Augsburger Allgemeine (Land West)
Auf den Spuren der Bischofsmauer
Geschichte Vor 1000 Jahren schützte Augsburgs älteste Mauer die Bischofsstadt. Mit ungefähr 2550 Schritten ist sie zu umrunden. Trotz der Befestigung wurde die Stadt mehrmals überfallen
Der verwinkelte Mauerberg ist eine Wohngasse. Bei den Sieben Kindeln bildet die gemauerte Fußgängerbrücke beim Liliom einen Zugang aus der Jakobervorstadt, Zufahrten gibt es am Schmiedberg und Am Schwalbeneck. Eine Stützmauer teilt den Mauerberg in zwei Ebenen: Oben stehen die Häuser mit ungeraden Hausnummern, entlang der unteren Fahrbahn die mit geraden. Eine Fußgängerrampe und zwei Treppen verbinden „oben“und „unten“. Über ein Jahr lang war die Stützmauer am Mauerberg eingerüstet. Sie musste saniert werden.
Die frisch verfugte und ergänzte Blankziegelmauer ist weit mehr als eine „Stützwand“, wie es auf der Bautafel der Sanierung stand. Sie wirkt jetzt nicht nur wie ein historisches Relikt, sie ist es auch: Auf der Höhe lag die „Bischofsstadt“, die „Bischofsmauer“trennte sie von der Bürgerstadt. Vor über 1000 Jahren wurde die erste Mauer errichtet.
Am Mauerberg ist die „Bischofsmauer“zwar seit rund 600 Jahren beseitigt, ihr Verlauf blieb jedoch sichtbar. Am Mauerberg befand sich die Südostecke einer Wehrmauer um die „Bischofsstadt“. Als „Bischofsmauer“und älteste Befestigung des nachrömischen Augsburgs ist sie ein stadtgeschichtlicher Begriff. Bereits zu Lebzeiten von Bischof Ulrich (890 – 975) war die frühmittelalterliche Siedlung um den Dom und den Bischofssitz befestigt.
Die „Stützwand“am Mauerberg sichert, mit Zugankern versehen, die bis zu fünf Meter hohe Hangkante. Das sanierte Ziegelmauerwerk trägt optisch der geschichtlichen Bedeutung Rechnung. Zudem ist darin eine kleine, ramponierte Zirbelnuss aus dem 18. Jahrhundert eingelassen. Sie deutet auf eine Erneuerung vor 250 bis 300 Jahren.
Droben auf dem Hochplateau siedelten die Römer. Dort lagen das Kastell und das Forum. Über Teilen der antiken Römerstadt entstand im frühen Mittelalter die „Bischofsstadt“mit dem Dom als Zentrum. Sie war entschieden kleiner als das etwa 80 Hektar große römerzeitliche Augusta Vindelicum. Die „Bischofsstadt“erreichte lediglich Dorfgröße: etwa 620 Meter Länge und rund 300 Meter Breite. Sie war anfangs lediglich durch Holzpalisaden und einen Graben geschützt.
Als im Jahr 955 ein ungarisches Heer auf Raubzug durch Südeuropa war, ließ Bischof Ulrich die unzureichende Befestigung verbessern. Der erste Angriff konnte abgewehrt werden. Daraufhin wurden in aller Eile die Verteidigungsanlagen verstärkt. Es gelang, den Ungarn so lange standzuhalten, bis ein Ersatzheer unter König Otto eintraf. In der Schlacht auf dem Lechfeld wurden die Ungarn besiegt.
Bischöfe waren damals nicht nur geistliche, sondern auch weltliche Stadtherren. Um sich besser vor feindlichen Überfällen zu schützen, ließen sie ihre Stadt mit Domherren, Verwaltung und Bediensteten mit einer Wehrmauer umgeben. Das war die „Bischofsstadt“. Das Überraschende: Noch heute zeichnet sie sich trotz Überbauungen und Zerstörungen im Stadtbild ab. Sie kann umrundet werden. 2555 Schritte zeigte der Schrittzähler nach einem Spaziergang auf den Spuren der „Bischofsmauer“an.
