die junge Deutsch-Nigerianerin war sich „1000prozentig sicher“, der am Nachbartisch sitzende Angeklagte habe von „Drecks-Schwarzafrikanern“gesprochen, als er sie ansah. Andere Zeugen wollen von ihm Ausdrücke wie „Neger“und „alle Schwarzafrikaner sind Scheiße“gehört haben.
Der angeklagte Polizist bestritt vor Gericht nicht, dass sich alles so abgespielt haben kann. Wegen seiner Trunkenheit erinnere er sich nur noch marginal an die Vorgänge im Café. Der 44-Jährige weiß heute, wie er sagte, dass er Alkoholiker ist – wenn auch inzwischen trocken. Seit Jahren hat er in mehreren Lokalen der Stadt Hausverbot. Seit dem Vorfall im August vorigen Jahres ist er vom Polizeipräsidium Schwaben Nord vom Dienst suspendiert. Der Polizeihauptmeister hat die Zeit genutzt, um sich mehrere Monate in einer Suchtklinik behandeln zu lassen. Dem Gericht legte er Bescheinigungen vor, wonach er regelmäßig Treffen der Anonymen Alkoholiker geht und keinen Alkohol mehr trinkt.
Aber ist der Ausdruck „DrecksSchwarzafrikaner“tatsächlich so gefallen? Wenn ja, erfüllt er den schwerwiegendsten Vorwurf, den der Volksverhetzung. Hansjörg Schmid, Verteidiger des Angeklagten, äußerte Zweifel. Sie stützen sich auf eine schwammige Formulierung im Polizeiprotokoll, als die Deutsch-Nigerianerin Strafanzeige erstattete. Darin wird die 21-Jährige zitiert: „...muss wohl so gefallen sein.“
Richterin Sandra Dumberger äußerte im Urteil aber keinerlei Zweifel, dass diese wie andere Beleidigungen vom Angeklagten so gefallen sind, er sich rassistisch, homophob und sexistisch verhalten habe. Auch Staatsanwalt Georg Hohenadel nicht. Zumal während des Prozesses bei der Staatsanwaltschaft ein anonymes Schreiben mit Interna aus dem Polizeidienst einging. Der angeklagte Polizeihauptmeister, heißt es darin, soll sich auch früher schon ausländerfeindlich verhalten haben.
Für den laufenden Prozess spielte es jedoch keine Rolle. Möglicherweise sind es jene Vorfälle, die ein Jahrzehnt zurückliegen, über die unsere Redaktion zum Prozessauftakt berichtet hat. Zwei junge Polizeianwärter, deren Familien aus der Türkei und aus Russland eingewandert sind, hatten ihn wegen rassistischer Beleidigungen und versuchter Körperverletzung angezeigt. Der damals 34-Jährige hatte sie auf einer „Blaulichtparty“, veranstaltet von einer Polizeigewerkschaft, als „Kanake“und „Scheißrusse“beschimpft. Bestenfalls dürften sie ihm seine Lederschuhe putzen. Die Polizei brauche „nur echte deutsche Leute“. Obwohl sich der Polizist bei ihnen entschuldigte, lehnten es beide Polizeianwärter ab, ihre Strafanzeige zurückzuziehen. Die Staatsanwaltschaft stellte vier Wochen später dennoch das Verfahren wegen geringer Schuld ein.
Wegen eines Polizeieinsatzes stand der Beamte dann 2014 vor Gericht. Er hatte, so der Vorwurf, eine festgenommene junge Frau am Nacken gepackt und mit dem Gesicht gegen das Dach des Streifenwagens geschlagen. Erst im Nachzu hinein wurde der Vorfall durch ihren Hausarzt publik, dem ihr blaues Auge auffiel. Ein Amtsrichter verurteilte den Beamten wegen Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr. In zweiter Instanz sprach ihn das Landgericht aus Mangel an Beweisen frei. Was der Beamte für einen Ruf habe, dürfe für das Urteil keine Rolle spielen, argumentierte damals sein Anwalt. Verurteilt wurde er dennoch zu einer Geldstrafe von 6300 Euro wegen Beleidigung. Gegenüber internen Ermittlern des Landeskriminalamtes hatte er die Frau eine „Drecksau“und „dumme Sau“genannt. So erfuhren auch Vorgesetzte im Polizeipräsidium, was er von ihnen hält. Recht unfein sprach er von „Zipfelklatschern“und „Idioten“.
Dem 44-Jährigen wird sein Bemühen, vom Alkohol wegzukommen, womöglich wenig helfen, um seinen Job zu retten. Schwer vorstellbar, dass in den Reihen der Polizei ein Beamter geduldet wird, der wegen Volksverhetzung verurteilt ist. Aber noch ist das Urteil nicht rechtskräftig.