Augsburger Allgemeine (Land West)
„Modeln im Homeoffice funktioniert nicht“
Interview Das Model Marie Rauscher stammt aus Thierhaupten. Die Corona-Pandemie bedeutet für sie weniger Aufträge, aber auch weniger Abschiede
Thierhaupten Marie Rauscher ist 24 Jahre alt und Model aus Thierhaupten. In den sozialen Medien nennt sie sich Marie aus Pari. Auf Instagram sind es mittlerweile über 23.000 Menschen, die ihren Alltag verfolgen. In das Model-Business ist sie „eher so reingerutscht“, wie die 24-Jährige selbst sagt. Entdeckt wurde sie einst im Reitstall von einer Pferdezeitschrift für Mädchen, die auf der Suche nach Models war. Bevor sie von ihrer Shooting-Karriere leben konnte, hat die Thierhauptenerin eine Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation absolviert.
In diesem Jahr hat die Corona-Pandemie die gesamte Berufswelt auf den Kopf gestellt. Das Homeoffice ist groß rausgekommen – aber klappt das auch für ein Model?
Marie Rauscher: Modeln im Homeoffice funktioniert nicht. Für ein Shooting bin ich ja normalerweise in verschiedenen Studios, und die Kunden können auch nicht einfach zu mir nach Hause kommen. Allerdings erledige ich meinen Bürokram im Homeoffice.
Hat sich Ihr Arbeitsalltag stark verändert? Als Model ist man ja normalerweise viel unterwegs.
Marie Rauscher: Mein Arbeitsalltag hat sich um 180 Grad gedreht. Normalerweise lebe ich aus dem Koffer, reise viel innerhalb von Deutschland und auch ins Ausland. Während es sonst zwischen 40 und 50 Flüge im Jahr sind, waren es 2020 nur drei Inlandsflüge, die unter sehr strengen Maßnahmen stattgefunden haben. Stattdessen habe ich vor allem in München, Stuttgart und Nürnberg gearbeitet.
Würden Sie sagen, Sie sind in Ihrer Karriere trotz Corona vorangekommen oder doch eher stehen geblieben? Marie Rauscher: Ich würde sagen, dass meine Karriere eher ins Stocken geraten ist. Es gab leider keine großen Jobs wie sonst, und insgesamt waren es viel weniger Aufträge. Normalerweise bin ich an über 20 Tagen im Monat unterwegs, doch in diesem Jahr waren es meistens nur drei oder vier Tage. Dafür habe ich die Zeit genutzt, um mein Modelbuch und meine Website aufzubessern. Und ich habe mehr Werbeaufträge für Instagram angenommen. Eigentlich mache ich das weniger, weil das Modeln mein Hauptjob ist.
Wenn dann doch mal eines der wenigen Fotoshootings stattfinden konnte: Wie sieht der Alltag im Studio unter Corona-Bedingungen aus?
Marie Rauscher: Im Vordergrund steht, dass regional gebucht wird. Das bedeutet unter anderem, dass Model und Fotograf aus derselben Gegend kommen. Außerdem gibt es kein riesiges Team: Es arbeiten viel weniger Menschen am Set als sonst üblich. Häufig wurde ich darum gebeten, mich selbst zu schminken und zu frisieren. Und natürlich herrscht auch Maskenpflicht – außer, wenn ich mein Make-up mache oder vor der Kamera stehe.
Wie ist das für Sie, sich für ein Shooting selbst schminken zu müssen? Und wo haben Sie das gelernt?
Marie Rauscher: Man lernt verschiedene Handgriffe von Job zu Job von den Make-up-Artisten selbst. Allerdings ist das für mich sehr aufwendig und nicht so einfach. Auch wenn man sich privat gut schminken kann, ist das am Set und für die Kamera nochmal etwas ganz anderes. Da ist es schon gut, wenn man Stylisten hat. Ich möchte den Profis auch ihren Job nicht wegnehmen, aber jetzt in Zeiten von Corona geht es oft nicht anders – es sei denn, die Stylisten tragen von Kopf bis Fuß Schutzbekleidung.
