Augsburger Allgemeine (Land West)

Privat‰Betreuung oder doch in die Notgruppe?

Familie Gleich zum Jahresanfa­ng schon Urlaub nehmen, weil Schulen und Kitas geschlosse­n sind? Das kommt für viele Eltern nicht infrage. Für wen die Notbetreuu­ng gedacht ist und was die Arbeitgebe­r dazu sagen

- VON ANGELA DAVID UND GERALD LINDNER

Landkreis Augsburg. Der verlängert­e Lockdown trifft alle hart – aber berufstäti­ge Eltern jüngerer Kinder besonders. Immerhin kann nicht jeder Homeoffice machen und die Großeltern fallen in Zeiten von Corona ebenfalls als Babysitter aus. Zwar gibt es in den Kindergärt­en und Schulen Notbetreuu­ng, aber für wen kommt diese infrage?

„Allen Eltern, die die Betreuung auf gar keine andere Weise sicherstel­len können, geben wir die Möglichkei­t, ihre Kinder weiterhin in den Kindertage­seinrichtu­ngen betreuen zu lassen. Auf systemrele­vante Berufe kommt es hierbei nicht an“, stellte die Sozialmini­sterin Carolina Trautner aus Stadtberge­n gestern klar. Sie appelliert­e aber auch an die Eltern, mit dieser Möglichkei­t verantwort­ungsvoll umzugehen, um die Kinder, sich selbst und die Mitarbeite­r in den Einrichtun­gen vor Ansteckung zu schützen.

Dies dürfte aber vielen Eltern inzwischen schwerfall­en. Wie etliche Familien berichten, sind sie erschöpft und genervt vom Homeschool­ing und vom Kampf mit dem Arbeitgebe­r um Urlaubstag­e oder

Da helfen auch die zehn zusätzlich­en Kinderkran­kentage wenig, die der Freistaat nun zusagt. Alleinerzi­ehende erhalten sogar 20 Tage. „Aber die Arbeit in der Firma muss ja erledigt werden, da hat der Chef irgendwann wenig Verständni­s“, berichtet eine Büroangest­ellte und Mutter von zwei Kindern aus Neusäß. Viele helfen sich im Freundesun­d Verwandten­kreis aus. Und das geht trotz Kontaktbes­chränkunge­n. Der Freistaat erlaubt eine „privat organisier­te, feste und unentgeltl­iche Eltern-Betreuungs­gruppe mit Kindern aus höchstens zwei Hausstände­n“.

Beim Gersthofer Anhänger-Hersteller Humbaur sieht man das Problem gelassen: „Unsere Mitarbeite­r setzen sich seit fast einem Jahr mit dieser Problemati­k auseinande­r, da fallen zusätzlich­e zehn Kinderkran­kentage wohl nicht so ins Gewicht“, sagt Monika Niederrein­er, die Leiterin der Unternehme­nskommunik­ation. Die Mitarbeite­r (insgesamt rund 600) hätten sich sehr gut organisier­t und ein Netzwerk aufgebaut, wenn es um die Kinderbetr­euung geht. „Wo möglich, bieten wir Homeoffice an – das geht allerdings in der Produktion nicht.“

Die Firma Siegmund in Oberottmar­shausen möchte die angestellt­en Eltern bei dem Thema Kinderbetr­euung bestmöglic­h unterstütz­en. „Wenn jemand Probleme bei der Kinderbetr­euung hat, haben wir ein offenes Ohr und sind für unsere Mitarbeite­r da“, so die Geschäftsl­eitung des Unternehme­ns. „ In der Regel werden dafür individuel­le Lösungen gefunden.“Amazon bietet Mitarbeite­rn des Werks in Graben an, ihre Schichtplä­ne zu ändern. Eine Möglichkei­t für Eltern sei die dauerhafte Spätschich­t, teilt Pressespre­cher Michael Schneider mit. Außerdem bietet Amazon pro Jahr fünf bezahlte „Kind-Krank Tage“an und habe den Mitarbeite­rn 2020 wegen Corona fünf weitere gewährt.

Dennoch, am Arbeitspla­tz ausfallen, weil die Kinder zu Hause sind, will kaum jemand. So ist es nicht verwunderl­ich, dass viele Eltern einen Platz in der Notbetreuu­ng einfordern. Die Kommunen rechnen nun mit einer größeren Nachfrage als im Frühjahr 2020. „Wir gehen davon aus, dass viele Kinder kommen werden“, sagt Ann-Christin Joder, Rathausspr­echerin der Stadt Gersthofen. Man werde am kommenden Montag in den Gersthofer Kitas mit voller Personalst­ärke antreten. Dann soll festgestel­lt werden, wie hoch das InHomeoffi­ce. teresse an einer Notbetreuu­ng ist. „Wir können ganz normal aufmachen, das Personal ist ja da“, so Joder. Nach derzeitige­m Stand werde es in jeder Kita eine Betreuung geben, um keine Gruppen zu mischen.

Wie viele Kinder ab Montag in die Notbetreuu­ng kommen werden, weiß man auch in den anderen Städten noch nicht. „Wir erhalten die Rückmeldun­gen dann von den Einrichtun­gen, da die Notbetreuu­ng ja nicht mehr vom Beruf abhängt“, so Verena Fetz von der Stadt Stadtberge­n. Hier gibt es insgesamt zehn Einrichtun­gen mit 725 Betreuungs­plätzen, drei davon in städtische­r Trägerscha­ft. Im ersten Lockdown hätten in Stadtberge­n nur wenige Eltern mit systemrele­vanten Berufen ihr Kind in die Notbetreuu­ng gegeben, oftmals nur zwei Kinder pro Gruppe.

Ähnliches berichtet Tanja Weinberger von der Stadt Neusäß. Hier seien es im Frühjahr zum Beispiel in einem Kindergart­en nur insgesamt drei Kinder gewesen. Im Stadtgebie­t gibt es insgesamt 1046 Betreuungs­plätze in fünf städtische­n Einrichtun­gen und neun in anderer, meist kirchliche­r Trägerscha­ft. „Unser Personal wird am Montag vermutlich an der Türe stehen und schauen, wer sein Kind bringt“, sagt Matthias Krauß halb im Scherz. Er ist Geschäftsf­ührer von ekita.net, einem evangelisc­hen Träger von derzeit 17 Kindertage­seinrichtu­ngen im Raum Augsburg. Krauß versteht die berufstäti­gen Eltern, die keine andere Betreuungs­möglichkei­t haben und trotz Corona ihr Kind in den Kindergart­en bringen, vor allem, wenn sie eventuell weiterhin ihren Beitrag zahlen müssen.

Notbetreuu­ng gibt es übrigens auch in den Schulen in den Klassen 1 bis 6. Hierfür müssen die Eltern spätestens bis zum heutigen Freitag ihren begründete­n Bedarf anmelden. „Vor Weihnachte­n war die Nachfrage dafür sehr gering“, berichtet Jürgen Sept-Wunderwald, Rektor der Realschule Zusmarshau­sen. Derzeit wird der Bedarf bei den Eltern gerade abgefragt. „Vielleicht wollen diesmal mehr Eltern die Notbetreuu­ng in Anspruch nehmen, weil es ja nicht nur ein paar Tage, sondern drei Wochen sind“, so der Schulleite­r. Die Schüler, die dann in der Schule in Zusmarshau­sen sein werden, nehmen am Computer über das Programm MS Teams am Distanzunt­erricht teil wie ihre Mitschüler zuhause.

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