Augsburger Allgemeine (Land West)
PrivatBetreuung oder doch in die Notgruppe?
Familie Gleich zum Jahresanfang schon Urlaub nehmen, weil Schulen und Kitas geschlossen sind? Das kommt für viele Eltern nicht infrage. Für wen die Notbetreuung gedacht ist und was die Arbeitgeber dazu sagen
Landkreis Augsburg. Der verlängerte Lockdown trifft alle hart – aber berufstätige Eltern jüngerer Kinder besonders. Immerhin kann nicht jeder Homeoffice machen und die Großeltern fallen in Zeiten von Corona ebenfalls als Babysitter aus. Zwar gibt es in den Kindergärten und Schulen Notbetreuung, aber für wen kommt diese infrage?
„Allen Eltern, die die Betreuung auf gar keine andere Weise sicherstellen können, geben wir die Möglichkeit, ihre Kinder weiterhin in den Kindertageseinrichtungen betreuen zu lassen. Auf systemrelevante Berufe kommt es hierbei nicht an“, stellte die Sozialministerin Carolina Trautner aus Stadtbergen gestern klar. Sie appellierte aber auch an die Eltern, mit dieser Möglichkeit verantwortungsvoll umzugehen, um die Kinder, sich selbst und die Mitarbeiter in den Einrichtungen vor Ansteckung zu schützen.
Dies dürfte aber vielen Eltern inzwischen schwerfallen. Wie etliche Familien berichten, sind sie erschöpft und genervt vom Homeschooling und vom Kampf mit dem Arbeitgeber um Urlaubstage oder
Da helfen auch die zehn zusätzlichen Kinderkrankentage wenig, die der Freistaat nun zusagt. Alleinerziehende erhalten sogar 20 Tage. „Aber die Arbeit in der Firma muss ja erledigt werden, da hat der Chef irgendwann wenig Verständnis“, berichtet eine Büroangestellte und Mutter von zwei Kindern aus Neusäß. Viele helfen sich im Freundesund Verwandtenkreis aus. Und das geht trotz Kontaktbeschränkungen. Der Freistaat erlaubt eine „privat organisierte, feste und unentgeltliche Eltern-Betreuungsgruppe mit Kindern aus höchstens zwei Hausständen“.
Beim Gersthofer Anhänger-Hersteller Humbaur sieht man das Problem gelassen: „Unsere Mitarbeiter setzen sich seit fast einem Jahr mit dieser Problematik auseinander, da fallen zusätzliche zehn Kinderkrankentage wohl nicht so ins Gewicht“, sagt Monika Niederreiner, die Leiterin der Unternehmenskommunikation. Die Mitarbeiter (insgesamt rund 600) hätten sich sehr gut organisiert und ein Netzwerk aufgebaut, wenn es um die Kinderbetreuung geht. „Wo möglich, bieten wir Homeoffice an – das geht allerdings in der Produktion nicht.“
Die Firma Siegmund in Oberottmarshausen möchte die angestellten Eltern bei dem Thema Kinderbetreuung bestmöglich unterstützen. „Wenn jemand Probleme bei der Kinderbetreuung hat, haben wir ein offenes Ohr und sind für unsere Mitarbeiter da“, so die Geschäftsleitung des Unternehmens. „ In der Regel werden dafür individuelle Lösungen gefunden.“Amazon bietet Mitarbeitern des Werks in Graben an, ihre Schichtpläne zu ändern. Eine Möglichkeit für Eltern sei die dauerhafte Spätschicht, teilt Pressesprecher Michael Schneider mit. Außerdem bietet Amazon pro Jahr fünf bezahlte „Kind-Krank Tage“an und habe den Mitarbeitern 2020 wegen Corona fünf weitere gewährt.
Dennoch, am Arbeitsplatz ausfallen, weil die Kinder zu Hause sind, will kaum jemand. So ist es nicht verwunderlich, dass viele Eltern einen Platz in der Notbetreuung einfordern. Die Kommunen rechnen nun mit einer größeren Nachfrage als im Frühjahr 2020. „Wir gehen davon aus, dass viele Kinder kommen werden“, sagt Ann-Christin Joder, Rathaussprecherin der Stadt Gersthofen. Man werde am kommenden Montag in den Gersthofer Kitas mit voller Personalstärke antreten. Dann soll festgestellt werden, wie hoch das InHomeoffice. teresse an einer Notbetreuung ist. „Wir können ganz normal aufmachen, das Personal ist ja da“, so Joder. Nach derzeitigem Stand werde es in jeder Kita eine Betreuung geben, um keine Gruppen zu mischen.
Wie viele Kinder ab Montag in die Notbetreuung kommen werden, weiß man auch in den anderen Städten noch nicht. „Wir erhalten die Rückmeldungen dann von den Einrichtungen, da die Notbetreuung ja nicht mehr vom Beruf abhängt“, so Verena Fetz von der Stadt Stadtbergen. Hier gibt es insgesamt zehn Einrichtungen mit 725 Betreuungsplätzen, drei davon in städtischer Trägerschaft. Im ersten Lockdown hätten in Stadtbergen nur wenige Eltern mit systemrelevanten Berufen ihr Kind in die Notbetreuung gegeben, oftmals nur zwei Kinder pro Gruppe.
Ähnliches berichtet Tanja Weinberger von der Stadt Neusäß. Hier seien es im Frühjahr zum Beispiel in einem Kindergarten nur insgesamt drei Kinder gewesen. Im Stadtgebiet gibt es insgesamt 1046 Betreuungsplätze in fünf städtischen Einrichtungen und neun in anderer, meist kirchlicher Trägerschaft. „Unser Personal wird am Montag vermutlich an der Türe stehen und schauen, wer sein Kind bringt“, sagt Matthias Krauß halb im Scherz. Er ist Geschäftsführer von ekita.net, einem evangelischen Träger von derzeit 17 Kindertageseinrichtungen im Raum Augsburg. Krauß versteht die berufstätigen Eltern, die keine andere Betreuungsmöglichkeit haben und trotz Corona ihr Kind in den Kindergarten bringen, vor allem, wenn sie eventuell weiterhin ihren Beitrag zahlen müssen.
Notbetreuung gibt es übrigens auch in den Schulen in den Klassen 1 bis 6. Hierfür müssen die Eltern spätestens bis zum heutigen Freitag ihren begründeten Bedarf anmelden. „Vor Weihnachten war die Nachfrage dafür sehr gering“, berichtet Jürgen Sept-Wunderwald, Rektor der Realschule Zusmarshausen. Derzeit wird der Bedarf bei den Eltern gerade abgefragt. „Vielleicht wollen diesmal mehr Eltern die Notbetreuung in Anspruch nehmen, weil es ja nicht nur ein paar Tage, sondern drei Wochen sind“, so der Schulleiter. Die Schüler, die dann in der Schule in Zusmarshausen sein werden, nehmen am Computer über das Programm MS Teams am Distanzunterricht teil wie ihre Mitschüler zuhause.