Der Rundgang könnte Beim Pfaffenkeller an der Abzweigung des Anstoßgäßchens beginnen. An einer Laterne sind die Straßenschilder angebracht. Hier zweigt auch das Mittlere Pfaffengäßchen ab. Bei einer in die Wand eingelassenen Zirbelnuss sind im Hintergrund Mauerbogen sichtbar: Es ist die „Bischofsmauer“. Ihrem Verlauf folgt die Route. Zwischen dem Mittleren und dem Äußeren Pfaffengäßchen bildet die Mauer die Grundstücksgrenze. In Vermessungsplänen ist die „Bischofsmauer“eingezeichnet, selbst wenn sie in Häuser integriert ist. Vom Mittleren Pfaffengäßchen aus sind jedoch auch unverbaut gebliebene Mauerabschnitte sichtbar.
Die „Bischofsmauer“verlief an
Nordseite der Dompropstei (heute Dom-Hotel) zum Frauentor. Das Tor stand bis 1885 über der Frauentorstraße. Dort markiert eine Inschrifttafel den einstigen Standort. Das Frauentor war ursprünglich das Nordtor der „Bischofsstadt“. Der Rundgang entlang der „Bischofsmauer“setzt sich in der Jesuitengasse fort. Dort ist entlang einer breiten Parkbucht eine etwa drei Meter hohe Ziegelmauer zu sehen. Hier verlief die glatte „Feindseite“der „Bischofsmauer“.
Sie begrenzt das Grundstück des Verwaltungsgerichts und den Garten des Dompfarrhofs. Über die Alte Gasse hinweg setzte sie sich fort und schloss den Hofgarten in die „Bischofsstadt“ein. Nach dem Staatlichen Vermessungsamt knickte die „Bischofsmauer“zum Hafnerberg und zum Thäle ab. Hier deutet eine in den 1950er-Jahren erneuerte Betonmauer den einstigen Verlauf an. Sie dient als Stützwand zwischen Hafnerberg (oben) und Thäle (unten). Zwei in die Betonmauer eingefügte Stadtpyre mit der Jahreszahl 1531 erinnern an die einstige Grenze zwischen Bürgerstadt und „Bischofsstadt“.
Der Mauerverlauf entlang des Obstmarkts zum Hohen Weg muss heute gedacht werden. Sie war in Höhe des Stadtwerkehauses durch ihr Südtor passierbar. Beim Schwalbeneck setzte sie sich zum Mauerberg fort. Dort zeigt wiederum die 2020 sanierte Ziegelmauer ihren Verlauf an. Am tiefsten Punkt befindet sich ihr Knick in Richtung Springergäßchen und Pfaffenkeller. In diesem Abschnitt verschwand die „Bischofsmauer“im 14. Jahrhundert beim Bau der Stadtmauer der Reichsstadt. Am Anstoßgäßchen schließt sich die Umrundung der „Bischofsstadt“.
Kaiser wussten vor fast 1000 Jahren Augsburg zu schätzen. Der Bider schof musste sie bei Hoftagen und Synoden beherbergen und verpflegen. 14-mal nahm Kaiser Heinrich IV. (1056 – 1106) mit seinem Hofstaat die Gastfreundschaft in Anspruch. Große Sicherheit bot der befestigte Bischofssitz allerdings nicht. Augsburg wurde des Öfteren überfallen – allein zwischen 1081 und 1093 viermal von Herzog Welf IV. 1132 hinterließ König Lothar III. beim Abzug eine total zerstörte Stadt.
Um die „Bischofsstadt“entwickelte sich die Reichsstadt. Um 1180 war der Klosterbezirk von St. Ulrich und Afra befestigt. Ab 1295 wurde die Vorstadt mit den Stiften St. Stephan, Heilig Kreuz und St. Georg ummauert. Die „Bischofsstadt“lag nun innerhalb der befestigten Reichsstadt. Die „Bischofsmauer“hatte keine wehrtechnische Bedeutung mehr. Sie blieb nur dort erhalten, wo sie die Bautätigkeit nicht behinderte – wie zwischen dem Mittleren und dem Äußeren Pfaffengäßchen.