Augsburger Allgemeine (Land West)
Was brachte der Lockdown?
Corona Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt im Augsburger Land immer noch weit über 200. Sind die Regeln zu schwach? Ein Mediziner findet: Wir müssen viel mehr tun
Seit 2. November gilt auch im Landkreis Augsburg der Lockdown „light“. Doch was hat er gebracht? Fachleute und Mediziner ziehen Bilanz.
Landkreis Augsburg Kein Fitnessstudio, kein Kinobesuch und kaum noch Treffen mit Freunden – all das gilt seit dem 2. November auch im Augsburger Land. Doch was hat der Lockdown light gebracht? Von einer Abbremsung der steigenden Zahlen und sogar von einem leichten Rückgang spricht die fachliche Leiterin des Gesundheitsamts im Kreis Augsburg, Dr. Susanne Rost. Sie warnt aber auch: „Wir haben im Gesundheitsamt den Eindruck, dass die Akzeptanz der Bevölkerung für die Maßnahmen – insbesondere die Kontaktbeschränkungen – im Vergleich zu früheren Phasen der Pandemie insgesamt gesunken ist und sie deshalb nicht mehr mit der nötigen Konsequenz eingehalten werden“, über andere Gründe für die nur langsam sinkenden Zahlen könne man nur spekulieren.
Die Sieben-Tage-Inzidenzen im November liefern rückblickend ein gespaltenes Bild. Zwar konnte der steile Anstieg seit Mitte Oktober inzwischen gestoppt werden. Doch die Corona-Welle bewegt sich seither auf hohem Niveau weiter durch den Landkreis: Am 12. Oktober hatte der Anstieg der Inzidenzkurve bei 21,9 seinen Anfang genommen. Eine Woche später war der Grenzwert von 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner überschritten. Er gilt als wichtige Marke, weil die Gesundheitsämter ab diesem Wert meist nicht mehr in der Lage sind, alle Infektionsherde in einem Landkreis nachzuverfolgen. Den bisherigen Höhepunkt erreichte die Inzidenz am 9. November mit einem Wert von 280,7 Infektionen je 100.000 Einwohner. Am Mittwoch meldet das Gesundheitsamt nun eine Inzidenz von 205,1.
Hinter diesen Zahlen und Kurven stehen 3608 Menschen, die sich seit März mit dem Corona-Virus infiziert haben, und 25, die an oder mit dem Virus gestorben sind. Viele von denen, die sich mit dem Virus angesteckt haben, gelten als genesen. Einige haben aber auch danach noch mit gesundheitlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Damit allen Menschen, die schwere Krankheitsverläufe entwickeln, den ganzen Winter über die medizinische Versorgung bekommen können, die sie brauchen, hatte der Bund den Lockdown light zunächst ab Anfang November verhängt. Im Landkreis wurde der rasante Anstieg der Infektionszahlen etwa zehn bis zwölf Tage später tatsächlich angehalten. Die Inzidenzwerte pendeln seit Tagen zwischen 200 und 270. Von dem Grenzwert 50 sind sie noch weit entfernt. Die Leiterin des Gesundheitsamts sagt, dass jede weitere Verringerung der Fallzahlen im Moment den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern helfen könne. Es sei zwar die ganze Zeit über möglich gewesen, die Kontaktpersonen von Infizierten nachzuverfolgen. In Zeitverzug sei man aber immer noch, wenn es um Primärfälle in anderen Kommunen als dem Landkreis gehe. „Hier sind wir auf sinkende Fallzahlen angewiesen, um wieder auf aktuellem Stand zu sein“, so Susanne Rost. Wo neue und schärfere Regeln am besten ansetzen sollten, ist für sie aus dem Datenmaterial im Gesundheitsamt allein nicht ersichtlich. „Da sich die Infektionen diffus über die gesamte Bevölkerung verteilen, kann ich keine spezifischen Maßnahmen vorschlagen. Es gilt, Kontakte, so gut es geht, zu vermeiden.“
„Der erste Lockdown war schon zu kurz und nicht streng genug, und das gilt auch für den jetzigen“, sagt Dr. Sebastian Lochbrunner, Hausarzt aus Schwabmünchen. Der 77-jährige Mediziner, der selbst an Corona erkrankt war, plädiert dafür, auch an Weihnachten und Silvester nicht zu lockern. „Außerdem müsste die Maskenpflicht noch strenger gehandhabt werden, und es sollte drastischere Strafen geben. Viele Menschen handeln da einfach verantwortungslos. Das ist aus meiner Sicht Körperverletzung.“Die Verlängerung der Weihnachtsferien greift nach Ansicht des Mediziners zu kurz: „Meiner Meinung nach müsste man die Schulen ganz schließen, um die Zahlen nach unten zu bringen.“Auch in seiner Praxis gibt es immer mehr Corona-Patienten: „Wir hatten im ersten Lockdown sechs positiv Getestete, jetzt reden wir von insgesamt 50 Fällen. Das ist erschreckend viel.“Hauptgrund sind seiner Ansicht nach private Familienfeiern und -treffen.
Auch in den Wertachkliniken gibt es immer mehr Corona-Fälle. Hier werden die Intensivbetten langsam knapp. In Bobingen, wo sechs Intensivbetten zur Verfügung stehen, sind fünf mit Corona-Patienten belegt, wobei ein Patient beatmet werden muss. Sieben Covid-Patienten liegen dort auf der normalen Station. In Schwabmünchen, wo es zehn Intensivbetten gibt, sind vier belegt. 23 Corona-Patienten liegen noch auf der normalen Station. „Das ist schon eine hohe Belastung, zumal ja auch noch die Verdachtsfälle hinzukommen. Unser Personal hat viel zu tun, macht aber einen tollen Job“, sagt Martin Gösele, Vorstand der Wertachkliniken: „Wenn wir unser OPProgramm nicht heruntergefahren hätten, um Platz für Covid-Patienten zu haben, würde es noch schwieriger aussehen.“
Eigentlich sollten die Corona-Patienten vor allem in Schwabmünchen untergebracht werden: „Das mussten wir aber schon vor zwei Wochen aufgeben, sodass wir jetzt auch Patienten in Bobingen haben“, sagt er.