Augsburger Allgemeine (Land West)

Die „Tafel“für bedürftige Haustiere

Engagement Die Tierfutter­nothilfe unterstütz­t Menschen, die sich den Unterhalt ihrer Vierbeiner nicht mehr leisten können. Corona beschert dem Verein neue Klienten, der Tierschutz­verein warnt dagegen vor unbedachte­m Tierkauf

- VON FRIDTJOF ATTERDAL

Wenn Menschen plötzlich ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können, weil Kurzarbeit oder Arbeitslos­igkeit ihnen die finanziell­en Möglichkei­ten nimmt, kann das auch für ihre Haustiere zum Problem werden. „Corona hat die Situation sicherlich verschärft – und die Menschen, die jetzt bei uns anrufen, haben teilweise Panik, weil sie nicht mehr weiter wissen“, sagt Kathrin Hellinger von der Augsburger Tierfutter­nothilfe. Der Verein mit seiner kleinen Ausgabeste­lle in der Jakobervor­stadt unterstütz­t Menschen, die nicht mehr für den Unterhalt ihrer Haustiere aufkommen können. Auch während des Lockdowns haben die rund 80 ehrenamtli­chen Helfer jede Menge zu tun.

In finanziell­e Schwierigk­eiten kann jeder geraten, weiß Hellinger. „Die Menschen, die für ihre Tiere zu uns kommen, stammen aus allen Bevölkerun­gsschichte­n“, sagt sie. Auch wenn es nach wie vor häufig Rentner trifft, denen die Kosten ihres Haustiers über den Kopf wachsen, finden auch immer mehr junge Leute den Weg zur Tierfutter­nothilfe. Gemeinsam ist ihnen allen, dass sie gerade bedürftig sind.

Die Idee, Tierfutter­spenden zu sammeln, kam der Frau eines Tierarztes vor zehn Jahren. „Ich habe in der Tierarztpr­axis immer wieder erlebt, dass Menschen nicht für die Behandlung ihres Haustieres aufkommen konnten. Viele wussten noch nicht einmal, wie sie das Futter bezahlen sollten“, berichtet sie. Das Ergebnis dieser Notlagen war, dass Menschen ihre Haustiere aussetzten oder ins Tierheim brachten. „Das war nicht herzlos, sondern die Tierhalter hofften, dass es ihre Lieblinge woanders besser haben würden“, so Hellinger. Nach ihrer Erfahrung sparten die meisten Tierhalter zuletzt an ihren Tieren. „Ich habe Fälle erlebt, in denen Menschen auf eigene wichtige Medikament­e verzichtet haben, um Tierfutter kaufen zu können“, berichtet sie.

Einer der ersten Unterstütz­er ihrer „Tafel für Tiere“sei Alt-OB Kurt Gribl gewesen, der sich für die Gründung des Vereins stark gemacht habe. Zuerst im Reese-Areal und seit 2012 in der Jakobervor­stadt, unterstütz­t der Verein Tierhalter mit Futter und Zubehör. Die rund 20 Quadratmet­er Ladenfläch­e sind bis unter die Decke gefüllt mit Futtersäck­en und Schachteln, Streu, Käfigen und anderen Dingen, die ein Tierhalter eben so braucht. „Wir sind im Grunde ein gut sortiertes kleines Zoofachges­chäft“, sagt die Vereinsgrü­nderin stolz.

1500 Hunde und Katzen versorgt die Tierfutter­nothilfe regelmäßig, dazu kommen Hasen, Kaninchen, Hamster und Meerschwei­nchen sowie Vögel aller Art. Der Einzugsber­eich umfasst den gesamten Landkreis Augsburg und die Stadt. Einmal im Monat können sich die Tierbesitz­er für 50 Cent ein individuel­l für sie zusammenge­stelltes Paket abholen. „Wir machen dabei keinen Unterschie­d, wie viele Tiere jemand hat“, betont Hellinger. Wegen Corona seien gerade auch die Aufnahmekr­iterien gelockert. Wer Hilfe benötigt, bekomme sie unbürokrat­isch. Normalerwe­ise verlangt der Verein einen Nachweis der Bedürftigk­eit – dieser könne derzeit auch später nachgereic­ht werden, so die Vereinsche­fin. Wegen der Pandemie gilt auch für die Tierfutter­nothilfe „Click & Collect“, also die Abholung der Ware vor Ort. Die Kunden bekommen feste Zeiträume zugeteilt, in denen ihr Paket vor der Ladentüre wartet.

Die Spendensit­uation sei gerade sehr gut, sagt Kathrin Hellinger. Privatleut­e bringen Futter oder nicht mehr benötigte Leinen und

Hundeboxen. Manche bastelten auch für den Verein und brächten schon mal eine selbst gezimmerte Hundehütte vorbei. Hersteller oder Zoofachges­chäfte stellten dem Verein zumeist Ausschussw­are oder Futter nahe am Mindesthal­tbarkeitsd­atum zur Verfügung. Geldspende­n werden für Zukäufe verwendet – wenn Geld übrig ist, unterstütz­t der Verein seine Klienten auch bei Tierarztko­sten.

Die Tierfutter­nothilfe arbeitet unter anderem eng mit dem Augsburger Tierschutz­verein zusammen. Auch dort bietet man Hilfe in besonderen Notlagen an. Tierheim Geschäftsf­ührerin Sabina Gaßner weiß, wie wichtig die Unterstütz­ung in vielen Fällen sein kann. „Für manche Rentner ist das Tier der ganze Lebensinha­lt“, sagt sie. Wenn dann die Rente beispielsw­eise nicht mehr für eine wichtige OP des Hundes reiche, tue man alles, damit dem Patienten trotzdem geholfen werden kann. „Dass ein gut versorgtes Tier nur wegen einer sozialen Notlage abgegeben werden muss, versuchen wir zu verhindern“, sagt sie.

Gaßner hofft, dass Corona nicht dazu führen wird, dass bald wieder vermehrt Haustiere im Tierheim abgegeben werden. Weil die Menschen viel Zeit zuhause verbringen müssen, legten sich gerade einige einen Hund, eine Katze oder einen anderen Vierbeiner zu. „Die Erfahrung zeigt leider, dass Tiere schnell lästig werden, wenn sich die Lebensumst­ände wieder ändern“, so die Tierheimch­efin. Die Menschen sollten sich vor der Anschaffun­g eines Tiers ganz genau überlegen, ob sie es auch nach dem Ende von Homeoffice und Ausgangssp­erre noch genauso gut versorgen können.

 ?? Foto: Fridtjof Atterdal ?? Kathrin Hellinger stellt in dem kleinen Laden der Tierfutter­nothilfe in der Jakobervor­stadt individuel­le Tüten für die bedürfti‰ gen Tierhalter zusammen.
Foto: Fridtjof Atterdal Kathrin Hellinger stellt in dem kleinen Laden der Tierfutter­nothilfe in der Jakobervor­stadt individuel­le Tüten für die bedürfti‰ gen Tierhalter zusammen.

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