Augsburger Allgemeine (Land West)
Wie still wird der CoronaAdvent?
Hintergrund Es zeichnet sich ab: Der Lockdown wird verschärft und deutlich länger dauern. Für das Weihnachtsfest und Silvester planen die Politiker tief greifende Einschränkungen und Verbote. Was die kommenden Monate bringen
Berlin Als Bund und Länder Ende Oktober beschlossen, deutschlandweit Restaurants, Kneipen, Kinos und Fitnessstudios dichtzumachen, sprachen sie von einem „Teil-Lockdown“. Und nun zeigt sich tatsächlich, dass der „Lockdown light“bei weitem nicht so wirksam ist, wie die harten Kontaktbeschränkungen im Frühjahr: Bei Infektionszahlen, Intensivpatienten und Todeszahlen wurden die Werte des Frühjahrs zum Teil schon überschritten. Und die größte Hoffnung, mit einem „Wellenbrecher-Lockdown“ein unbeschwertes Weihnachten möglich zu machen, wurde enttäuscht. Am Mittwoch beraten die Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin, wie es weitergehen soll. Folgende Maßnahmen und eine Verlängerung des Lockdowns zeichnen sich bereits ab.
Wie lange wird der Lockdown verlängert?
Die beiden Beschlussempfehlungen der unionsregierten und der SPDgeführten Länder stimmen überein, dass der Teil-Lockdown mindestens bis zum 20. Dezember hinaus verlängert werden soll. Nur Bundesländer, die eine Grenze von 35 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in den letzten sieben Tagen unterschreiten, können die Beschränkungen vorher lockern. Derzeit erreicht kein einziges Bundesland diesen Wert: Die am besten abschneidenden Länder Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern liegen bei 46 Fällen. Als Brennpunkte verzeichnen Berlin 220, Bayern 176, und Nordrhein-Westfalen 160 Fälle des Warnwerts. Umstritten ist den beiden unserer Redaktion vorliegenden Papieren zufolge, ob die Lockdown-Maßnahmen nach dem 20. Dezember jeweils automatisch für 14 Tage verlängert werden, bis im Land weniger als 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner innerhalb einer Woche erreicht werden. Das fordern die SPD-Länder.
Welche Einschränkungen sind für Weihnachten geplant?
Mindestens vom 21. bis zum 27. Dezember, möglicherweise bis zum 3. Januar, sollen die Kontaktbeschränkungen für Familientreffen leicht gelockert werden. Die derzeitige bayerische Linie, wonach sich bis zu zehn Personen aus zwei Haushalten privat treffen können, würde demnach insofern gelockert, dass die Zahl der Haushalte keine Rolle spielt und Kinder unter 14 Jahre bei der Obergrenze von zehn Personen nicht mitgezählt würden. Die Länder appellieren an die Bürger, „wo immer möglich, sich vor und nach den Feiertagen in eine möglichst mehrtägige häusliche Selbstquarantäne zu begeben“. Zugleich soll zuvor bis zum 20. Dezember die maximale Teilnehmergrenze bei Privattreffen auf fünf Personen aus zwei Haushalten verschärft werden. Auch der Besuch von Gottesdiensten dürfte an Weihnachten eingeschränkt werden. In beiden Beschlussvorlagen heißt es: „Bund und Länder werden das Gespräch mit den Religionsgemeinschaften suchen, um möglichst Vereinbarungen für Gottesdienste und andere religiöse Zusammenkünfte mit dem Ziel einer Kontaktreduzierung zu treffen.“
Wann werden die Restaurants wieder geöffnet?
Gaststätten erhalten Umsatzentschädigung und bleiben dem Papier zufolge mindestens bis 20. Dezember geschlossen, falls im jeweiligen Bundesland die Zahl der wöchentlichen Neuinfektionen nicht unter 35 pro 100000 Einwohner sinkt. Auch Lockerungen über Weihnachten planen die Ministerpräsidenten offenbar bislang nicht. Angela Inselkammer, Präsidentin des bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes, ist auch skeptisch, ob dies würde: „Man kann die Gastronomie nicht einfach vor Weihnachten wieder anknipsen. Es ist aufwendig, Gaststätten mit dem ganzen Apparat wieder hochzufahren.“Die Branche sei ratlos: „Manche Gastronomen sagen schon: Lasst uns doch die Betriebe gleich bis Februar zusperren“, sagt Inselkammer. „Wir brauchen nun endgültig die auch schon lange versprochene langfristige Perspektive, also eine Planbarkeit, wann wir unsere Betriebe wieder dauerhaft aufsperren können.“
Welche Regelungen sind für Silvester geplant?