Wo wir gerade beim Thema Styling sind: Wie ziehen Sie sich an und richten sich her, wenn Sie gerade nicht arbeiten?
Marie Rauscher: Ganz ehrlich: Da laufe ich zu 99 Prozent ungeschminkt herum, ziehe gerne auch mal eine Jogginghose an und mache mir einen Dutt, wenn die langen Haare nerven. Ich bin froh, in meiner Freizeit nicht perfekt aussehen zu müssen. Wahrscheinlich würde man da auch nicht gleich erkennen, dass ich modele.
Für ein Model nimmt ja auch die Figur einen sehr großen Stellenwert ein. Achten Sie sehr auf Ihre Maße, und wie schwer fiel das gerade in der Adventszeit?
Marie Rauscher: Da gibt es große Unterschiede zwischen dem FashionBereich und dem kommerziellen Bereich. Fashion-Models sind häufig noch immer sehr dünn oder sogar magersüchtig. Ich arbeite im kommerziellen Bereich, da sind eher Mädels mit einer normal schlanken Figur gesucht. Doch ich hatte in den letzten Jahren tatsächlich ein paar Fälle, in denen ich nicht gebucht wurde, weil ich den Kunden „zu dick“war. Sie haben sich gegen mich entschieden, weil ich nicht Größe XXS trage. Insgesamt achte ich schon auf meine Figur, bin aber auch nicht übermäßig zurückhaltend. Gerade an Weihnachten fällt es mir wie vielen anderen auch schwer, weil es so viel Süßes und Fettiges zu essen gibt. Dann gönne ich mir zwar mal etwas, aber schaue darauf, dass es nicht zu viel wird. Da ist einfach ein gesundes Gleichgewicht entscheidend.
Mit der Weihnachtszeit ist dann auch dieses coronabelastete Jahr schon fast wieder zu Ende. Wie sieht Ihr Fazit für 2020 aus? Haben Sie aufgrund der aktuellen Schwierigkeiten vielleicht sogar mit dem Gedanken gespielt, das Modeln wieder sein zu lassen?
Marie Rauscher: Die Pandemie hat die Bedingungen sehr erschwert, aber trotz allem konnte ich noch arbeiten. Gerade die Sommermonate liefen gut, da konnte ich vieles aus dem ersten Lockdown nachholen. Trotzdem habe ich oft nicht gewusst, was ich denken soll. Wenn man selbstständig ist, ist ja immer ein bisschen Unsicherheit dabei. Aber wegen Corona mit dem Modeln aufhören – nein, der Gedanke kam mir bis jetzt nicht. Wie gesagt, ich kann ja in schwierigen Zeiten mein zweites Standbein Instagram weiter ausbauen. Alles in allem konnte keiner mit der Pandemie rechnen. Noch dazu ist meine Generation recht unbefleckt von sämtlichen Krisen aufgewachsen. Doch am Ende sitzen wir alle im selben Boot – so viele Branchen sind betroffen. Es bleibt die Hoffnung, dass es bald wieder besser wird.
Hatten Sie Pläne, die das Virus durchkreuzt hat? Und gab es trotz allem auch Highlights?
Marie Rauscher: Eigentlich wollte ich für ein bis drei Monate nach Kapstadt gehen, um dort zu arbeiten. Doch das hat sich natürlich schnell erledigt. Das hat mich sehr geärgert, weil ich es mir eigentlich fest vorgenommen habe. Außerdem bin ich für das Wintergeschäft normalerweise in Österreich, um Aufträge im Bereich Ski- und Alpinsport wahrzunehmen. Aber auch das fällt in dieser Saison flach. Leider gab es keine beruflichen Highlights wie in den Jahren zuvor, zum Beispiel als ich in Kuba shooten durfte. Aber dafür privat, weil ich öfter zu Hause war und mich nicht wie sonst ständig verabschieden musste. Ich konnte also mehr Zeit mit der Familie verbringen.
Und was sind Ihre Pläne fürs neue Jahr?
Marie Rauscher: Sobald es geht, möchte ich meine Reise nach Kapstadt nachholen.
Und einfach wieder ein Jahr lang gut und viel arbeiten.