Noch ist offen, ob an Silvester die gleichen Besuchsregelungen gelten wie an Weihnachten. Größere Partys dürften überall drinnen wie draußen verboten sein. Das Feuerwerk ist umstritten: Mehrere SPD- und unionsgeführte Bundesländer erwägen Verkauf und das Zünden von Feuerwerk zu verbieten, „um die Einsatzund Hilfskräfte zu entlasten, die Kapazitäten des Gesundheitssystems freizuhalten und um größere Gruppenbildungen zu vermeiden“. Andere Unionsländer wollen es beim
Appell belassen, auf Feuerwerk zu verzichten und nur Verbote für belebte Plätzen und Straßen. Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sprach sich gegen ein generelles Böllerverbot aus.
Wie soll der jetzige Lockdown verschärft werden?
Private Zusammenkünfte mit Freunden, Verwandten und Bekannten sollen nach den Plänen der Ministerpräsidenten bis Weihnachten auf maximal fünf Personen beschränkt werden, wobei Kinder bis 14 Jahre ausgenommen sind. Firmen sollen prüfen, ob die Betriebsstätten durch Betriebsferien oder Homeoffice-Lösungen vom 21. Dezember 2020 bis 3. Januar komplett geschlossen werden können. Streit gibt es um eine Maskenpflicht im Unterricht. Die Unionsländer wollen sie, wenn im Landkreis der Inzidenzwert über 50 liegt, für alle weiterführenden Schulen, die SPDLänder sind für örtliche Ausnahmen. Einig sind sich alle Länder in einem: „Das Offenhalten von Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen hat höchste Bedeutung.“Hochschulen und Universitäten sollen dafunktionieren gegen weitestgehend auf digitale Lehre umstellen. „Die vorbereiteten Maßnahmen sind alle richtig“, sagt der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. „Es muss in den Schulen und bei den privaten Treffen mehr erreicht werden“, fordert er. Lauterbach hat sich unterdessen mit einer zentralen seiner Forderungen durchgesetzt: Künftig wird die häusliche Quarantäne bei einem Schnelltest auf zehn statt 14 Tage reduziert. Dies soll alle Beteiligten entlasten und für mehr Akzeptanz sorgen. Für Schulkinder und Lehrer ist eine Quarantäne von fünf Tagen und anschließende Schnelltests vorgesehen.
Droht eine neue Verschärfung der Pandemie im Januar und Februar, wenn üblicherweise auch die Grippewelle ihren Höhepunkt erlebt?
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach ist vorsichtig optimistisch, dass es nicht zu einer Doppelbelastung kommt. „Wenn die Hygieneregeln gegen das Coronavirus eingehalten werden, wird es auch viel weniger Grippeinfektionen geben“, sagt er. Tatsächlich verzeichnen die Hausärzte derzeit laut Robert-KochInstitut weniger als halb so viele Atemwegserkrankungen wie im vergangenen Jahr zur gleichen Zeit. Lauterbach hofft zudem, dass im Januar in den Hausarztpraxen ausreichend Antigen-Schnelltests zur Verfügung stehen, um echte Corona-Infektionen erkennen zu können: „Die Hausärzte sollten in die Anwendung von Antigen-Schnelltests sehr viel stärker eingebunden werden.“
Welchen Ausweg aus der CoronaKrise gibt es?
Die größte Hoffnung liegt auf den Impfstoffen. Am Montag kam die dritte Erfolgsmeldung: Mit dem britisch-schwedischen Pharmakonzern Astrazeneca scheint ein weiteres Unternehmen einen wirksamen Corona-Impfstoff gefunden zu haben. Das mit der Universität Oxford klassisch entwickelte Mittel biete einen mindestens 70-prozentigen Schutz vor Covid-19. Zuvor haben das deutsche Unternehmen Biontech und das US-Pharmaunternehmen Moderna auf neuartige Weise gentechnisch programmierte Impfstoffe präsentiert, die sogar rund 95 Prozent Wirksamkeit haben sollen. Laut Virologen müssten mindestens 60 Prozent der Bevölkerung entweder durch eine überstandene Corona-Infektion oder durch eine Impfung gegen das Virus immunisiert werden, um die Pandemie schnell zu stoppen. Das Zeitfenster dafür könnte begrenzt sein, denn bislang sind die erforderlichen Virus-Antikörper nach einer Infektion nur ein halbes Jahr im Blut nachweisbar. Ob Impfstoffe länger wirken, muss erst erforscht werden.